Kathrin spricht mit den Augen
Meine geschichte mit Kathrin Lemler begann vor rund 15 Jahren. Mir flatterte das Manuskript eines Kinderbuches, das mir ein Stefan Gemmel zugesandt hatte, "mit der Bitte um Unterstützung" auf den Tisch. Überschrift: "Kathrin spricht mit den Augen."
Kathrin Lemler war damals zehn Jahre alt. Behinderungsbild: infantile Cerebralparese mit der relativ seltenen Ausprägung der Athetose. Kathrin hat keine Kontrolle über ihre Muskeln. Ihre Bewegungen sind spastisch, allein ihren Kopf kann sie gezielt bewegen. Sie hatte sich monatelang mit Stefan Gemmel getroffen, um ihre persönliche Geschichte aufzuschreiben. Kommuniziert haben die beiden mit Bild- und Buchstabiertafeln. Was dabei herauskam, war ein beeindruckendes Kinderbuch, das uns in die Gefühlswelt eines schwerstbehinderten Mädchens versetzen kann.
Obwohl Kathrin die Förderschule besuchte, war es ihr fester Wille, einmal Abitur zu machen. Ich war fasziniert, habe aber gedacht: "Träum’ schön weiter, mit solch einer Behinderung, wie soll das gehen?" - Jetzt, 15 Jahre später, treffe ich Kathrin Lemler in einer Wohnung im Studentenheim in Köln. Sie studiert Pädagogik mit Schwerpunkt Rehabilitation an der Universität. Vor wenigen Wochen hatte sie einen Preis der Aktion Mensch erhalten - einen Reisegutschein. So konnte sie sich den Traum, nach New York zu fliegen, erfüllen - zusammen mit ihrem Freund. Auf die Frage, ob dieser auch eine Behinderung habe, antwortet sie: "Ja, genauso wie wir beide. Er ist Brillenträger." Ich habe Kathrin Lemler, die heute 25 Jahre alt ist, noch mehr Fragen gestellt. Ihre Antworten schrieb sie auf dem für ihre Bedürfnisse ausgebauten PC.