Ein Funke Hoffnung
Wir wissen gar nicht, wo wir zuerst anpacken sollen. Angesichts der brutalen Gewalt und des daraus resultierenden Leides, das über viele Familien der Demonstranten auf dem Maidan hereingebrochen ist, ist die ukrainische Caritas mit ihrer ganzen Kraft gefordert. Versorgung der Kranken, Betreuung der Hinterbliebenen und Hilfe für die Traumatisierten sind Aufgaben, die umgehend organisiert und in eine taugliche Hilfestruktur eingebettet werden müssen. Da die Ukraine sich quasi in einem politischen Vakuum befindet, schauen viele in der Bevölkerung voller Hoffnung auf Organisationen wie die Caritas.
In einem Land, in dem bislang soziale Arbeit staatlich organisiert, gelenkt, knapp gehalten oder gar durch Korruption für arme Bevölkerungsschichten unerreichbar war, vertraut keiner mehr diesem System. Man schaut stattdessen auf Gruppen und Protagonisten, die aus der postsowjetischen Zivilgesellschaft kommen und nicht von eigenen Machtinteressen geleitet sind, sondern dem Gemeinwohl dienen wollen. Leider durften diese zivilgesellschaftlichen Protagonisten, zu denen die Caritas der Ukraine zählt, bislang nicht in der Breite wirksam werden, da die staatlichen Strukturen uns von jeglicher finanziellen Hilfe ferngehalten haben und wir nur aufgrund von Unterstützungsgeldern aus dem Ausland funktionsfähig waren.
Die große Solidarität, die wochenlang während der Demonstrationen auf dem Maidan in der Bevölkerung gezeigt wurde, wächst immer noch weiter: Zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch die Caritas Ukraine, haben beispielsweise in dieser Woche innerhalb kürzester Zeit durch eine Benefizaktion auf einem TV-Kanal mehr als drei Millionen Euro Spenden für die Opferfamilien erhalten. Die Spenden kamen aus der Ukraine!
Es gibt sie also, die Personen, die bereit sind, ihre eigenen Mittel zum Wohle anderer großzügig und freigiebig abzugeben - vorausgesetzt, sie können darauf vertrauen, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie hin soll.
Um einen erfolgreichen politischen Neustart zu schaffen, braucht es auch einen gesellschaftlichen Neustart. Nur durch den Umbau des gesamten gesellschaftspolitischen Systems, in dem transparente Strukturen, definierte Kontrollen und rechtliche Konsequenzen garantiert und praktiziert werden, kann die breite Bevölkerung wieder Vertrauen in ein staatliches System fassen. Dies ist eine Leistung, die die Ukraine von innen heraus erbringen muss. Von außen herangetragen, wird sie immer von irgendeiner der politischen Gruppierungen abgelehnt werden.
Wäre die Ukraine aufgrund des Finanzmangels nicht ein getriebenes Land, bestünde nun die Möglichkeit, zum politischen Demokratisierungsprozess zurückzukehren und den Weg der Vernunft zu beschreiten. Ich bin überzeugt, dass dieser uns gesamtukrainisch eine Annäherung an den Westen brächte. Ob wir uns im Land selbst diese Zeit nehmen können und die beobachtenden Fremdnationen uns - ohne politischen Druck - helfen werden, wird sich sehr bald zeigen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.