Für eine Renovierung der Gebäude fehlt oft das Geld
Die finanziellen Rahmenbedingungen für die Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe ändern sich derzeit permanent. Die durch die UN-Behindertenrechtskonvention intensivierten Debatten über die Versorgung von Menschen mit Behinderungen (Inklusion) beschleunigen diesen Prozess. Gefordert sind gemeindenahe und dezentrale Formen der Betreuung in kleineren Wohnstätten. Die Heimbauverordnung und die Förderrichtlinien in Baden-Württemberg folgen dieser sozialpolitischen Zielsetzung. Der Systemwechsel soll sich allerdings ohne zusätzlichen Aufwand vollziehen, da die finanziellen Leistungen der Kostenträger sukzessive zurückgehen. Die Diskussion über den Konversionsprozess in Baden-Württemberg ist ein beredtes Beispiel hierfür.
Mehr Eigenkapital für den Systemwechsel
In der Behindertenhilfe sind viele Einrichtungen überaltert und renovierungsbedürftig. Veränderte Standards des Wohnens, die dezentralen Einrichtungen und steigende Auflagen bei gleichzeitig sinkenden Förderquoten erfordern von den Trägern einen deutlich erhöhten Kapitalbedarf. Die derzeitige Praxis der Berechnung der Baukosten und der Investitionskostensätze trägt diesen zukünftigen Anforderungen in keiner Weise Rechnung. Die bisherigen Berechnungsmodalitäten führen dazu, dass die Einrichtungen nicht die entsprechenden Rücklagen bilden können, um Kapital für Renovierungen beziehungsweise neue Projekte vorzuhalten.
Mit ungeklärten Problemen in die Zukunft
Die Objektförderung im Sozialwesen hatte immer schon ihre speziellen Probleme. In den vergangenen Jahren ging man stillschweigend davon aus, dass die Einrichtungen der Behindertenhilfe einen steigenden Teil der Kosten für das Wohnen selbst finanzieren. Die Förderquoten wurden schon seit den 90er Jahren sukzessive reduziert. In der Altenhilfe hat man die Förderung ganz eingestellt. In der Behindertenhilfe wurde die Förderung bisher bei- behalten, zum einen zur Steuerung des Angebots und zum anderen zur Entlastung der kommunalen Haushalte.
Die Problempunkte der Förderpolitik und der Berechnung der Investionskostensätze sind bekannt. In Baden-Württemberg (BW) sind dies:1
- Die Kosten für den Grundstückskauf werden nicht anerkannt, auch nicht deren Finanzierungskosten.
- Die notwendigen Erschließungskosten eines Bauwerkes werden nicht anerkannt (nur bei besonderen Erschwernissen).
- Die Höhe der Baukosten wurden festgelegt und indexiert, eine Anpassung an die neuen Anforderungen der Heimbauverordnung BW erfolgte bisher nicht.
- Die Baukosten-Nebenkosten sind in unzureichender Höhe gedeckelt (15 bis 18 Prozent).
- Das eingesetzte Eigenkapital wird nicht verzinst.
- Der Instandhaltungsaufwand ist ebenso unzureichend pauschalisiert (in der Regel bei 0,4 Prozent).
- Bei den Abschreibungssätzen AfA geht man immer noch von einem 50-jährigen Bestand des Gebäudes aus und kalkuliert mit einem Mischsatz (Bau und Bautechnik) von 2,45 Prozent.
- Die Einrichtungskosten sind seit Jahren gedeckelt bei 3800 Euro pro Platz.
Die Problematik ist allen Beteiligten bekannt. Änderungen der Berechnungsmodalitäten ergeben sich letztlich nur nach gerichtlichen Verfahren.
Verändert sich die Lage?
In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg interessant, das sich im Juli 2013 zu der Berechnung der Investitionskosten und Investitionspauschale geäußert hat. Das St. Josefshaus Herten, eine Einrichtung der Behinderten- und Altenhilfe, hat im südbadischen Raum ein Wohnheim für Menschen mit Behinderungen gebaut. Auf Fördermittel verzichtete der Träger, da eine zeitnahe Bewilligung nicht in Aussicht gestellt wurde. Das zuständige Landratsamt berücksichtigte bei der Berechnung des Investitionskostensatzes (IK-Satzes) nun eine fiktive Bezuschussung. Das Ergebnis war ein deutlich geringerer IK-Satz gegenüber den Berechnungen des Trägers. Auch die Schiedsstelle folgte dieser Argumentation.
Fiktive Förderung – so geht das nicht!
Das LSG Baden-Württemberg2 hob nun die Entscheidung der Schiedsstelle mit interessanten Begründungen auf. Es betonte zunächst den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit als besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsprinzips im Sinne des Minimalprinzips. Dem stellte das Gericht den Grundsatz der Leistungsfähigkeit gegenüber. Dieser beziehe sich auf den Einrichtungsträger, dessen Leistungsentgelte (in diesem Fall der IK-Satz) so zu bemessen seien, dass eine bedarfsgerechte Hilfe erbracht werden könne.
Der Senat hielt die Zulässigkeit der fiktiven Anrechnung von Zuschüssen bei der Berechnung der Investitionspauschale ausdrücklich für zweifelhaft. Ausführlich wies er darauf hin, dass sich diese nicht aus dem Nachrangprinzip ableiten lasse und mit dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit kollidiere. Entscheiden musste das Gericht diese Frage jedoch nicht. Denn selbst wenn die Anrechnung fiktiver Fördermittel bei der Berechnung der Investitionssätze zulässig wäre, würde die grundsätzliche Förderfähigkeit eines Projekts alleine nach Auffassung des LSG hierfür nicht ausreichen. Eine fiktive Anrechnung von Fördermitteln komme allenfalls dann in Betracht, wenn die Einrichtung sicher davon ausgehen könne, dass eine Förderung erfolgt wäre. Hierzu müsse nachgewiesen werden, dass genügend Haushaltsmittel zur Verfügung ständen, um alle anhängigen Anträge auf Projektförderung zu bedienen, oder dass das Projekt bevorzugt gefördert worden wäre.
Beides konnte weder das Landratsamt noch die Schiedsstelle darstellen. Dies verwundert nicht, angesichts der Förderpraxis in den vergangenen Jahren und der Höhe der bereitgestellten Fördermittel im Landeshaushalt. Die Schiedsstelle hat in ihrer erneuten Entscheidung die fiktive Anrechnung folgerichtig nicht mehr berücksichtigt.3
In dem umfangreichen Verfahren wurde von dem LSG auch die Orientierung an den Richtgrößen (Euro/Quadratmeter) des Förderrechts bei der Anerkennung der Baukosten thematisiert. Bei der Förderung müsse man auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit achten. Allerdings bedürfe es bei der Berechnung der Investitionspauschalen auch der Beachtung des Grundsatzes der Leistungsfähigkeit der Einrichtung. Allein die Zugrundelegung von Vergleichswerten aus dem Förderrecht sei nicht ausreichend. Die Schiedsstelle hätte prüfen müssen, ob die Vergleichswerte sachgerecht sind, um die Leistung bei wirtschaftlicher und sparsamer Kalkulation erbringen zu können. Dies wird in Zukunft auch im Hinblick auf die Einhaltung der neuen Vorgaben zu prüfen sein, wie der neuen Landesheimbauverordnung Baden-Württemberg.
Ist die Investitionsförderung notwendig?
Die Investitionsförderung im Bereich der Behindertenhilfe ist bis heute ein Steuerungsmittel der öffentlichen Hand. Sie begrenzt die laufenden Kosten und reduziert den Aufwand der kommunalen Haushalte. Die Zuschusspraxis, die Begrenzung der Baukostenhöhe und die Methoden der Kalkulation der IK-Sätze benachteiligten aber die Träger in erheblichem Maße – es führte zu einer Aushöhlung der Leistungsfähigkeit der Einrichtungen, und gerade kleinere Einrichtungen sind existenziell davon betroffen. Eine Aufgabe der Förderpraxis und eine sich nach betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten richtende Kalkulation der Baukosten- und der Investitionskostensätze (wie dies zum großen Teil in der Altenhilfe geschieht) wäre ein ehrlicheres Verfahren. Dank des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ist für diese Entwicklung die Tür etwas aufgestoßen worden. Es gilt dies zu nutzen.
Anmerkungen
2. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juli 2013, L 7 SO 2513/09.
3. Schiedsstelle Baden-Württemberg – § 80 SGB XII in BW vom 18. November 2013.
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