Aufsicht im Verein
Sei es in Caritasverbänden, Ordensgemeinschaften oder Einzelinitiativen: Wo eine mitgliedschaftliche Struktur benötigt wird, wie sie Stiftungen oder GmbHs nicht bieten, ist der eingetragene Verein als Rechtsform in unterschiedlichsten Ausprägungen verbreitet.
Die modernen Anforderungen an eine qualifizierte Aufsichtsstruktur – egal ob im Deutschen Corporate-Governance-Kodex, der Arbeitshilfe 182 der Deutschen Bischofskonferenz oder zahlreichen anderen einschlägigen Kodizes beschrieben – erfordern auch für den Verein ein unabhängiges Aufsichtsgremium neben dem operativ tätigen Geschäftsführungsorgan.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) schreibt für den Verein nur die Organe Mitgliederversammlung und Vorstand vor. Erstere ist für die Angelegenheiten des Vereins zuständig, soweit sie nicht dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan übertragen sind (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Vorstand hat die Vereinsgeschäfte zu führen (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BGB) und vertritt den Verein (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ferner kann die Satzung für gewisse Geschäfte „besondere Vertreter“ mit bestimmter Vertretungsmacht vorsehen (§ 30 BGB). Daneben ist es möglich, durch die Satzung weitere Organe mit spezifischen Aufgaben zu errichten. Mit diesen Vorgaben sind in der Praxis unterschiedliche Gestaltungen üblich.
Existieren nur Mitgliederversammlung und Vorstand, muss die Mitgliederversammlung den Vorstand überwachen. Dies kann nur dann eine ordnungsgemäße und effektive Aufsicht gewährleisten, wenn die Mitgliederversammlung sich oft trifft und über die nötige Effizienz und Fachlichkeit verfügt. Dies ist jedoch selten so, daher muss die Aufsicht anders sichergestellt werden.
In der Praxis tritt die Mitgliederversammlung nur jährlich für die Verabschiedung des Jahresabschlusses und von Grundsatzentscheidungen zusammen. Der fachkundige Vorstand dagegen trifft sich öfter. Die Führung der Vereinsgeschäfte überlässt er aber einem „Geschäftsführer“, der in der Satzung teils gar nicht und teils als „besonderer Vertreter“ genannt wird. Grundsätzlich scheint so eine effektive Aufsicht zu bestehen, da ein augenscheinlich unabhängiges, mehrköpfiges und fachkundiges Aufsichtsgremium die operativ tätige(n) hauptamtliche(n) Person(en) beaufsichtigt. Gleichwohl birgt dieses Modell Risiken. Nach den gesetzlichen Vorschriften wird „besonderen Vertretern“ nur ein Teilbereich zugewiesen, in der Praxis sind sie jedoch für den gesamten Verein zuständig. Eine noch deutlichere Missachtung der gesetzlichen Vorgaben findet sich bei dem Vorstand, der für die Geschäftsführung des Vereins zuständig ist, sie aber faktisch nicht wahrnimmt. Stattdessen übernimmt der Vorstand – oftmals mit großem Engagement – die Aufsicht. Da dies jedoch nicht der gesetzlichen Aufgabe entspricht, kommt der Vorstand letztlich seinen Aufgaben nicht nach.
Zwar ist eine Übertragung von Aufgaben an einen Dritten möglich. Es muss jedoch bezweifelt werden, dass etwa vier oder sechs Treffen pro Jahr bei der vollständigen Abgabe der Aufgaben eine ausreichende Überwachung darstellen. Letztendlich übernimmt damit der Vorstand die Haftung für das Handeln des Geschäftsführers / der Geschäftsführerin, der/die als Hauptamtliche(r) regelmäßig viel breiteres Wissen von den Vorgängen und dem Markt besitzt. Ausreichen dürften Treffen in diesem Rhythmus aber für die Aufgaben eines Aufsichtsgremiums.
Die Lösung findet sich in der Konstruktion eines hauptamtlichen Vorstands mit den Aufgaben des bisherigen Geschäftsführers und einem Aufsichtsgremium, welches weiter die faktischen Aufgaben des bisherigen Vorstands wahrnehmen kann. Diese Struktur birgt gleich mehrere Vorteile. Sie lässt sich durch eine Satzungsänderung herstellen und ändert die bestehenden bewährten Strukturen und handelnden Personen faktisch nicht. Es werden nur die gesetzlichen, die satzungsmäßigen und die faktischen Aufgaben synchronisiert. In der Folge lassen sich in der Praxis oft leichter Amtsträger finden, die zuvor die Verantwortung eines Vorstands gescheut haben, sich die aufsichtsführenden Aufgaben eines Aufsichtsgremiums aber zutrauen. Diese Struktur ermöglicht es, die Rechtsform des Vereins auch unter Gesichtspunkten einer modernen Corporate Governance zu nutzen und das sozialtätige Unternehmen sicher und erfolgreich zu führen. Folgerichtig setzt sich diese Struktur auch im kirchlichen Bereich durch, beispielsweise in den Mustersatzungen für Orts-Caritasverbände zahlreicher Bistümer.