Betreuungsvereine haben ihre Rolle gefunden
Betreuungsvereine führen immer noch ein Schattendasein. Sie tun das meist in "guter Gesellschaft" mit den anderen Beteiligten im Betreuungswesen. Ans Licht "gezerrt" wird das Betreuungsthema von der Öffentlichkeit jedoch nur, wenn etwas gründlich schiefgegangen ist und daraus im Einzelfall sogar strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden müssen. Das Interesse für die wirklich gute Arbeit vieler Betreuer(innen) und insbesondere der Betreuungsvereine zu wecken, ist nicht einfach. Das Heraustreten aus dem Schatten lohnt sich aber - nicht zuletzt im Sinne der Betreuten.
Die Betreuungsvereine der verbandlichen Caritas haben dies mit ihrem bundesweiten Aktionstag am 5. Dezember 2009 getan. Solche öffentlichen Präsentationen werden erst durch Kooperation der im Arbeitsfeld "Rechtliche Betreuung" tätigen Vereine möglich. Der Deutsche Caritasverband (DCV), der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und der SKM - Katholischer Verband für soziale Dienste in Deutschland - Bundesverband (SKM) halten dafür seit 2006 die gemeinsame Arbeitsstelle "Rechtliche Betreuung" vor.
Betreuungsvereine mussten ihre Rolle erst kennenlernen
Betreuungsvereine waren sich ihrer Bedeutung im gesamten Betreuungswesen viel zu lange selbst nicht bewusst. Sie haben still und leise und mit großer Selbstverständlichkeit lange Jahre einfach ihre Arbeit getan.
Viele unserer Betreuungsvereine waren bereits vor 1992, also auch vor Inkrafttreten des neuen Betreuungsrechtes, jahrzehntelang im Vormundschafts- und Pflegschaftswesen tätig. Die inhaltliche Arbeit wurde dabei im Rahmen der Professionalisierung sozialer Arbeit immer an gesellschaftliche und rechtliche Bedingungen angepasst und fortlaufend weiterentwickelt. Ehrenamtliche Mitarbeit gehörte zum Selbstverständnis der Vereine. Auch vor 1992 gab es in den meisten Vereinen der verbandlichen Caritas Qualitätsstandards, die wir vielleicht nicht so genannt haben. Merkmale der Arbeit waren:
- den einzelnen Menschen in den Blick nehmen,
- Erstgespräch mit den Klient(inn)en vor Beschlussfassung,
- Ermittlung ihrer Wünsche,
- passgenaue Vermittlung eines geeigneten Vormundes/Pflegers,
- Unterstützung der Ehrenamtlichen,
- kontinuierliche Beziehungsarbeit,
- festgelegte Fallzahlen,
- Fallbesprechungen und Supervision,
- Ziel von zeitlich begrenzten Vormundschaften,
- möglichst keine Abgabe von Fällen der Hauptamtlichen,
- besondere Zuständigkeit für schwierige Fälle.
Die Reform fiel auf fruchtbaren Boden
Das neue Betreuungsrecht fiel 1992 bei den bereits tätigen Betreuungsvereinen auf gut vorbereiteten Boden. Mit seinen Zielen (die Diskriminierung der Betroffenen zu beseitigen, nie weiter als nötig einzugreifen, die Person des Betreuten mit seinen Wünschen und Vorstellungen in den Blick zu nehmen, den Betreuten als Verfahrenssubjekt zu stärken, mehr qualifizierte ehrenamtliche Betreuer zu gewinnen) wurde etwas festgeschrieben, was in vielen Vereinen schon lange Qualitätsstandard war.
Neu war der deutlich verstärkte Fokus auf die Querschnittsarbeit mit der Unterstützung von ehrenamtlichen und familienangehörigen Betreuer(inne)n und die geänderten Rahmenbedingungen der Finanzierung.
Ein neuer Markt schafft neue Konkurrenten
Überrascht hat wohl alle die sich neu bildende Berufsgruppe der Berufsbetreuer, die erst allmählich auch als Konkurrenz von den Betreuungsvereinen wahrgenommen wurde. Da hatten die Berufsbetreuer(innen) sich auf Verbandsebene schon gut aufgestellt und wir in den Vereinen einfach weitergearbeitet: öffentlich unbemerkt, still und leise, durchaus im Sinne der Betreuten bei gleich guter Qualität. Trotz guter und hochanspruchsvoller Qualitätsstandards bekamen die Betreuungsvereine plötzlich weniger Fälle angetragen.
Erst allmählich wurde uns bewusst, dass wir unsere Arbeit nicht nur tun, sondern auch verkaufen müssen. Dazu gehört eine öffentliche Darstellung der Arbeit und im Vorfeld die Verständigung und Verschriftlichung von Grundsätzen, Leitsätzen, und Qualitätsstandards.
Diese marktorientierte Entwicklung wurde in vielen Betreuungsvereinen und auch in den Verbänden zunächst verschlafen. Der Deutsche Caritasverband hat mit seinen Fachverbänden SkF und SKM darauf reagiert und 2006 eine gemeinsame "Arbeitsstelle Rechtliche Betreuung" eingerichtet, mit der Aufgabe der Koordination, Interessenvertretung, Qualitäts- und Strukturentwicklung.
Die besonderen Aufgaben der Betreuungsvereine
Das Ziel des Betreuungsrechts ist es vor allem, dem betreuten Menschen ein selbstbestimmtes Leben unter Achtung seiner Grundrechte zu ermöglichen. Für die rechtlichen Angelegenheiten - und nur für diese - die er ganz oder teilweise nicht mehr eigenverantwortlich regeln kann, bekommt ein Erwachsener einen Betreuer oder eine Betreuerin als gesetzlichen Vertreter. Sie/er soll ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich betreuen. Dieser im Gesetz verankerte hohe Anspruch erfordert eine passgenaue Vermittlung eines geeigneten Betreuers.
Gerade hier sind die Betreuungsvereine ein bedeutendes und unverzichtbares Element in der Umsetzung des Gesetzes. Sie spielen ganz besonders im Vorfeld der Betreuungsermittlung eine wichtige Rolle. Sie sind unverzichtbar bei der Betreuungsvermittlung. Sie sind kompetenter Partner bei der Betreuungsdurchführung und sie tragen in besonderer Weise zur Betreuungsvermeidung bei.
Ihre Qualität liegt in der Vielfalt
Durch die Bündelung der verschiedenen Profile im Verein haben die Betreuungsvereine die Möglichkeit, eine(n) passgenaue Betreuer(in) zu vermitteln. In den Vereinen engagieren sich Familienangehörige und andere (fremde) ehrenamtliche Betreuer(innen), die aufgrund ihres individuellen Hintergrundes und ihrer verschiedenen Erfahrungen sehr breite und differenzierte Eignungen und Fähigkeiten mitbringen. Diese werden bei der Vermittlung von Betreuungen berücksichtigt. Ehrenamtliche Betreuer(innen) kommen aus verschiedenen Berufen (sie sind zum Beispiel Beamte, Lehrer(innen), Verwaltungsangestellte, Bankmitarbeiter(innen), Altenpfleger(innen)). Sie stehen oft am Ende ihrer Berufstätigkeit und bringen Zeit mit. Berufliche Betreuer(innen) in den Betreuungsvereinen verfügen aufgrund ihrer Ausbildung (zumeist als Sozialpädagogen/Sozialarbeiter) über eine gesicherte Grundqualifikation, die gerade bei Betreuungsfällen mit Mehrfachproblematik notwendig ist.
Diese Vielfalt ermöglicht Betreuungsvereinen eine für den Betreuten wirklich passende Vermittlung im Einzelfall. Ehrenamtliche Betreuer(innen) sind dabei vorrangig zu berücksichtigen. Nur wenn keine geeigneten Ehrenamtlichen zur Verfügung stehen, werden rechtliche Betreuungen auch von beruflichen Betreuer(inne)n geführt. Mit ihren ergänzenden hauptamtlichen Mitarbeiter(inne)n stellen Betreuungsvereine somit sicher, dass auch für die problematischen und schwierigen Fälle immer ein geeigneter Betreuer oder eine geeignete Betreuerin in den Vereinen zur Verfügung gestellt wird.
Wer mit Ehrenamtlichen arbeitet, wer Familienangehörige berät, weiß: Sie zu gewinnen ist das eine, sie auch zu halten das andere. Nicht wenige Ehrenamtliche möchten "unterwegs" aufgeben. Betreuungsvereine beraten und bieten einen Erfahrungsaustausch und direkte Hilfen in Konfliktsituationen, damit Ehrenamtliche sich langfristig engagieren und durchhalten. Diese Begleitung bedeutet eine entscheidende Verbesserung der Einsatzfähigkeit und -bereitschaft ehrenamtlicher Betreuer(innen). Dies kommt letztlich dem Betreuten zugute.
Qualitätsleitlinien sind nun festgeschrieben
Heutige Ansprüche und Erfordernisse in der sozialen Arbeit machen eine andere Form der Qualitätsentwicklung notwendig. In der verbandlichen Caritas haben wir eine Qualitätsleitlinie für unsere Betreuungsvereine und Diözesanstellen erarbeitet, die es allen Vereinen ermöglicht, einen vereinsindividuellen Qualitätsprozess zu führen. Damit können die Betreuungsvereine die Anforderungen an ihre Arbeit nach einheitlich vorgegebenen Kriterien darstellen, ohne dass die Besonderheit und die Kultur einzelner Einrichtungen verloren gehen.
Viele Vereine haben sich in unterschiedlicher Weise schon lange zielgerichtet der kontinuierlichen Qualitätsentwicklung verschrieben. Es fand aber bisher keine Verknüpfung der Ergebnisse statt.
In allen bisherigen Prozessen wird deutlich, was die besondere Qualität der Betreuungsvereine ausmacht:
- die Vielfalt der verschiedenen Betreuer(innen) (berufliche und Ehrenamtliche) unter einem Dach,
- unterschiedliche Eignungsprofile der Betreuer(innen),
- die Möglichkeit der passgenauen Vermittlung zum Wohle der Betreuten,
- Querschnittsarbeit und Betreuungsführung im Verein im Sinne der Betroffenen,
- die gute Vernetzung mit anderen Hilfsangeboten,
- Alternativangebote für Ehrenamtliche, die im Betreuungsbereich nicht richtig aufgehoben sind,
- Beratungen, Schulungen und Fortbildungen für Ehrenamtliche und Berufliche,
- Stabilisierung von ehrenamtlichen/familienangehörigen Betreuer(inne)n,
- krisenunterstützende Maßnahmen,
- Austauschmöglichkeiten für Ehrenamtliche und Berufliche,
- eine organisierte Qualitätsentwicklung in den Verbänden/Vereinen,
- Beratung und Aufsicht von Mitarbeiter(inne)n bei der Ausübung ihrer Tätigkeit,
- Arbeitshilfen.
Vernetzung mit sozialen Diensten ist ein Plus
Betreuungsvereine beschäftigen unterschiedliche Mitarbeiter(innen). Das Ineinandergreifen von Ehrenamt und Hauptamt heißt, die unterschiedlichen Potenziale der verschiedenen Mitarbeiter(innen) im Sinne der Betreuten zu nutzen, also Aufgaben gemäß den verschiedenen Kompetenzen zu teilen und dabei Unterstützung und Hilfen anzubieten.
Die verbandliche Caritas und die Kooperation mit anderen Verbänden der freien Wohlfahrtspflege bieten darüber hinaus die Möglichkeit der Vernetzung mit anderen Hilfen. Ein unschätzbares Potenzial steckt in der Nutzung der möglichen arbeitsfeldübergreifenden Kommunikation über die "Rechtliche Betreuung" hinaus zu Arbeitsfeldern der Gesundheitshilfe, Altenhilfe, Behindertenhilfe und Ähnlichem.
Eine derartige Vernetzung kann genutzt, sie muss aber auch eingeübt werden. Menschen müssen dies gestalten und dafür persönlich eintreten. Und auch diese Arbeit ist Beziehungsarbeit.
Die Kommunikation im Arbeitsfeld "Rechtliche Betreuung" musste neu aufgebaut und weiter ausgebaut und genutzt werden. Das A und O ist dabei Kommunika-tion und Erfahrungsaustausch in alle Richtungen: Betreuungsvereine zu ihren Diözesan-/Landesebenen, Diözesanebene zur Bundesebene und zurück, Hilfen und Unterstützung beim Aufbau von Gremienstrukturen, die diese Kommunikation ermöglichen, Hilfen und Unterstützung bei der Gestaltung der zielgerichteten Arbeit in diesen Gremien, Arbeitskreise mit klaren Aufgaben, befristeten Zielen, verantwortlichen Ansprechpartnern, einem klaren Anfang und einem klaren Ende und nicht zuletzt die Wertschätzung dieser Arbeit.
Aus all dem kann sich eine wirkungsvolle politische Interessenvertretung, Einflussnahme und Mitgestaltung entwickeln.
Vereine wollen öffentlich wahrgenommen werden
Was erwarten wir als Betreuungsvereine unter dem Dach der Caritas von anderen Beteiligten im Betreuungswesen? Wir möchten gesehen und gehört werden; dafür müssen wir auch selber sorgen.
Das erfordert laute und eindeutige Aussagen und Transparenz über unsere Ansprechpartner. Das bedeutet eine wirkungsvolle politische Interessenvertretung auf kommunaler, auf Landes- und Bundesebene und eine kontinuierliche Kooperation mit den anderen Verbänden der freien Wohlfahrtspflege. Mit der inzwischen entstandenen BuKo - Bundeskonferenz der Betreuungsvereine - müssen einvernehmlich Strukturen geklärt und entwickelt werden.
Wir möchten gesehen werden mit:
- dem Fundus an Kompetenz, gerade in der Vielfalt der Betreuerprofile und der Vernetzung der verschiedensten Unterstützungsangebote,
- der jahrzehntelangen und regelmäßig reflektierten Erfahrung,
- in unserer Unterscheidung zu Berufsbetreuern.
Die Sicht auf die Probleme
Die teilweise schlechten Bedingungen der sogenannten Querschnittsarbeit in einigen Bundesländern machen die eigentlichen Absichten des Betreuungsrechtes, möglichst viele Ehrenamtliche zu gewinnen, Familienangehörige zu unterstützen und "bei der Stange zu halten", zunichte! Bundesweit variierende Förderstrukturen erschweren eine Vergleichbarkeit und die gemeinsame Entwicklung von Qualitätsstandards für alle Vereine.
Die Finanzierung der Betreuungsführung durch Vereinsbetreuer(innen) - ein absolut notwendiges Standbein der Betreuungsvereine in der gesamten Aufgabenstellung - ist für viele Betreuungsvereine nicht kostendeckend. Da, wo es an kommunaler Unterstützung fehlt, da, wo Querschnittsarbeit erwartet, aber nicht finanziert wird, kommen die Betreuungsvereine an den Rand ihrer Möglichkeiten. In den Betreuungsvereinen werden aus gutem Grund qualifizierte Mitarbeiter(innen) aus Sozialarbeit und Sozialpädagogik beschäftigt. Damit sind die Betreuungsvereine auch an tarifliche Bedingungen gebunden. Der heutige Stundensatz deckt diese Ausgaben nicht. Er liegt für einen beruflichen Betreuer derzeit bei 44 Euro. Einigen Betreuungsvereinen droht damit das Aus.
Die Akzeptanz der Ehrenamtlichen/Familienangehörigen im beruflichen Kontext der anderen Beteiligten des Betreuungswesens ist an einigen Stellen ein Problem. Amtsgerichte neigen dazu, berufliche Betreuer zu bevorzugen, weil sie professionell arbeiten, weniger Fragen und Bedingungen stellen, man sich ihnen verpflichtet fühlt und sie in der Regel "geräuschlos" arbeiten.
Anzahl und Kosten der Betreuungen steigen
Ziel der Evaluation war unter anderem, die Qualität der berufsmäßigen Betreuung und die Tätigkeit und wirtschaftliche Situation der Berufsbetreuer(innen) und Betreuungsvereine zu analysieren. Die genaueren Ergebnisse sind auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz veröffentlicht (www.bmj.de).
Wichtigste Erkenntnis: Die Zahl der Betreuungen steigt weiterhin, insbesondere bei den berufsmäßig geführten Betreuungen. Die Betreuungskosten steigen weiterhin. Die Zahl der Ehrenamtlichen /Familienangehörigen ist leicht rückläufig. Die Zahl der Vollmachten hat deutlich zugenommen. Die Arbeit der Betreuungsvereine wird insgesamt positiv bewertet.
Will man die Trends umdrehen, kommt dem sogenannten Querschnittsbereich der Betreuungsvereine eine herausragende Bedeutung zu. Für die wirkliche Akzeptanz von Ehrenamtlichen in dieser beruflich organisierten "Betreuungswelt" muss aber noch eine Menge getan werden. Und für die Finanzierung dieser Querschnittsarbeit auch. Zu allen Qualitätsdiskussionen im Betreuungswesen können wir beitragen mit unseren langjährig erprobten Standards. Die breite Veröffentlichung unserer neuen Qualitätsleitlinie für alle Betreuungsvereine der verbandlichen Caritas ist dabei ein nächster Schritt.
Es geht um eine qualitativ gute Hilfe
Bei allen Strukturfragen und Finanzierungsproblemen darf eines nicht aus dem Blick geraten: Es geht um ein optimales Recht für die Betroffenen, das für die Menschen, für die Betreuung eine gleichberechtigte Teilhabe am Rechtsverkehr garantieren soll. Und es geht um die Förderung eines gesellschaftlichen Klimas, in dem sich Menschen für andere engagieren. Das Betreuungsrecht lebt davon. Es geht um eine qualitativ gute Hilfe, egal ob sie von Ehrenamtlichen oder von Beruflichen geleistet wird. Die Betreuungsvereine mit ihrer Organisationsform und ihrer Aufgabenstellung können da einen erheblichen Beitrag leisten. Dies sollte auch bei anstehenden Strukturreformen berücksichtigt und gewürdigt werden.
Wir - die Betreuungsvereine - müssen uns konzeptionell auf die Zukunft ausrichten: mit klaren Zielbeschreibungen, mit überprüfbaren Qualitätskriterien, mit ausreichenden Ressourcen hinsichtlich eines qualifizierten Personals, ausreichend Zeit und Geld. Und da - beim Geld - sind wir auf andere angewiesen. Das können wir nicht alleine stemmen.