Kirchliches Arbeitsrecht: entweder ganz oder gar nicht
Nachdem es im vergangenen Jahr eine intensive Diskussion unter Fachleuten über eine mögliche Veränderung der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" gegeben hat1, haben die deutschen Bischöfe mit einstimmigem Beschluss der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands am 20. Juni 2011 den Artikel 2 der Grundordnung geändert. In der Folge wurde diese Änderung vom jeweiligen Ortsbischof für sein Bistum in Kraft gesetzt.
Diese Änderung in Artikel 2 betrifft den Geltungsbereich der Grundordnung. Durch die Neufassung ist nun klargestellt, dass jeder kirchliche Rechtsträger, der nicht direkt der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegt, die Anwendung der Grundordnung in seinen Statuten regeln muss. Zur Übernahme wird den Trägern eine abschließende Frist bis zum 31. Dezember 2013 eingeräumt.
Frist für die Übernahme der Grundordnung beachten
Gleichzeitig stellt die Neufassung von Artikel 2 Abs. 2 klar, dass Träger, die bis zu diesem Datum die Grundordnung für sich nicht übernommen haben, "im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen nicht am Selbstbestimmungsrecht der Kirche gemäß Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 137 Abs. 3 WRV" teilhaben. Das heißt, sie können die Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechtes nicht länger in Anspruch nehmen.
Hintergrund dieses Beschlusses der deutschen Bischöfe war die vieldiskutierte Entscheidung des Delegationsgerichtes der Apostolischen Signatur vom 31. März 2010. Dieses Urteil hat deutlich gemacht, dass ein kirchlicher Rechtsträger sich gegen die Anwendung der Grundordnung aussprechen kann, ohne dass er in jedem Fall automatisch seine Anerkennung als katholischer Träger verliert. Der Status als katholischer Rechtsträger ist also nicht automatisch mit der Anwendung der Grundordnung verbunden. Das macht es im Interesse der notwendigen Rechtsklarheit erforderlich, dass jeder Rechtsträger sich verbindlich festlegt.
Gleichzeitig sollte durch diese neue Regelung aber auch der Verlagerung von Arbeitsplätzen aus dem Bereich des kirchlichen Arbeitsrechtes durch Ausgründungen und mangelnde Tariftreue entgegengewirkt werden.2 Durch den Verweis auf die Folgen der Nichtübernahme der Grundordnung wird unterstrichen, dass das kirchliche Arbeitsrecht jeweils nur ganz oder gar nicht anzuwenden ist. Die Übernahme der Grundordnung bedeutet also jeweils eine Entscheidung für das gesamte kirchliche Arbeitsrecht - neben den Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas (AVR) und der Kirchlichen Zusatzversorgung auch für die Loyalitätsobliegenheiten nach Artikel 4 der Grundordnung, die Mitarbeitervertretungsordnung und die Kirchliche Arbeitsgerichtsbarkeit.
In der Folge der hier skizzierten Veränderungen von Artikel 2 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes wurden (oder werden) nun alle katholischen Rechtsträger - also auch die Rechtsträger der Caritas - von den bischöflichen Ordinariaten angeschrieben und danach befragt, ob die Grundordnung bereits in ihren Statuten verankert ist und welches Arbeitsvertragsrecht Anwendung findet. Für den Fall der fehlenden expliziten Übernahme der Grundordnung wird auf die Frist bis zum 31. Dezember 2013 zur Veränderung der Statuten (Gesellschaftsvertrag, Satzung oder Ähnliches) hingewiesen.
Eigenständige Entscheidung des jeweiligen Rechtsträgers
Unstrittig ist, dass die Übernahme der Grundordnung eine eigenständige Entscheidung der dafür zuständigen Gremien des jeweiligen Rechtsträgers darstellt. Genauso unstrittig ist, dass die fehlende Übernahme nach geltendem Recht nicht automatisch zur Aberkennung des Status als katholischer Träger führen kann. Nichtsdestotrotz haben aber die Bischöfe durch die konkrete Formulierung der Neufassung der Ordnung deutlich gemacht, dass sie davon ausgehen, dass diese in der Regel von einem katholischen Träger anzuwenden ist. So lautet der erste Satz von Artikel 2 Abs. 2 wie folgt: "Kirchliche Rechtsträger, die nicht der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen, sind verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember 2013 diese Grundordnung durch Übernahme in ihr Statut verbindlich zu übernehmen." Auch die Begründung zum Text der Ordnung unterstreicht diesen Verpflichtungscharakter: "Mit der diesbezüglichen Verpflichtung wird die dringende bischöfliche Forderung und Erwartung verrechtlicht, dass alle kirchlichen Rechtsträger die Grundordnung und damit das gesamte Kirchenarbeitsrecht übernehmen und dies in ihrem Statut festlegen." Etwas ausführlicher formuliert es der Brief, den die nordrhein-westfälischen Ordinariate in den letzten Wochen an die Rechtsträger der Caritas geschickt haben: "... ist es den deutschen Bischöfen mit ihrem Beschluss vom 20. Juni 2011 ein wichtiges Anliegen, deutlich zu machen, dass der kirchliche Charakter einer Einrichtung auch in der Gestaltung des Dienstrechtes Ausdruck finden sollte. So berücksichtigen die im Rahmen der Grundordnung gefundenen Regelungen und ihre Ausformungen zum Beispiel in der MAVO den besonderen Charakter eines Dienstes, der sich auch in der Auffassung der Mitarbeitenden als Teil des christlichen Auftrages der jeweiligen Einrichtung versteht. Damit gehört die Anwendung der Grundordnung zum christlichen Profil der Tätigkeit der kirchlichen Träger. Daher gehen wir davon aus, dass die Gremien der Träger die Anwendung der Grundordnung beschließen."
Allerdings hat es trotz dieser deutlichen Positionierungen bis jetzt noch keine Festlegungen seitens der deutschen Bischöfe gegeben, mit welchen Konsequenzen denn eine Nichtübernahme der Grundordnung nach Ablauf der Frist vom 31. Dezember 2013 sanktioniert werden soll - außer der Tatsache, dass der entsprechende Rechtsträger die Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechtes nicht mehr anwenden kann. Deutlicher ist der Deutsche Caritasverband geworden; hier gilt die Verbandsordnung, die in den Richtlinien zur Mitgliedschaft für korporative Mitglieder von diesen ausdrücklich die rechtsverbindliche Übernahme der Grundordnung einfordert. Ebenso kann ein korporatives Mitglied aus der Caritas ausgeschlossen werden, wenn dieses Aufnahmekriterium nicht mehr vollständig erfüllt wird.
Diese Formulierung der Verbandsordnung ist Ausdruck des Interesses der Caritas an einer möglichst großen Klarheit und Verbindlichkeit in der Anwendung der Grundordnung. Aus dieser Sicht ist der durch die Veränderung von Artikel 2 der Grundordnung ausgelöste Prozess der satzungsmäßigen Festschreibung ausdrücklich zu begrüßen. Dabei liegt es auch im Interesse der Caritas, dass diese Übernahme tatsächlich von allen caritativen Rechtsträgern entsprechend umgesetzt wird; dafür sprechen sowohl caritasinterne als auch allgemeinpolitische Gründe.
Innerverbandlicher Wettbewerb über die Qualität
Caritasintern wird durch eine Übernahme der Grundordnung bei allen caritativen Rechtsträgern sichergestellt, dass - bei einheitlicher Vergütung der Mitarbeitenden - eine Konkurrenz der Träger untereinander nicht auf der Ebene der Personalkosten und damit zulasten der Mitarbeitenden stattfindet. Schon die Tarifpolitischen Leitlinien des Deutschen Caritasverbandes (s. neue caritas Heft 8/2007) haben in Ziffer 5 gefordert, dass der innerverbandliche Wettbewerb über Qualität - und eben nicht durch unterschiedliche Vergütungsregelungen - stattfindet. Verbindliche und einklagbare Einheitlichkeit in dieser Frage ist für die Rechtsträger der Caritas ein gewichtiges Argument. Darüber hinaus sichert die flächendeckende Anwendung der Grundordnung die hohe Tariftreue im Bereich der Caritas und stellt damit eine Voraussetzung für die Akzeptanz des Arbeitsrechts der Caritas auch aufseiten der Mitarbeitenden dar. In diesem Sinne ist die Übernahme der Grundordnung eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die AVR der Caritas sowohl für die Träger als auch für die Mitarbeitenden ihre identitätsstiftende Funktion im Verband behalten.
Aber auch nach außen ist in der aktuellen Debatte um die Zukunft des Dritten Weges eine flächendeckende Übernahme der Grundordnung durch die Rechtsträger der Caritas von hoher Bedeutung. Im politischen Raum ist das Bemühen der Deutschen Bischöfe, durch die Veränderung von Artikel 2 für verbindliche Klarheit in der Frage der Anwendung der Grundordnung zu sorgen, durchaus auf positive Resonanz gestoßen. Gerade der auf Basis der Grundordnung erreichte hohe Stand der Tariftreue auf dem Dritten Weg - durchaus auch im Unterschied zum Zweiten Weg - stellt ein wichtiges Argument gegen die Kritik am Dritten Weg der Kirchen dar. Eine Geschlossenheit der Caritas in dieser Frage würde den Dritten Weg erheblich stärken. Sowohl die aktuellen Äußerungen der Dienstnehmer als auch der Dienstgeber innerhalb der Caritas, aber auch die Tarifpolitischen Leitlinien als Beschluss der Delegiertenversammlung unterstreichen, dass das Regelungsmodell des Dritten Weges als Instrument der Vergütungsfestlegung erhalten bleiben und weiterentwickelt werden soll. Dies wird sich mittelfristig nur dadurch absichern lassen, indem die Rechtsträger jetzt verbindlich die Grundordnung übernehmen.
Mit Blick auf die Ausschlussfrist zum 31. Dezember 2013 ist abschließend allen Trägern zu raten, angesichts von Gremienterminen und Eintragungsfristen die satzungsmäßige Umsetzung baldmöglichst anzugehen.
Anmerkungen
1. Vgl. z.B. Feldhoff, Norbert: Wer will den Arbeitskampf in der Kirche? In: neue caritas Heft 16/2010, S. 24 ff.
2. Vgl. Begründung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, Begründung zu Artikel 2, Die deutschen Bischöfe, Nr. 95 A, S. 33.