Stark wertorientiert und trotzdem wirtschaftlich
Das Krankenhauswesen in Deutschland befindet sich im Umbruch. Der anhaltende Effizienz- und Kostendruck wird auch weiterhin zum Abbau von Bettenkapazität, zu tiefgreifenden Umstrukturierungen und neu definierten Prozessen in den Einrichtungen führen - und auch zum Verkauf oder zur Schließung von Krankenhäusern. In dieser Situation des dynamischen Wandels werden die entscheidenden Weichen für die künftige Krankenhausversorgung gestellt.
Im Vordergrund der gesundheitspolitischen Diskussion über die Versorgungsstrukturen im Krankenhaussektor stehen derzeit öffentliche Einrichtungen - die in der Wahrnehmung häufig wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt sind - sowie private Krankenhäuser, deren wirtschaftliche wie medizinische Leistungsfähigkeit typischerweise betont wird. Die Bedeutung und Situation der kirchlichen Krankenhäuser, die mit 86 Prozent den wesentlichen Anteil der freigemeinnützigen Krankenhäuser stellen, bleibt dagegen in der Regel unbeleuchtet. Um dem bestehenden Wahrnehmungsdefizit zu begegnen, haben der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (KKVD) und der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) die Prognos AG mit einer Untersuchung zu Beitrag und Bedeutung kirchlicher Krankenhäuser in Deutschland beauftragt. Die Ergebnisse der Studie "Kirchliche Krankenhäuser - werteorientiert - innovativ, wettbewerbsstark"1 wurden Ende Oktober 2009 vorgestellt (s. neue caritas Heft 2/2010, S. 33).
Stabile Marktanteile und Ausbildungsengagement
Der Studie zufolge bilden die kirchlichen Krankenhäuser trotz der Privatisierungstendenz im Krankenhaussektor und des Rückgangs der Gesamtzahl der Allgemeinkrankenhäuser einen wesentlichen Stützpfeiler der Krankenhausversorgung in Deutschland. So befinden sich seit Anfang der 90er Jahre rund ein Drittel aller Allgemeinkrankenhäuser in Deutschland in kirchlicher Trägerschaft (s. Abb. 1).
Mit 1,1 Millionen Beschäftigten sind Krankenhäuser der wichtigste Beschäftigungsbereich im Gesundheitswesen. Auf kirchliche Krankenhäuser entfällt hierbei ein bedeutender Anteil: Auf Vollzeitäquivalente bezogen, arbeiten mit rund 240.000 Vollzeitkräften 30 Prozent aller Beschäftigten im Krankenhaussektor in freigemeinnützigen Einrichtungen, der maßgebliche Anteil davon in kirchlichen Krankenhäusern.
Gerade in Zeiten des Ärzte- und Pflegekräftemangels ist eine künftige Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nur durch erhebliches Engagement bei der Ausbildung junger Fachkräfte zu gewährleisten. Die kirchlichen Krankenhäuser werden bei der Ausbildung in der Gesundheits- und (Kinder-) Krankenpflege ihrer Verantwortung gerecht: Mit 32.100 Ausbildungsplätzen stellen freigemeinnützige Einrichtungen 35 Prozent aller Ausbildungsplätze an Allgemeinkrankenhäusern.
Gefestigte Marktposition dank hoher Effizienz
Kirchliche Krankenhäuser sind dabei wie jedes Unternehmen seit jeher darauf angewiesen, nicht nur kostendeckend zu arbeiten, sondern auch Überschüsse zu erwirtschaften: Nur so können sie Investitionen in die Verbesserung der Versorgungsqualität, in den Ausbau und die Sicherung ihres Leistungsangebots und ihrer Prozesse sowie in den Erhalt und die Erweiterung ihrer Einrichtungen tätigen. Anders als bei renditeorientierten privaten Trägern werden die erwirtschafteten Überschüsse vollständig in das Versorgungsangebot reinvestiert.
Innerhalb des im internationalen Vergleich ohnehin sehr wirtschaftlichen Krankenhaussektors in Deutschland erbringen kirchliche Krankenhäuser ihre medizinische Versorgung besonders kostengünstig und effizient. Bei den auf Betten, Fälle und den Case-Mix2 bezogenen Kosten und hinsichtlich der Basisfallwerte weisen freigemeinnützige Krankenhäuser im Vergleich der Trägergruppen jeweils die niedrigsten Werte auf. Mit Einführung bundesweit einheitlicher Basisfallwerte werden sich die Effizienzvorteile - die bisher durch die niedrigeren individuellen Basisfallwerte nicht belohnt wurden - auch monetär positiv bei den freigemeinnützigen Kliniken bemerkbar machen. Die freigemeinnützigen beziehungsweise kirchlichen Krankenhäuser stehen damit auf einer wirtschaftlich soliden Grundlage (s. Abb. 2; vgl. auch neue caritas Heft 15/2009, S. 20 f.).
Gesamtwirtschaftlich betrachtet, tragen die kirchlichen Krankenhäuser damit in überdurchschnittlichem Maße zu einer kostengünstigen stationären Versorgung und letztlich zur Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens bei.
Auch Wirtschaftlichkeit fußt auf christlichen Werten
Die kostengünstige Leistungserbringung der kirchlichen Krankenhäuser erfolgt dabei auf einem qualitativ hohen Niveau. Im Wettbewerb mit anderen Krankenhausträgern, die ihre Arbeit ausschließlich auf einen öffentlichen Versorgungsauftrag gründen oder die mit der Behandlung und Versorgung Kranker und Pflegebedürftiger Rendite- und Gewinnerwartungen verbinden, nehmen kirchliche Krankenhäuser damit eine besondere Funktion und Stellung ein: Sie positionieren sich über Werte, setzen als Vorreiter Standards, wie Werte umgesetzt werden, und sie stärken generell den Stellenwert der Werteorientierung im Krankenhaus.
Anders als vielfach unterstellt, besteht kein Widerspruch zwischen an christlichen Werten orientiertem Handeln und einer wirtschaftlichen Krankenhausführung. Zunächst einmal sind Spannungsfelder zwischen fundamentalen - auch christlichen - Werten typisch: Werte wie Freiheit und Gerechtigkeit oder auch die klassischen Prinzipien der kirchlichen Soziallehre - Personalität, Subsidiarität, Solidarität - stehen in Spannung zueinander. Wesentlich für das werteorientierte Handeln ist, in bewusster Auseinandersetzung im Alltag einen Ausgleich der verschiedenen Werte zu erreichen.
Zum anderen leitet sich gerade aus dem grundlegenden Anspruch kirchlicher Krankenhäuser - dem Dienst am Menschen - die Pflicht nicht nur zur qualitativ hochwertigen Versorgung, sondern auch zum wirtschaftlichen Handeln ab. Erklärtes Ziel christlicher Krankenhäuser - das in zahlreichen Leitbildern Niederschlag findet - ist es, unter den gegebenen Voraussetzungen und mit begrenzten Ressourcen eine bestmögliche Versorgung der Patient(inn)en unter humanitären, ethischen wie auch wirtschaftlichen Aspekten zu erreichen. Die in der Praxis erfolgreich umgesetzte wirtschaftliche Optimierung von Strukturen und Prozessen entspringt damit unmittelbar der Werteorientierung christlicher Krankenhäuser. Qualitätssicherung und Zertifizierung dienen dabei der Schärfung und Bewahrung des christlichen Profils.
Das Engagement der kirchlichen Krankenhäuser für eine bestmögliche medizinische Versorgung ist daher unmittelbarer Ausdruck ihrer christlichen Verantwortung. So sind kirchliche Krankenhäuser neben der breiten Grundversorgung und der führenden Rolle in der speziellen Behandlung Älterer ebenso im Bereich der Spitzenmedizin und Forschung tätig.
Aus Tradition gut vernetzt
Kirchliche Krankenhäuser besitzen weiterhin besondere Chancen, Kompetenzen und Erfahrungen bei der Vernetzung mit anderen Einrichtungen innerhalb und außerhalb des Krankenhaussektors. Durch ihre lokale Verwurzelung und ihre Glaubwürdigkeit bei der Sicherung der regionalen Gesundheitsversorgung wird ihnen von anderen Akteuren des Gesundheitswesens ein Vertrauensvorschuss entgegengebracht.
Ein wesentlicher Vorteil bei der Vernetzung ist zudem, dass kirchliche Krankenhausträger aus ihrem Anspruch der umfassenden Unterstützung Hilfebedürftiger und Kranker heraus bereits heute vielfach weite Bereiche der sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung und -hilfe abdecken und damit bereits wichtiges Know-how für abgestimmte Versorgungsprozesse aufgebaut haben. Ein weiterer Vorteil für die Vernetzung besteht in der organisatorischen, aber vor allem auch weltanschaulichen und kulturellen Nähe zu den zahlreichen Einrichtungen der konfessionellen Wohlfahrtsverbände. Im Rahmen von Caritas und Diakonie stehen den kirchlichen Krankenhäusern Partner zur Seite, die bereits über Strukturen verfügen, die eine schnelle und effiziente Partizipation an der integrierten Versorgung ermöglichen und eine häufig aufwendige Suche nach passenden Kooperationspartnern erübrigen.
Vertrauen und langfristig angelegte Partnerschaften
Bisher wird das Wachstum der kirchlichen Trägergesellschaften in der Regel durch Zusammenschlüsse gleichberechtigter Partner getragen. In Zukunft werden aber auch die kirchlichen Krankenhausträger Übernahmen zunehmend über den Kapitalmarkt finanzieren. Die sehr gute Eigenkapitalausstattung, die Möglichkeiten der Fremdkapitalfinanzierung unter Beteiligung der kirchlichen Banken und die langfristig angelegten Unternehmensstrategien machen kirchliche Krankenhausträger zu interessanten Partnern für Klinikübernahmen. Kirchlichen Krankenhäusern wird es zunehmend gelingen, mit Konzepten zu überzeugen, die nicht von kurzfristigen Investoreninteressen geleitet sind. Damit werden kirchliche Krankenhausträger für Kommunen zu interessanten Gesprächspartnern, wenn es um die Zukunft der stationären Versorgung in einer Region geht.
Anmerkung
1. Die komplette Studie kann unter www.kkvd.de heruntergeladen werden.
2. Der Case-Mix ist die Summe der von einem Krankenhaus in einem Zeitintervall abgerechneten sogenannten Schweregrade der behandelten Krankheitsfälle.