Entwicklung stabil, Stimmung verhalten
Zum fünften Mal wurde Ende des Jahres 2010 die wirtschaftliche Lage der Unternehmen in der Caritas erhoben. Wie in jedem Jahr stehen die aktuelle Wirtschafts- und Ertragslage sowie die Erwartungen an das kommende Jahr im Zentrum der Erhebung. Die Zusatzfragen beschäftigen sich dieses Mal mit den verzögerten Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Außerdem stellte sich die Frage, inwieweit der Fachkräftemangel in den einzelnen Geschäftsfeldern bereits angekommen ist und wie er sich dort im betrieblichen Alltag auswirkt.
Ein Fünftel der befragten Geschäftsführer(innen) der Rechtsträger schätzen die derzeitige Geschäftslage als "gut" ein. Über die Hälfte sieht die aktuelle Ertragslage als "befriedigend" (Unternehmensgewinne). Nach der Finanzkrise im Jahr 2009 hat sich damit die wirtschaftliche Lage im vergangenen Jahr deutlich erholt. Dennoch sind die Erwartungen für das Jahr 2011 pessimistischer als für das Jahr 2010. 28,4 Prozent gehen davon aus, dass sich die Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten verschlechtern wird (2009: 27,3 Prozent) und nur 8,7 Prozent rechnen mit einer Verbesserung (2009: 10,3 Prozent). Die Aussicht auf die Ertragslage bestätigt das eher negative Zukunftsbild. 30 Prozent glauben, dass sich die Ertragslage im Jahr 2011 verschlechtern wird (2009: 27,1 Prozent).
Die negativen Erwartungen für das kommende Geschäftsjahr führen dazu, dass sich der Abstand zwischen den Caritas-Anbietern und der restlichen deutschen Dienstleistungsbranche nochmals deutlich zuungunsten der Caritas vergrößert. Sowohl der Index des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung als auch der Index der Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) signalisieren einen deutlich gestiegenen Optimismus in der Branche. Dabei wird der Saldo zwischen der Antwort "gut" und der Antwort "schlecht" für die Frage nach der aktuellen wirtschaftlichen Lage zugrunde gelegt (ist dieser positiv, so überwiegen die Optimisten). Während dieser Saldo bei der Caritas auf zwei Prozentpunkte kletterte (2009: minus acht Prozentpunkte), ist der Ifo-Saldowert von minus zwei Prozentpunkten Anfang letzten Jahres auf beachtliche 32 Prozentpunkte im Dezember 2010 deutlich stärker gestiegen.1 Eine ähnliche Entwicklung gab es beim DIHK-Index, hier beträgt der Saldowert 35 Prozentpunkte.2
Die Geschäftserwartungen der Dienstleister für das Jahr 2011 bleiben etwas hinter den gesamtwirtschaftlichen Erwartungen zurück, haben sich aber ebenfalls erneut verbessert. Der Ifo-Saldowert beträgt 18 Prozentpunkte und der DIHK-Saldowert 23 Prozentpunkte, während die Caritas mit minus 20 Prozentpunkten eine negativere Entwicklung als im Vorjahr voraussagt.
Durch die Bildung von Indikatoren aus den Einschätzungen der gegebenen wirtschaftlichen Situation und den Erwartungen an die Zukunft lässt sich ein Gesamtbild der wirtschaftlichen Stimmungslage bei den Caritasunternehmen ableiten. Während sich das Geschäftsklima nach dem Einbruch aus dem Jahr 2009 erholt hat und sich das Ertragsklima erneut verbessert hat, ist erstmals seit Durchführung der Erhebung eine Stagnation des Beschäftigungsklimas zu beobachten. 9,1 Prozent der Befragten geben an, dass die Zahl der Beschäftigten in den kommenden zwölf Monaten abnehmen wird (2009: 6,8 Prozent). Insgesamt zeichnet sich das Geschäftsklima der Caritas aber durch deutlich geringere Ausschläge und somit auch gegenüber 2009 durch eine wesentlich stabilere Entwicklung aus.
Ein Fünftel war von Kürzungen betroffen
Ein Grund für die eher verhaltene Stimmungslage der Rechtsträger ist die gerade bewältigte Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie wirkt sich nach wie vor auf die öffentlichen Haushalte und die Sozialversicherungen und damit auch auf die Geschäftslage der Einrichtungen und Dienste in der Sozialwirtschaft aus. Etwa ein Fünftel (21,2 Prozent) der Befragten mussten bereits Kürzungen hinnehmen (2009: 8,9 Prozent). Damit sind die negativen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise bei den Trägern angekommen. So wurden beispielsweise öffentliche Zuschüsse oder Leistungsentgelte seitens der Sozialversicherungsträger gekürzt. Während im Jahr 2009 noch deutlich über die Hälfte der Befragten davon ausgegangen ist, dass sie nicht betroffen sind, sagen dies Ende 2010 nur noch gut zwei Fünftel. Damit traten negative Auswirkungen auch bei denen ein, die im vergangenen Jahr nicht damit gerechnet hatten. Insgesamt spüren über die Hälfte der Träger die Folgen der Krise, während die verbleibenden 40 Prozent für das kommende Jahr mit keinen Kürzungen rechnen (siehe Abb. 1 unten). Die Ergebnisse des SMP-Marktbarometers vom Dezember 2010 bestätigen die gestiegene Krisenbetroffenheit für die Sozialwirtschaft. Auch hier geben erstmals über die Hälfte der Befragten an (55 Prozent), dass sie die Wirtschaftskrise negativ tangiert.4
Beratungsstellen spüren die Krise am stärksten
Die Allgemeine Sozialberatung war im vergangenen Jahr am stärksten von den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise betroffen. 47 Prozent der Beratungsstellen geben an, dass sie die Kürzungen bereits zu spüren bekommen haben. Auch die anderen Beratungsstellen im Bereich der Suchtberatung (38,9 Prozent), der Schuldnerberatung (38,5 Prozent) und der Erziehungsberatungsstellen (37 Prozent) mussten Kürzungen hinnehmen. Das zeigte sich an der wirtschaftlichen Lage im vergangenen Jahr, die besonders für die niedrigschwelligen Tätigkeitsbereiche schwierig war. 44,4 Prozent der Schuldnerberatungsstellen, 37,9 Prozent der Familienpflegestationen und 26 Prozent der Stellen für Allgemeine Sozialberatung geben eine schlechte Ertragslage im Vorjahr an. Lediglich bei den Schwangerschaftsberatungsstellen und bei der Kurzzeitpflege rechnen über die Hälfte der Befragten nicht mit Kürzungen.
Krankenhausträger sind skeptisch
Die Ertragslage für das kommende Jahr beurteilen die Dienstleister in den regelfinanzierten Tätigkeitsfeldern im stationären Bereich (wie die stationäre Behindertenhilfe, die Krankenhäuser und die stationäre Jugendhilfe) besonders kritisch. Über 60 Prozent der Geschäftsführer(innen) stationärer Einrichtungen im Bereich der Behindertenhilfe und der Jugendhilfe erwarten Kürzungen, im Krankenhausbereich sind es noch 46,6 Prozent. Einen relativ hohen Anteil von Pessimisten weisen auch die Schuldnerberatungsstellen (38 Prozent) und die Dienste und Einrichtungen für Migranten (36 Prozent) auf. Von einer stabileren wirtschaftlichen Lage gehen dagegen die stationären Einrichtungen für Menschen in besonderen sozialen Situationen, die Kurzzeitpflege für alte Menschen und die Allgemeine Sozialberatung aus. Diese haben entweder die Kürzungen bereits hinnehmen müssen oder erwarten, dass ihr Bereich nicht von Einsparungen betroffen sein wird.
Der Fachkräftemangel ist angekommen
Wie die Erhebungen in den vergangenen Jahren bereits gezeigt hatten, fällt den Rechtsträgern die Anwerbung von qualifizierten Fachkräften zunehmend schwerer. Über die Hälfte der Befragten (50,4 Prozent) gibt an, dass die Gewinnung von Mitarbeiter(inne)n mit mittlerem Abschluss schwerer fällt als im Jahr davor (2009: 44,4 Prozent). Auch bei der Rekrutierung von Mitarbeiter(inne)n mit Hochschulabschluss sehen 54,6 Prozent eine Verschlechterung (2009: 28,6 Prozent).
Insgesamt geben drei Viertel der Befragten an, vom Fachkräftemangel bereits betroffen zu sein. Die Auswirkungen werden folgendermaßen beschrieben: Über die Hälfte der Befragten (53,9 Prozent), die dem Arbeitskräftemangel negative Folgen bescheinigen, spüren diese in der täglichen Arbeit. Obwohl das Angebot der Leistungen in weiten Teilen gesetzlich geregelt ist, geben 17,6 Prozent an, auch hier den Fachkräftemangel zu registrieren. Deutlich höher ist der Anteil derer, die dadurch Wachstumschancen nicht wahrnehmen können (28,6 Prozent) (siehe Abb. 2 unten).
Knapp vier von fünf Sozialstationen beziehungsweise Krankenhäuser sind von dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften betroffen und spüren bereits die Konsequenzen im betrieblichen Alltag. In der stationären Altenpflege ist der Fachkräftemangel bei über 60 Prozent der Befragten präsent. Dies gilt auch für knapp die Hälfte der Befragten in der stationären und ambulanten Jugendhilfe.
Anmerkungen
1. Siehe Ifo-Konjunkturtest Dienstleistungen Deutschland 12/10 unter www.cesifo-group.de
2. Siehe DIHK-Konjunkturumfrage Jahresbeginn 2011 unter www.dihk.de
3. Für die Berechnung des Geschäfts-, Ertrags- beziehungsweise Beschäftigungsklimas wird pro Frage der Saldo aus den Antworten "gut" und "schlecht" gebildet und die Differenz dieses Wertes zum Basisjahr 2006 errechnet. Die Indikatoren des Geschäfts-, Ertrags- und Beschäftigungsklimas beruhen jeweils auf Angaben zur derzeitigen Lage und den zukünftigen Erwartungen, die im Verhältnis 40/60 eingehen.
4. Siehe www.sozial-management-partner.de/pdf/SMP-Marktbarometer_Ergebnisse_Dez2010.pdf, S. 16.