Mehr Gemüse für Kindertagesstätten und Pflegeeinrichtungen
Die Gemeinschaftsverpflegung nimmt eine wichtige Rolle bei der Förderung einer gesünderen und nachhaltigeren Ernährung ein. In den sozialen Einrichtungen der Wohlfahrt werden tagtäglich Millionen Menschen verpflegt, manchmal werden nur bestimmte Hauptmahlzeiten gereicht, wie zum Beispiel in Kindertagesstätten, oder Menschen werden wie in stationären Pflegeeinrichtungen rund um die Uhr verpflegt. In stationären Pflegeeinrichtungen und auch anderen sozialen Einrichtungen ist die Ernährungsversorgung der Bewohner:innen eine zentrale Herausforderung, da sie häufig weder gesund noch klimagerecht ist.
Eine ausgewogene und vollwertige Ernährung sollte das Ziel für die täglichen Mahlzeiten der Menschen sein, die in sozialen Einrichtungen verpflegt werden. So ist es zum Beispiel bei den Bewohner:innen der stationären Pflegeeinrichtungen aufgrund der reduzierten Nahrungsmittelaufnahme im Alter wichtig, dass Mahlzeiten eine hohe Nährstoffdichte aufweisen. Die Steigerung frischer und pflanzenbasierter Kost, die Nutzung von kalorien- und eiweißreichen pflanzlichen Alternativprodukten, vor allem die Reduktion von tierischen Lebensmitteln, insbesondere rotem Fleisch, sowie die Verringerung von Lebensmittelabfällen sind maßgebliche Stellschrauben, um sowohl die Gesundheit der Bewohner:innen zu fördern als auch Auswirkungen der Verpflegung auf die Umwelt zu reduzieren.
Das heutige Ernährungssystem ist einer der Haupttreiber dafür, dass die planetaren Belastungsgrenzen überschritten werden. Hauptverantwortlich ist die Produktion tierischer Lebensmittel, bedingt durch den hohen Bedarf an Weideflächen und Futtermittel sowie den Ausstoß von Methan durch Wiederkäuer.1 Die Landwirtschaft ist mitverantwortlich für die Zerstörung natürlicher Lebensräume, das weltweite Artensterben sowie die globale Entwaldung. Diese Umweltveränderungen haben wiederum zunehmend negative Auswirkungen auf die Gesundheit aller Menschen weltweit und verdeutlichen, dass die Gesundheit der Menschen von intakten natürlichen Systemen abhängig ist.
Was der Gesundheit dient, schützt auch Lebensräume
Um diese negativen Auswirkungen auf individuelle und planetare Gesundheit zu begrenzen, ist eine umfassende Transformation des Ernährungssystems hin zu gesundheits- und klimagerechten Ernährungsformen essenziell. Hier setzt die von der EAT-Lancet entwickelte Planetary Health Diet (PHD) an, die die individuelle Gesundheit fördert und zugleich die planetaren Grenzen berücksichtigt. Die PHD ist eine stark pflanzenbasierte Ernährungsweise, die vorwiegend gesunde, vollwertige Lebensmittel mit Vollkorn, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen empfiehlt und tierische Lebensmittel nur noch in begrenzter Menge vorsieht.2 So folgen auch die jüngst veröffentlichten und überarbeiteten Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in weiten Teilen der Planetary Health Diet.
Jedoch wird beim Blick auf die Speisepläne in deutschen Pflegeeinrichtungen deutlich, dass das Angebot nicht den Empfehlungen der PHD entspricht.3 So zeigen Untersuchungen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), dass der Anteil der Ernährung am CO2-Ausstoß eines stationären Pflegeplatzes im Durchschnitt 50 Prozent ausmacht. Gleichzeitig sind Fleischmengen von weit über einem Kilogramm pro Kopf und Woche keine Ausnahme, sondern vielmehr die Regel.4 Eine wissenschaftliche Auswertung zeigt zudem, dass ein großer Teil der Kalorien in deutschen Gesundheitseinrichtungen aus rotem Fleisch und Kartoffeln stammt.5 Auf Basis empirisch ermittelter Stichproben und Hochrechnungen liegen in Deutschland anfallende Lebensmittelabfälle in Alten- und Pflegeheimen bei 134.583 Tonnen pro Jahr, wobei 80 Prozent theoretisch vermeidbar wären.6
Bei Sitzungen gibt’s nur noch vegetarisches Essen
Aus diesen Erfahrungen erarbeitete die Arbeiterwohlfahrt (AWO) auch im Bereich der Verpflegung Regelungen für den Ziel- und Maßnahmenplan, der erste Schritte zur verbandsweit beschlossenen Klimaneutralität vor 2040 aller 18.000 Einrichtungen beschreibt. Er sieht nicht nur den verstärkten Einsatz von pflanzenbasierter Kost vor, sondern auch das Ziel, den Speiseabfall auf ein Minimum zu reduzieren. Allen Personen, die in der AWO verpflegt werden, soll ein vegetarisches Angebot gemacht werden. Zudem werden die AWO-Verbände aufgefordert, ihre Küchenfachkräfte fortzubilden. Der AWO-Bundesverband soll hierfür entsprechende Konzepte entwickeln. Im Sinne der Vorbildfunktion verpflichtet sich der AWO-Bundesverband, seine Sitzungs- und Konferenzverpflegung vegetarisch zu gestalten.7
Die AWO setzt auf "Wahlfreiheit"
Zahlreiche Praxisbeispiele zeigen, dass Umstellungen in der Verpflegung möglich sind und nicht langer Vorlaufzeiten bedürfen. Wie bei Veränderungen üblich, gilt es schrittweise vorzugehen und insbesondere im Bereich der Verpflegung zu berücksichtigen, dass Gewohnheiten, Traditionen und Kultur eine sehr wichtige Rolle spielen. Die AWO hat dem Rechnung getragen und deshalb in ihrem Beschluss festgehalten, dass es eine "Wahlfreiheit" für die Menschen in den sozialen Einrichtungen beim Essen geben soll. Wichtig ist, jetzt anzufangen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Veränderungen auf den Weg zu bringen.
1. Poore, J.; Nemecek, T.: Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. In: Science 2018; 360 (6392), S. 987-992.
2. Willett, W. et al.: Food in the Anthropocene: The EAT-Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. In: Lancet 2019; 393 (10170), S. 447-492.
3. Lambrecht, N. J.; Pörtner, L. M.; Schlenger, L.; Gabrysch, S.: Healthiness and sustainability of food service in healthcare settings in Germany. In: Eur J Public Health. 2023 Oct 24; 33 (Suppl 2), ckad160.008. https://doi.org/10.1093/eurpub/ckad160.008
4. Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bundesverband e. V.; Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e.V.: Klima schützen und Gesundheit fördern. Schritte zur Klimaneutralität in Pflegeeinrichtungen und besonderen Wohnformen. 2023, S. 7.
5. Lambrecht, N. J. et al: a. a. O.
6. Ostertag, K.; Bratan, T.; Gandenberger, C.; Hüsing, B.; Pfaff, M.: Ressourcenschonung im Gesundheitssektor - Erschließung von Synergien zwischen den Politikfeldern Ressourcenschonung und Gesundheit. Abschlussbericht Umweltbundesamt, 2021.
7. AWO-Bundesverband e. V.: Klimaschutz ist Solidarität! Unser Weg zur Klimaneutralität, 2022. Kurzlink: https://tinyurl.com/nc24-19-essenklima