Öffnung gelingt in kleinen Schritten
Im Dezember 1994 erschienen die "Empfehlungen zur interkulturellen Öffnung sozialer Dienste" der damaligen Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen. Ihr Anliegen war, "sowohl in der Praxis als auch in den Verbänden und bei den öffentlichen Trägern sowie in den Institutionen der Aus- und Fortbildung die Auseinandersetzung um eine adäquate soziale Versorgung der Migrantinnen und Migranten innerhalb der deutschen Gesellschaft anzuregen und zu bereichern". Über dieses Thema werde "seit langem intensiv nachgedacht", hieß es schon in der damaligen Schrift. Sieben Jahre später, im Jahr 2001, gab der Zentralrat des Deutschen Caritasverbandes das Eckpunkte-Papier "Interkulturelle Öffnung der Dienste und Einrichtungen der Caritas" zur innerverbandlichen Diskussion frei. Bis heute sind weitere zehn Jahre vergangen und wir können feststellen: Interkulturelle Öffnung hat (endlich!) Fahrt aufgenommen; ein mühsamer Prozess - zugegeben -, aber eben kein flüchtiges Modethema, an dem sich Dienste und Einrichtungen der Caritas vorbeimogeln könnten.
Wer einmal verstanden hat, dass interkulturelle Öffnung untrennbar verknüpft ist mit unserer Haltung als Person wie als Organisation mit demografischem Wandel, kultureller, ethnischer und religiöser Vielfalt, weiß: Unverzichtbare Voraussetzungen für alle Fortschritte in der interkulturellen Öffnung sind drei Grundtugenden: Geduld, Durchhaltevermögen und eine gesunde Portion Hartnäckigkeit.
Was sind die wesentlichen Faktoren, die die verbandliche Caritas im Erzbistum Köln auf einen Weg in Richtung interkulturelle Öffnung gebracht haben?
Signale von oben
Dass interkulturelle Öffnung nicht ohne eindeutigen Willen und klare Signale "von oben" funktioniert, ist eine Binsenweisheit. Und es muss Initiatoren geben, die vorangehen. Auf Ortsebene sind hier die Vorstände im Caritasverband für die Stadt Köln, Peter Krücker und Franz Decker, zu nennen, die schon früh die Notwendigkeit aber auch die Chancen einer kultursensiblen Ausrichtung des Verbandes erkannten und eine entsprechende Organisationsentwicklung einleiteten. Kurz nach seinem Amtsantritt formulierte Diözesan-Caritasdirektor Frank Johannes Hensel interkulturelle Öffnung als strategisches Ziel. Mittlerweile steht für keinen der örtlichen Caritasverbände mehr das "Ob", sondern nur noch das "Wie" interkultureller Öffnung in der eigenen Organisation und in den verschiedenen Arbeitsfeldern zur Diskussion.
Die Frage nach der Verortung im Verband
Da interkulturelle Öffnung eine Querschnittsaufgabe auf Dauer ist, kommt der Entscheidung über ihre strukturelle Verortung hohe Bedeutung zu. Die operativen Fäden hätten beispielsweise nah bei den Verbandsvorständen zusammenlaufen können. Dies geschah jedoch nirgendwo. Stattdessen wurde fast überall in der freien Wohlfahrtspflege und so auch im Diözesan-Caritasverband Köln den Organisationseinheiten Integration/Migration eine Förder- und Koordinationsfunktion für interkulturelle Öffnung übertragen. Der Vorzug wurde also der bereits vorhandenen thematischen Kompetenz gegeben vor einer oganisationslogischen Lösung, zum Beispiel auf Stabsstellen-Ebene. Eine intensivere Analyse der Ursachen und Wirkungen dieser Entscheidungen könnte lohnend sein. Die den Verantwortlichen im Bereich Integration/Migration zugewachsene Aufgabe war nicht leicht - weder inhaltlich noch strukturell. Haltungen verändern zu wollen, stellt an sich schon eine große Herausforderung dar. Hinzu kam, dass dem Arbeitsfeld Integration/Migration in der Vergangenheit eher geringere fachliche Relevanz, geschweige denn kollegiale Autorität zugeschrieben wurden. Für die Motivation der verschiedenen Arbeitsbereiche, sich Interkulturellem zuzuwenden, waren dies keine günstigen Ausgangsbedingungen. Hier lag auch die Ursache für eher zögerliche Prozessverläufe.
Rückenwind erhielt die interkulturelle Öffnung im Erzbistum Köln durch die Verknüpfung von Macht und Fachkompetenz, als 2007 der Trägerkonferenz Migration1 die Koordinierungsfunktion für interkulturelle Öffnung der verbandlichen Caritas im Erzbistum Köln zugewiesen wurde. Es entwickelte sich so etwas wie gesunder Wettbewerb und Benchlearning unter den Verbänden.
Im innerverbandlichen Diskurs wurde interkulturelle Öffnung anfangs nicht selten mit der Beschäftigung nichtkatholischer Mitarbeitender gleichgesetzt. Diese wurde mit Verweis auf die Grundordnung als "No-go" zurückgewiesen. Dass kultursensible Ausrichtung innerhalb der Caritas viele andere, wesentlichere Entwicklungsschritte nahelegt, belegen das breite Interesse und zahllose Abrufe der "Indikatoren für interkulturelle Öffnung"2, die zu Jahresbeginn vom Diözesan-Caritasverband und der Trägerkonferenz Migration veröffentlicht wurden. Im Parcours der interkulturellen Öffnung kann die Caritas viele Hürden nehmen. Es ist aber nicht zu leugnen: Die Hürden für die Einstellung muslimischer Mitarbeitender sind hoch. Diese werden bis auf weiteres nicht leicht zu nehmen sein.
Katholisches Profil und die interreligiöse Dimension
Was aufgrund des kirchlichen Profils als Qualitätsmerkmal entwickelt und immer weiter ausgebaut wurde, ist die interreligiöse Dimension interkultureller Kompetenz und Öffnung. Die Überzeugung, dass Interreligiöses unverzichtbarer Bestandteil der Bemühungen um interkulturelle Öffnung ist, trägt lokal wie europäisch Früchte. Grundtvig-Lernpartnerschaften (Rahmenmodell für Kooperationen mehrerer Organisationen in der Erwachsenenbildung) mit Österreich, Italien, Tschechien und Rumänien mündeten in zahlreiche Qualifizierungsmaßnahmen zu interreligiöser Kompetenz, in einen internationalen Kongress zur Thematik und in viele kleine und größere Projekte vor Ort. So wurde etwa die Idee eines Gartens der Religionen von Bozen nach Köln getragen, wo IN VIA gerade einen solchen eröffnet und für großes Aufsehen gesorgt hat.
Eine Chronologie markiert wesentliche Maßnahmen und Ereignisse beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln, die interkulturelle Öffnung befördert haben (siehe Tabelle unten).
Interkulturelle Öffnung und der innerkirchliche Dialog
Interkulturelle Öffnung ist ein kontinuierlicher Auftrag und Prozess. Einige Arbeitsfelder der Caritas sind gedanklich bereits auf der Spur zur interkulturellen Öffnung, suchen aber noch nach operativen Ansätzen. Auch in der Weiterentwicklung von Erreichtem bleibt vieles zu tun: etwa das systematische Einholen der Außen- und "Kundensicht". Wird die Caritas tatsächlich als interkulturell sensibler Anbieter wahrgenommen und erlebt? Wie lassen sich die Bemühungen um interkulturelle Öffnung noch stärker "vermarkten" und in Diskurse um die Gestaltung unserer kulturell, ethnisch und weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft einbringen? Spannend könnte auch der Einbezug der Thematik in den innerkirchlichen Dialogprozess zwischen Bischofskonferenz und katholischen Laien werden.
Wichtig ist dabei allerdings, die Grundtugenden nicht zu vergessen: Geduld, Durchhaltevermögen und Hartnäckigkeit.
Anmerkungen
1. Mitglieder sind die Trägervertreter der Fachdienste für Integration und Migration, das heißt in aller Regel die Vorstände/Direktoren der Caritasverbände.
2. Sie sind im PDF-Format abrufbar auf www.caritasnet.de oder als Broschüre im Flyer-Format beim DiCV Köln, Abt. Integration und Migration.