Hilfe – bitte mehr Zeit!
Ambulant vor stationär - es scheinen sich alle einig, wenn es um pflegebedürftige Menschen geht: Betroffene, die lieber zu Hause leben möchten; Angehörige, die sich freuen, dass (Groß-)Eltern in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können; Politiker(innen), die eine Heimunterbringung als teure Lösung erachten.
Doch für eine angemessene ambulante Pflege fehlt das Geld. Auch die Caritas, mit 330 von 930 Pflegediensten der freien Wohlfahrtspflege einer der großen Anbieter in Nordrhein-Westfalen, spürt den Druck der Krankenkassen. Von 2002 bis 2012 sind die Kosten für die ambulante Pflege um 20 Prozent gestiegen, die Kostenerstattung durch die Kassen jedoch gerade einmal um sieben Prozent. Die Träger sind seit Jahren gezwungen, die wachsende Lücke irgendwie selber zu schließen. Mittlerweile müssen im Schnitt 16 Menschen in vier Stunden gepflegt werden. Die Pfleger(innen) werden gehetzt, die fachliche und menschliche Zuwendung leidet.
Deshalb hat sich die Caritas in NRW mit vielen Aktionen an der landesweiten Kampagne "Hilfe! Mehr Zeit für Pflege!" beteiligt. Die Botschaft: Es reicht! Für Kontakt, Nähe, Ansprache und Trost, all das, was pflegebedürftige Menschen besonders nötig haben, fehlt die Zeit. Ebenso für den Austausch mit den Angehörigen. Unter den derzeitigen Bedingungen können die Pflegekräfte ihrem und dem Anspruch der Klient(inn)en nicht gerecht werden. Pflege ist neben Körperhygiene und medizinischer Versorgung auch Begegnung und Kommunikation. Beides darf nicht wegrationalisiert werden.
Die Zahl pflegebedürftiger Menschen wird bis 2020 um 20 Prozent steigen. Die ambulante Pflege benötigt also zunehmend mehr Fachkräfte. Menschen, die etwas können, die motiviert und qualifiziert sind - und dafür ordentlich bezahlt werden. Um vor allem junge Menschen für einen Pflegeberuf zu begeistern, bedarf es besserer Arbeitsbedingungen. Die Pflege finanziell auszuzehren kommt uns alle teuer zu stehen. Das Image der Pflege ist eng verbunden mit der Frage: Was ist uns eine menschenwürdige Pflege wert?
Die Resonanz auf die zweiwöchige Caritas-Kampagne lässt hoffen. Viele - gerade auch Politiker(innen) - erklärten sich mit ambulanten Pflegediensten solidarisch. Vielleicht, weil die eigene familiäre Betroffenheit bei vielen gegeben ist?
Vielleicht erkennen sie aber auch, dass die ambulanten Pflegedienste eine wichtige Arbeit für das Gemeinwohl leisten. Hier geht es um die Versorgungssicherheit einer älter werdenden Bevölkerung, die zu einem immer größeren Anteil in Einpersonenhaushalten lebt. Und dort möglichst lange leben möchte. Die ambulante Pflege wird diesem gesellschaftlichen Anspruch gerecht. Das ist mehr wert, als momentan dafür bezahlt wird.