Nein zu „cleanem“ Dienst
Medien aller Couleur melden derzeit einen Stellenstopp für ältere Bewerber im Bundesfreiwilligendienst (BFD). Vielerorts werden Diskussionen dazu geführt. Neue Stellen sollen vorrangig an Bewerber unter 25 Jahren vergeben werden. Zudem gelte es den „Überhang“ der älteren Bewerber besonders in den neuen Ländern endlich zu stoppen. Das verunsichert vor Ort. Dabei sind zum Beispiel im Bistum Erfurt sowohl Verlängerungen von Verträgen als auch Neubesetzungen für 2014 möglich. Grund dafür sei, so die Verantwortlichen, dass das Gesamtkontingent im katholischen Verbund von rund 5000 Stellen bundesweit im vergangenen Jahr vorsichtig genutzt und nicht „überbucht“ wurde. Fakt ist also: Stellenstopp ist für die Caritas kein Thema.
Bleibt das höhere Alter der Bewerber im Osten – wobei die Öffnung der Altersgrenze vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt war. Bundesweit sind 42,4 Prozent der BFDler über 27 Jahre, in den neuen Ländern sind es teilweise über 80 Prozent. Im Bereich der Caritas liegt der Anteil bundesweit bei 19,5 Prozent. In den östlichen Diözesen ist der Anteil ebenfalls höher. Konkret sehen die Zahlen im Bistum Erfurt folgendermaßen aus: Bewerber ab 25 bis 40 Jahre: 32 Prozent, 40 bis 60 Jahre: 61 Prozent; über 60 Jahre: 7 Prozent. Hierbei gilt zu beachten, dass bei der Caritas im Freiwilligen Sozialen Jahr derzeit im Bistum 86 junge Leute (bis 26 Jahre) beschäftigt sind. Unter Einbeziehung des FSJ ergibt sich für die Caritas im Bistum Erfurt ein ausgewogenes Verhältnis der Altersgruppen. Darf man sich als Thüringer Diözesan-Caritasdirektor nun ausruhen? Im Gegenteil!
Die Gesamtzahl älterer Bewerber liegt in den neuen Ländern deshalb höher, weil hier seit Jahren eine Abwanderung – besonders junger Frauen – in die alten Länder verkraftet werden musste. Mit dem derzeitigen Ost-West-Lohngefälle – auch bei der Caritas – geht der „Exodus“ weiter. Die Alten bleiben. Viele von ihnen haben eine gebrochene Erwerbsbiografie und verharren mitunter im Status der Langzeitarbeitslosigkeit. Der BFD ist für Betroffene oft die einzige Chance, wieder am Arbeitsleben teilzuhaben. Mitunter eröffnet sich eine Perspektive für den Arbeitsmarkt.
Will man den BFD von diesen Menschen „clean“ machen? Dazu sage ich Nein! Man verkennt zudem die Lebensrealität in den neuen Ländern. Oder soll mit dem Stellenstopp der Osten dafür bestraft werden, dass hier mehr ältere Menschen leben?
Eine ernst gemeinte Diskussion dieser Fragen führt auf eine andere Ebene und man kommt an einer Veränderung arbeitsmarktpolitischer Instrumente nicht vorbei. Die Große Koalition hat aber keine Verbesserung dieser Instrumente in Aussicht gestellt. Die Quittung für dieses Versäumnis kommt nun durch die Hintertür, wenn das Bundesamt Einstellungsstopp verhängt. Hier wird die Diskussion aber abgewürgt – weil es die falsche Stelle ist. Reden wir endlich Tacheles in unserem Land über Teilhabe und Zukunft. Betroffenen Menschen sind wir dies schuldig!