AVR flexibler gestalten
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Viele Einrichtungen für Menschen mit Behinderung können ihre Kosten kaum decken. Zu den oft strukturellen Ursachen gehören auch die Personalkosten, die aufgrund der AVR-gemäßen Gehälter höher sind als bei vielen Wettbewerbern. Lassen sich die Kosten nicht mehr ausreichend decken, beantragen die Einrichtungen sogenannte Öffnungsklauseln nach § 11 AK-Ordnung. In den nördlichen Regionen ist das sehr häufig der Fall. Solche "Elferanträge" können allerdings erst gestellt werden, wenn die eigenen Mittel der Einrichtung weitgehend aufgebraucht sind - also erst, wenn es für die Entwicklung mittel- und langfristiger betriebswirtschaftlicher Lösungen fast zu spät ist.
Die wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen und Vergütungen lassen sich nicht bundesweit einheitlich bewerten, sondern nur unter Berücksichtigung der jeweiligen regionalen Marktbedingungen. Die AVR sollten daher flexibel gestaltet werden. Die bereits bestehende Bandbreitenregelung, die regionale Anpassungen ermöglicht, reicht aus verschiedenen Gründen nicht aus: Erstens sind die Problemlagen selbst in den einzelnen Bereichen der Regionalkommissionen sehr unterschiedlich. Zweitens fehlt eine deutliche Positionierung von Kirche und Caritas, die Bewegung in die Verhandlungen der Arbeitsrechtlichen Kommission bringen könnte. Die Zeit des Aussitzens ist vorbei. Es sollte für alle Einrichtungen möglich sein, im Dritten Weg im Sinne von Kirche und Caritas zu verbleiben, ohne in der Not einen "Elferantrag" stellen zu müssen. Es ist notwendig, das Bewusstsein für unternehmerische Belange zu schärfen.
In Niedersachsen sind die meisten Leistungen der Eingliederungshilfe in einem Landesrahmenvertrag geregelt. Die Vertreter der Spitzenverbände und der Kostenträger beraten in der "Gemeinsamen Kommission" jährlich über die Anpassung der Entgelte. Zwischen 1994 und 2015 stiegen die Vorgabewerte für Personalkosten um 34 Prozent. Die Personalkosten der AVR-Anwender stiegen dagegen um 58 Prozent. Das Delta von 24 Prozentpunkten wird über Leistungsausdünnungen und mehr Effizienz kompensiert. Mittlerweile gehen diese Kostenanpassungen zulasten der Mitarbeiter und letztlich der Versorgten.
So ist keinem gedient
Deshalb müssen nun angemessene Vergütungen, für die in Niedersachsen eingetreten wird, und tragfähige Kostenstrukturen in Einklang gebracht werden. Die AVR sollten zu einem flexiblen Vergütungssystem weiterentwickelt werden. So wird einerseits eine optimale Klientelversorgung gesichert und andererseits der Anspruch der Mitarbeiter auf eine angemessene Bezahlung für ihre anspruchsvolle Tätigkeit gewährt. Nur so bieten sich langfristig gute Arbeitsbedingungen und Jobperspektiven.
Den Betrieben muss ein unternehmerisches Handeln möglich sein, das nicht zwangsläufig mangels Einnahmen und wegen zu hoher Kosten in Notlagen endet. Auf Einnahmen und Kosten flexibel reagieren zu können, ohne die Qualität der Leistungen zu beeinträchtigen, ist das Gebot der Stunde. Mit unsicheren Planungen, Perspektivlosigkeit und Notlagen ist weder den Leitungen noch den Mitarbeitern gedient – und auch nicht den Versorgten.