Wer informiert ist, lebt selbstbestimmter
Information für alle - und für alle zugänglich: Dieser Anspruch lag der Neuentwicklung eines Informationsmediums in den Ulrichswerkstätten in Schwabmünchen zugrunde. Im Alltag der Werkstatt, in der etwa 170 Menschen mit geistiger Behinderung arbeiten, wird seit vielen Jahren versucht, auch diejenigen Werkstattbesucher(innen), die nicht lesen können oder aufgrund ihrer Kompetenzminderung nicht in der Lage sind, komplexe Texte zu verstehen, trotzdem in den alltäglichen Informationsfluss mit einzubeziehen. Damit ist die tägliche Speisekarte der Kantine ebenso gemeint wie die gesammelten Informationen, die üblicherweise am schwarzen Brett zu finden sind oder die Nachrichten aus Fernseh-, Radio- und Printmedien.
Die üblichen Wege, diese Nachrichten und Informationen in einfache Sprache zu übersetzen, mit Piktogrammen (Begriffssymbolen) zu unterstützen oder Texte auf Band zu sprechen, werden alle bereits umgesetzt. Aufgrund des hohen Aufwands beschränken sich diese Hilfen allerdings auf wenige ausgewählte Informationen.
Ein professionelles Medium zur Information musste her
Der Antrag des Werkstattrates (Mitarbeitervertretung der Mitarbeitenden mit Behinderung), doch auch die Protokolle der Werkstattratssitzung für alle zugänglich und verständlich zu machen, gab letztendlich den Anstoß, ein professionelles Informationsmedium zu entwickeln, das die technischen Möglichkeiten der Zeit nutzt, um Informationen aller Art und aller Schwierigkeitsgrade für Menschen mit geistiger Behinderung zugänglich zu machen.
Auch wer nicht lesen kann, wird informiert
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachgruppen und Spezialist(inn)en der Einrichtung entstand der sogenannte "Cabito", ein zentraler Computer in der Einrichtung. Eine speziell programmierte Software (mittlerweile mehr als 1000 Programmierstunden) versetzt die Anwender(innen) (in dem Fall diejenigen, die das Medium mit Informationen befüllen) in die Lage, Nachrichtentexte, Bilder von Ausflügen, Videoclips, Speisepläne, Aufsichtspläne und vieles mehr mit geringem Aufwand aufzubereiten und über einen Computerbildschirm darzustellen. Je nach Anspruch der Endnutzer(innen) und Komplexität der Informationen können wahlweise gesprochene Texte, Filme, Piktogramme oder Bilder eingesetzt werden. Gesteuert wird das Medium über einen "Touchscreen", der über Piktogramme zur gewünschten Information führt.
Für die Nutzergruppe der Menschen mit geistiger Behinderung, die nicht des Lesens fähig sind, bedeutet dieses Medium einen enormen Zuwachs ihrer Selbstbestimmung. Mussten sie bisher immer Dritte bemühen, um zum Beispiel den Inhalt des Speiseplans vorgelesen zu bekommen oder Aushänge am schwarzen Brett zu verstehen, kann jetzt die Information zu jedem Zeitpunkt und ohne Hilfe anderer am "Cabito" abgefragt werden. Selbst so banal erscheinende Informationen wie das aktuelle Datum und die Uhrzeit sind für Menschen, die das Kurzzeitgedächtnis verloren haben, eine wichtige zeitliche Orientierung. Die Vermittlung der tagesaktuellen Lokal- und Weltnachrichten bietet eine Form von selbstbestimmter politischer und gesellschaftlicher Teilhabe, die mit anderen Medien kaum oder nur mit hohem Aufwand leistbar wäre.
Alle verwendeten Piktogramme werden in enger Zusammenarbeit mit der "Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation" (UK-Beratungsstelle) in Augsburg entwickelt und abgestimmt. Die Inhalte können einrichtungsspezifisch angepasst werden. Ihre Form orientiert sich am Verständnisniveau und am Informationsbedarf der betreuten Menschen.
Seit Juli 2008 wird der "Cabito" in der Werkstatt Schwabmünchen erprobt und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Anfangs nur für den hausinternen Gebrauch gedacht, stößt er bei kooperierenden Einrichtungen der Werkstatt auf großes Interesse und soll deshalb zu einem marktfähigen Produkt weiterentwickelt werden. Als erster Markttest findet eine Präsentation auf der Werkstättenmesse 2010 in Nürnberg (11. bis 14. März) statt.