Nachhaltige Entwicklung ist eine gesellschaftliche und eine verbandliche Aufgabe
Megatrends fordern auch ohne Berichtspflicht das Management heraus, zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln, die Lösungen schaffen, statt Probleme zu verschärfen: Klimawandel, die signifikant gestiegene Mortalität im Zuge von Hitzewellen, der Anstieg extremer Wetterlagen und damit Schadensereignisse, knapper und teurer werdende Ressourcen sowie der Fachkräftemangel fordern Marktakteure auf kommunaler und regionaler Ebene. Wie überprüft und justiert die Caritas im Lichte dessen ihr unternehmerisches Handeln? In der Antwort auf diese Frage liegt eine enorme Chance, sich als aktive Mitgestalterin gesellschaftlicher Transformation zu positionieren.
Als Leistungsträgerin der Gesellschaft mit einer Wirkung auf 12,8 Millionen Menschen bundesweit1 ist sie definitiv eine tragende Säule der Gesellschaft. Ihr Fokus ist der Dienst am Menschen. Er steht im Zentrum allen wirtschaftlichen Handelns. Nicht umsonst rührt der Begriff Ökonomie vom altgriechischen Wort "Oikonomia" her, der Sorge um das gemeinsame Haus. Und es ist genau diese Sorge, die die Menschen zunehmend umtreibt: die Sorge um den Heimatplaneten Erde, um Heimatregionen. Uneindeutig ist indes die Bewertung der Lage. Das erschwert das Handeln auf das gemeinsame Ziel hin, das "gemeinsame Haus" in Ordnung zu halten. Die Unsicherheit steigt, der gesellschaftliche Sprengstoff wird von manchen Akteuren genüsslich gelegt.
Was ist die Antwort?
Seit 2015 wurde noch zu wenig unternommen, das Klimaabkommen von Paris einzuhalten, das zunächst erfolgreich von den Staats- und Regierungschefs beschlossen und im Jahr darauf ratifiziert wurde. Die Verabredung: Es soll alles getan werden, um die Klimaerwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Der Emissionsknick nach unten lässt indes auf sich warten. So riskiert die Menschheit handfeste Vermögensverluste, die die Kosten jetzt sinnvoller Investitionen in Klimaschutz und
-anpassungen bei weitem übersteigen.2 Darauf aufbauend stellen sich die Fragen: Wie steht es um den Immobilienbestand, um Mobilitätskonzepte, nachhaltige Beschaffung und Controlling der Caritas und ihrer Einrichtungen? Sind sie schon fit für die Zukunft? Die Zeit, zu bilanzieren, ist jetzt!
Je länger Unternehmen und auch die Caritas warten, umso intensiver wird der Handlungsdruck und damit die Wahrscheinlichkeit, schnelle, teure Optionen wählen zu müssen. Daher ist es entscheidend, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen und in den Teams Kompetenzen zum Thema aufzubauen.
Wie kommen Unternehmen der Sozialwirtschaft in die Offensive?
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK)3 besticht durch einen pragmatischen Ansatz, der Unternehmen den Einstieg in die strategische Berichterstattung durch klare Orientierung und Fokussierung auf das Wesentliche erleichtert. Insbesondere Unternehmen, die sich erst den Themen ökologischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit in Kombination mit Grundsätzen guter Unternehmensführung in einer strukturierten Berichterstattung nähern, fragen sich, was unter Nachhaltigkeitsaspekten wesentlich in Betracht zu ziehen ist. Hier finden sie den Einstieg über 20 Kriterien, die den Aufbau eines Organisationsentwicklungsprozesses erleichtern, der zugleich die Erfüllung regulatorischer Anforderungen moderiert. Mit dem Branchenleitfaden für die Freie Wohlfahrt4 gibt es eine pragmatische Orientierung, die aus der Branche heraus entwickelt wurde. Erste Schulungen vom CSR-Kompetenzzentrum der Caritas in Kooperation mit B.A.U.M. laufen im Februar 2024 an. (Siehe Infokästen unten und S. 18.)
Nach dem Gesetz über die unternehmerische Sorgfalt in Lieferketten (LkSG)5 sind seit 2023 alle Unternehmen mit mindestens 3000 Mitarbeitenden im Inland und ab 2024 zudem alle Unternehmen mit mindestens 1000 Mitarbeitenden im Inland verpflichtet, Sorgfaltspflichten im Umgang mit Geschäftspartnern umzusetzen. Hier geht es darum, zu berichten, dass es ein Risikomanagement gibt und klare Verantwortungsstrukturen, Regeln und Prozesse im Beschwerdefall. Die im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz relevanten Berichtspunkte sind im DNK integriert. Sie können dort als optionale Ergänzungen hinzugewählt werden.
Die Novelle der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD)6 erfasst ab dem Berichtsjahr 2024 alle großen haftungsbeschränkten Unternehmen und damit auch Unternehmen der Wohlfahrt, die zwei von folgenden drei Kriterien erfüllen: mehr als 250 Mitarbeitende, eine Bilanzsumme von mehr als 25 Millionen Euro, Nettoumsatzerlöse von mindestens 50 Millionen Euro. Die Novelle setzt an einer Richtlinie an, die seit dem Geschäftsjahr 2017 Unternehmen zur Offenlegung nicht finanzieller und Diversität betreffender Informationen verpflichtet hat. Das Büro Deutscher Nachhaltigkeitskodex hat die Integration der EU-Anforderungen in den DNK beauftragt. Sie sind im Laufe des Jahres 2024 zu erwarten.
Konkrete Wettbewerbsvorteile
Die Integration von Nachhaltigkeitsinformationen in den Lagebericht steigert die strategische Relevanz für Unternehmenssteuerung und -aufsicht durch die Gremien sowie in der Bewertung von Geschäftsmodellen seitens Kapitalgebern, Analysten und Geschäftspartnern.7 Wer valide Nachhaltigkeitsinformationen liefert, dem verschafft das konkrete Wettbewerbsvorteile durch günstigere Kapital- und Versicherungskosten und öffentliche Anerkennung.
Und die Integration in alle Abläufe und Prozesse nützt auch intern. Unternehmen finden Ideen für Optimierung von Abläufen, wenn sie dafür Räume schaffen. Wer es klug anstellt, kann Energiekosten sparen und Spielräume gewinnen für nachhaltige Beschaffung. Mitarbeiterengagement schafft Identifikation. Betriebsräte können als wichtigste Anspruchsgruppe jedes Unternehmens die Chance der Berichtspflicht nutzen, um sich aktiv in die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien und in der Bewertung ihrer Wirkung einzubringen.
Es ist zu erwarten, dass Anwender des Nachhaltigkeitskodex einen Vorteil durch die Einübung strukturierter Berichterstattung haben. Pioniere mit etabliertem Umweltmanagementsystem dürfte das freuen, denn die Erfahrung zeigt: Sie sind in diesen Belangen signifikant besser aufgestellt.8
Die Vereinten Nationen gehen von einem finanziellen Jahresbedarf in Höhe von drei Billionen US-Dollar zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) aus. Dieser global verabredete Wertekompass zeigt in die Richtung, allen Menschen ein gutes Leben, hochwertige Bildung, Entwicklungsmöglichkeiten, sauberes Wasser, Zugang zu Hygiene und bezahlbarer Energie zu ermöglichen.9
Es wäre zu begrüßen, wenn ein beträchtlicher Teil davon in regionale Strukturen und soziale Innovationen fließen würden, die die Gesellschaft tragen!
1. Vgl. Caritas-Statistik 2022; www.caritas.de/diecaritas/wir-ueber-uns/die-caritas-in-zahlen/statistik
2. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland. Zusammenfassung des Forschungsprojektes von IÖW, GWS, Prognos 2021-2023, 2023; https://t1p.de/4ilj3
3. Siehe www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de
4. CSR-Kompetenzzentrum im Deutschen Caritasverband: Leitfaden für die Freie Wohlfahrtspflege, 2022; https://t1p.de/z3gsk
5. Vgl. Bundesanzeiger: Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, 2021; https://t1p.de/ce7hp
6. EU-Kommission: Richtlinie (EU) 2022/2464 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, 2022; https://t1p.de/men9l
7. Arnold, M.; Bassen, A.; Frank, R.: Timing effects of corporate social responsibility disclosure: an experimental study with investment professionals, Journal of Sustainable Finance & Investment 8 (2) 2017, S. 1-27; https://t1p.de/eqtj7
8. Umweltbundesamt (UBA): Klima- und Umweltberichterstattung deutscher Unternehmen. Evaluierung der CSR-Berichtspflicht für die Jahre 2018 und 2019, 2021; https://t1p.de/zziy1
9. Vgl. https://sdgs.un.org/goals
Hintergrundinfos
Wer verbirgt sich hinter B.A.U.M.?
Als Netzwerk setzt sich B.A.U.M. (Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management) e. V. dafür ein, das zentrale Thema voranzubringen: eine lebenswerte Zukunft durch nachhaltiges Wirtschaften. Der 1984 gegründete Verband ist mit heute 800 Mitgliedern eine auf Bundes- und europäischer Ebene präsente Stimme nachhaltig wirtschaftender Unternehmen und eine treibende Kraft für die sozial-ökologische Marktwirtschaft. B.A.U.M. unterstützt transformationswillige Unternehmen beim Aufbau und bei der Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien und vernetzt Akteur:innen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Medien und Verbänden. Zu den Mitgliedern gehört das CSR-Kompetenzzentrum der Caritas. Mehr unter: www.baumev.de