Soziale Wertschöpfung sichtbar machen
Die moderne Arbeitswelt setzt zunehmend auf die Nutzung und Auswertung von Daten, um die Qualität und Effektivität der Dienstleistungen zu steigern. Dies gilt auch für die soziale Beratung und Hilfsangebote, in denen evidenzbasiertes Arbeiten an Bedeutung gewinnt. Betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Qualität der erbrachten sozialen Leistungen am Menschen sind unverzichtbar und bedingen sich gegenseitig.
Der Caritasverband Hannover hat ein System implementiert, welches Beratungsdaten systematisch erhebt und auswertet. Damit soll die Arbeit nutzbringender dokumentiert und weiterentwickelt sowie die Gespräche mit Mitarbeitenden verbessert werden.
Die soziale Arbeit wird häufig mit dem Anspruch konfrontiert, ihre Tätigkeiten qualitativ und quantitativ zu bewerten und letztlich zu legitimieren.
Die Wirkungsorientierung und Darstellung der Leistungen nehmen besonders in den Verwendungsnachweisen einen immer größeren Raum ein. Die organisatorischen Voraussetzungen, um diese Anforderung zu erfüllen, sind jedoch häufig nicht gegeben und belasten zunehmend die internen Personalressourcen. Datensätze werden oft in fachspezifischen Anwendungen eines Beratungsangebotes vorgehalten und in der Regel nicht mit den weiteren Anwendungen eines Trägers verknüpft. Die Daten der sozialen Arbeit werden auch nicht mit den Daten aus dem Finanzcontrolling zusammengeführt.
Die Einführung eines standardisierten Softwareproduktes, das die Anforderungen aller Dienststellen abdeckt, scheiterte im Caritasverband Hannover häufig an den spezifischen Erwartungen der verschiedenen Kostenträger. Dennoch wollte der Verband seine verschiedenen Hilfsangebote im Sinne einer ganzheitlichen Begleitung besser vernetzen.
Häufig gab es kontroverse und zeitaufwendige Diskussionen zwischen der sozialen Arbeit und den kaufmännischen Arbeitsfeldern im Unternehmen. Es gab keine Brücke, um beide Perspektiven zu verbinden.
Daher sollte eine praxisnahe Software entwickelt werden, die nicht nur Kennzahlen sammelt, sondern die Beratenden in ihrer täglichen Arbeit und im Dialog mit den betriebswirtschaftlichen Fachabteilungen unterstützt. Mit "CarDia" wurde eine Anwendung geschaffen, die es Beratenden und Führungskräften auf allen Ebenen ermöglicht, die Arbeit datenbasiert in ihrem jeweiligen spezifischen Kontext zu reflektieren, und die den Zeitaufwand für die Erstellung der Verwendungsnachweise signifikant reduziert.
Prozess basiert auf sechs Säulen
Die Einführung von "CarDia" erfolgte in einem partizipativen Organisationsentwicklungsprozess, der von einem Softwareberater und Entwickler sowie inhaltlich-wissenschaftlich von einem Vertreter der sozialen Arbeit begleitet wurde. Die Software selbst wurde in Kooperation mit dem Softwareentwickler Spirito aus Krefeld und der SRH-Hochschule in Hamm entwickelt.
Der Prozess basierte auf den folgenden sechs Säulen:
1. Feedback Die Qualität der sozialen Arbeit wird über Feedbacks der Hilfesuchenden sowie Selbsteinschätzungen der Mitarbeitenden erfasst.
2. Dokumentation: "CarDia" registriert alle Hilfeleistungen, wodurch das Leistungsspektrum des Caritasverbandes Hannover dokumentiert wird.
3. Differenzierung: Zeitaufwände werden getrennt nach Overhead-Aufgaben und Leistungen für den Hilfesuchenden erfasst.
4. Dialog: Die Software ermöglicht kritische und fruchtbare Diskurse, unabhängig von der formalen Hierarchie.
5. Entwicklung: Mitarbeitende werden ermutigt, ungelöste Fragen zu benennen und konkrete Verbesserungsvorschläge zu machen.
6. Reporting: "CarDia" ist in die betrieblichen Managementprozesse und die Reportingstruktur eingebettet und ermöglicht einen konstruktiven Dialog der Standpunkte und Anforderungen der sozialen Arbeit gegenüber dem Finanzcontrolling.
Viele gewinnen
Durch die Einführung von "CarDia" wurden mehrere signifikante Erfolge erzielt: Daten wurden präzise erfasst und analysiert. Dies ermöglichte eine bessere Dokumentation der erbrachten Beratungsleistungen, die nun gegenüber Kostenträgern erfolgreich herausgestellt werden können. Schwachstellen in den Beratungsprozessen (zum Beispiel Auslastung eines Angebotes) wurden identifiziert und gezielt verbessert.
Ein strukturiertes Berichtswesen ermöglicht datenbasierte Gespräche mit den Mitarbeitenden in einem klareren und fokussierten interdisziplinären Dialog (Stichwort Qualitätssicherung). Der Berichtsprozess gewinnt aufgrund verschiedener Perspektiven, besonders an den Schnittstellen der sozialen Arbeit zur Finanzwirtschaft.
Ferner half die Visualisierung der Daten, die Beratungsarbeit transparenter und deren Mehrwert sichtbar zu machen. Nach der Einführung haben sich die verschiedenen Hilfsangebote im Verband intensiver als bisher vernetzt. Die Beratungs- und Begleitungsprozesse haben sich interdisziplinärer aufgestellt und die Zusammenarbeit mit dem Finanzcontrolling hat sich erheblich gesteigert. Ein verbessertes gegenseitiges Verständnis führt zu neuen und auch wirtschaftlichen Lösungen.
Es gab Hürden und Lösungen
Auf dem Weg zur Einführung gab es verschiedene Herausforderungen:Zentral war, den Datenschutz zu gewährleisten. Alle Daten mussten anonymisiert und sicher gespeichert werden. Die Integration neuer Software-Tools und die Schulung der Mitarbeitenden waren zeitaufwendig und anspruchsvoll. Die Umstellung auf eine datenbasierte Arbeitsweise stieß zunächst auf Skepsis. Daher war es notwendig, die Vorteile und den Nutzen klar zu kommunizieren, um die Akzeptanz zu erhöhen.
Die Einführung von "CarDia" hat sich für den Caritasverband Hannover gelohnt. Sie hat nicht nur die Dokumentation und Transparenz verbessert, sondern auch zur Optimierung der Beratungsprozesse und zur gezielten Weiterentwicklung der Hilfsangebote beigetragen. Mit "CarDia" können nicht nur Kennzahlen eingesammelt, sondern die Beratenden in ihrer täglichen Arbeit unterstützt werden. Alle beteiligten Unternehmensfunktionen begegnen sich auf Augenhöhe und finden sich in einem werteorientierten Managementprozess zusammen.
In einem nächsten Schritt sollen die Daten von "CarDia" in die Managementsoftware im Fachbereich Controlling integriert werden, um auch dort den quantitativen und qualitativen "Output" transparent zu hinterlegen.
Evidenzbasiert arbeiten
Empfehlungen für andere Organisationen
Für andere Organisationen, die einen ähnlichen Weg einschlagen möchten, folgende Tipps:
1. Kollaboration: Die Mitarbeitenden sollten von Anfang an in die Projektentwicklung einbezogen werden, um die Akzeptanz und Beteiligung zu erhöhen.
2. Feedback nutzen: In der Entwicklungsphase sollte auf individuelle Anforderungen reagiert werden können.
3. Nutzen hervorheben: Der Nutzen der Software für Fach- und Leitungskräfte muss von Beginn an klar vermittelt werden.
4. Schrittweise Einführung: Beginnen Sie mit kleinen, überschaubaren Projekten und erweitern Sie diese schrittweise.
5. Datenschutz priorisieren: Stellen Sie sicher, dass alle datenschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt werden.
6. Transparente Kommunikation: Kommunizieren Sie klar und transparent die Ziele und Vorteile der datenbasierten Auswertung. Der Caritasverband Hannover nutzt "CarDia" ausschließlich als ein Instrument für einen konstruktiven Dialog.