Transparenz einlösen!
Der Skandal in der Treberhilfe (der ehemalige Geschäftsführer geriet ins Visier der Staatsanwaltschaft, weil er Gelder veruntreut haben soll) hat die Transparenzdiskussion in der freien Wohlfahrtspflege erneut angefeuert. Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte in einem Brief die Bundesjustizministerin auf, eine Gesetzesinitiative zur wirtschaftlichen Transparenz gemeinnütziger Organisationen auf den Weg zu bringen. Der Deutsche Caritasverband (DCV) setzt auf Selbstverpflichtung und hat mit der Diakonie Transparenzstandards erarbeitet.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband schlägt vor, die im Handelsrecht bewährten Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten für gewerbliche Unternehmen auf gemeinnützige Organisationen zu übertragen (siehe Pressemitteilung vom 23. Juni 2010). In der Tat stellt sich die Frage, warum gemeinnützige Sozialunternehmen in Sachen Transparenz anders behandelt werden sollen als Kapitalgesellschaften, deren Jahresabschlüsse schon länger publiziert werden müssen und seit 2007 im Internet unter www.unternehmensregister.de für alle einsehbar sind.
Bereits heute sind Wohlfahrtsunternehmen in der Rechtsform der gemeinnützigen GmbH oder AG von diesen Regelungen nicht ausgenommen. In der Caritas sind dies, bezogen auf die Rechtsträger mit mindestens 50 hauptberuflichen Mitarbeiter(inne)n, immerhin gut ein Drittel. Gerade bei Vereinen, Körperschaften des öffentlichen Rechts oder auch Stiftungen ist der Informationsbedarf von Betroffenen, Angehörigen und Spendern sowie anderen Interessengruppen allerdings besonders hoch. Aus ihrem Selbstverständnis heraus und aus Gründen des Wettbewerbs (Transparenz schafft Vertrauen!), sollten die betroffenen Träger, unabhängig von legislativen Vorgaben, Rechenschaft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, ihre Leistungsfähigkeit, wesentliche Strukturdaten wie Organ- und Mitarbeiterstrukturen und vor allem die Verwendung von empfangenen Spendengeldern ablegen. Diesen Mindeststandard umfassen auch die Transparenzstandards von Caritas und Diakonie, den die beiden Verbände bereits erarbeitet haben und der im Herbst zur Entscheidung ansteht.
Gegen eine gesetzliche Lösung ist prinzipiell nichts einzuwenden, doch sollte auch sie Größenerleichterungen und angemessene Übergangszeiträume vorsehen. So gibt es immer noch Vereine, die keinen am Handelsgesetzbuch orientierten Rechnungslegungsstandard anwenden, sondern lediglich eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung mit Vermögensübersicht erstellen und damit auch nur diese veröffentlichen können. Perspektivisch sollten aber auch sie einen am Handelsgesetzbuch orientierten Jahresabschluss mit entsprechender Veröffentlichung anstreben.
Die Diskussionen in Caritas und Diakonie haben gezeigt, dass Organisationen, die sich vornehmlich über Leistungsentgelte finanzieren, mit einem Mehr an Transparenz auch Vorbehalte und konkrete Ängste verbinden. So wird insbesondere argumentiert, dass die Sozialleistungsträger veröffentlichte Daten fehlinterpretieren und zum Beispiel die Existenz von bilanziellen Rücklagen als Argument für das Einfrieren oder die Kürzung von Leistungsentgelten anführen. Dass Rücklagen zum Beispiel dem Erhalt der Immobiliensubstanz dienen, die auch im Interesse des Kostenträgers ist, wird dabei übersehen. Auch für gemeinnützige Unternehmen gelten betriebswirtschaftliche Maßstäbe. Dies muss Kostenträgern gegenüber besser vermittelt werden.
Einen weiteren Schritt in Richtung freiwillige Transparenz geht der DCV mit seiner Zentrale in Freiburg übrigens auch mit der Unterzeichnung der „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ vom 29. Juni 2010. Diese Transparenzinitiative wurde von Transparency International Deutschland unter dem Titel „Transparente Zivilgesellschaft“ gestartet. Akteure aus der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft haben zehn grundlegende Punkte definiert, die jede Organisation der Öffentlichkeit zugänglich machen sollte. An der Initiative können alle gemeinnützigen Organisationen, unabhängig von Rechtsform, Größe oder Tätigkeitsbereich teilnehmen. Die Unterzeichner verpflichten sich, die Informationen auf ihrer eigenen Website leicht zugänglich zu veröffentlichen (siehe www.caritas.de/Transparenz).