Dank vieler Bausteine gelingt es, Fachkräfte zu gewinnen
Im Dezember 2012 wurde die Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gestartet. Unter Beteiligung von Bund, Ländern, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Fach- und Berufsverbänden der Altenpflege, der Bundesagentur für Arbeit, den Kostenträgern und Gewerkschaften verfolgt diese Gemeinschaftsinitiative das Ziel, Fachkräfte in der Altenpflege zu sichern.1
Die Ergebnisse der ersten Halbzeit werden entsprechend der drei Hauptziele der Gemeinschaftsinitiative dargestellt:
- mehr Fachkräfte durch Akquise und Qualifizierung;
- Verbesserung der Arbeitssituation;
- höhere gesellschaftliche Wertschätzung.
Mehr Fachkräfte durch Akquise und Qualifizierung
Um den wachsenden Bedarf an Fachkräften in der Altenpflege decken zu können, haben sich die Partner der Offensive darauf verständigt, dass die Zahl der Eintritte in eine Altenpflegeausbildung (Erstausbildungen und Weiterbildungen) jährlich um zehn Prozent gesteigert werden soll. Als Referenzpunkt wurde das Schuljahr 2010/2011 gewählt. In diesem Schuljahr gab es mit 23.467 Eintritten in eine Altenpflegeausbildung2 die bis dahin höchste Zahl von neuen Auszubildenden seit der Einführung des Altenpflegegesetzes im Jahr 2003. Im Schuljahr 2012/2013 begannen 23.418 Personen eine Altenpflegeausbildung, im Schuljahr 2013/2014 26.740 Personen. Damit wurde ein neuer Höchststand erreicht.
Für das Schuljahr 2012/2013 konnte die bei der Offensive vereinbarte bundesweite Steigerungsrate von zehn Prozent noch nicht erreicht werden, da ein Rückgang der Eintrittszahlen aus dem Vorjahr wieder aufgeholt werden musste und die Vereinbarung zur Offensive erst am 13. Dezember 2012 unterzeichnet wurde. Die dort zugesagten Maßnahmen konnten ihre Wirkung erst im Schuljahr 2013/2014 voll entfalten. Mit einer Steigerung von rund 13,9 Prozent gegenüber dem Referenz-Schuljahr 2010/2011 und von 14,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2012/2013 erwiesen sich die Maßnahmen als erfolgreich. Die vereinbarte Steigerungsrate von zehn Prozent wurde deutlich übertroffen.
Die Bereitschaft von ambulanten Diensten und stationären Pflegeeinrichtungen, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, kann erheblich erhöht werden, wenn eine Ausbildungsumlage eingeführt wird. Durch ein solches Umlageverfahren werden alle Pflegeeinrichtungen - auch solche, die selbst nicht ausbilden - an den Kosten für die Ausbildungsvergütungen beteiligt. In Nordrhein-Westfalen und im Saarland hat die Einführung eines Umlageverfahrens im Juli 2012 beziehungs-weise im Dezember 2011 wesentlich dazu beigetragen, die Ausbildungszahlen zu steigern. In Nordrhein-Westfalen stieg
die Zahl der Altenpflegeauszubildenden innerhalb von zwei Jahren um circa 45 Prozent, das Saarland erreichte bei den Ausbildungseintritten im Schuljahr 2013/2014 eine Zuwachsrate von 96 Prozent gegenüber 2010/2011. Zu den Eckpunkten der Überlegungen zum neuen Pflegeberufsgesetz (s. dazu neue caritas Heft 13/2015, S. 20ff.) zählt deshalb auch die bundesweite Einführung eines Umlageverfahrens für alle Einrichtungsträger.
In den Jahren 2011 und 2012 konnten Umschulungen zum/zur Altenpfleger(in) nur zweijährig durch die Arbeitsagenturen und die Jobcenter gefördert werden. Die befristete Wiedereinführung der dreijährigen Umschulungsförderung war eine wesentliche Zielvereinbarung der Ausbildungsoffensive. Mit dem am 19. März 2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung können zwischen dem 1. April 2013 und 31. März 2016 begonnene Umschulungen zum/zur Altenpfleger(in) wieder dreijährig und damit voll von Arbeitsagenturen beziehungsweise Jobcentern finanziert werden, sofern die Ausbildung nicht verkürzt werden kann. Während 2012 rund 3950 Umschulungseintritte von den Arbeitsagenturen und Jobcentern gefördert wurden, waren es im Jahr 2013 bereits rund 7390 Umschulungen.
Das Verfahren einer stufenweisen Ausbildung - erst Helferausbildung, dann Fachkraftausbildung - erweist sich insbesondere bei Berufsanfänger(inne)n als Erfolgsmodell. In einigen Bundesländern besteht die Möglichkeit, über eine ein- oder zweijährige Pflegehelfer- oder Pflegeassistenzausbildung die Eignung für dieses Berufsfeld zu prüfen und unter bestimmten Voraussetzungen danach direkt in das zweite Jahr der Altenpflegefachkraftausbildung einzusteigen. In Baden-Württemberg haben so im Schuljahr 2013/2014 insgesamt 809 Schüler(innen) direkt nach dem Altenpflegehilfeabschluss eine Altenpflegeausbildung aufgenommen, 495 von ihnen mit einem direkten Einstieg in das zweite Ausbildungsjahr.
Großes Potenzial, um den Fachkräftebedarf zu decken, bietet auch die Nachqualifizierung von bereits in der Altenpflege beschäftigten Pflegehelfer(inne)n und Hilfskräften. Im Rahmen des Programms "Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen" (WeGebAU) der Bundesagentur für Arbeit können Personen, die von ihren Arbeitgebern für die Dauer einer Qualifizierung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freigestellt werden, finanziell unterstützt werden (vollständige oder teilweise Erstattung der Lehrgangskosten, Zuschuss zu den zusätzlich entstehenden übrigen Weiterbildungskosten, zum Beispiel Fahrtkosten). Unter bestimmten Voraussetzungen kann dem Arbeitgeber ein Arbeitsentgeltzuschuss gewährt werden. Allein im Jahr 2013 wurden über das Programm WeGebAU 2660 berufsbegleitende Altenpflegeausbildungen gefördert.
Um die Werbung und Gewinnung von Interessenten für Ausbildung und Beruf zu optimieren, wurden vom BMFSFJ eine bundesweite Informations- und Beratungsstelle für Altenpflegeschulen und Pflegeeinrichtungen und ein Online-Informationsportals zur Altenpflegeausbildung eingerichtet. Übertragen wurden beide Aufgaben dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftlichen Aufgaben (BAFzA). Das Beratungsteam mit Standorten in allen Bundesländern besteht aus rund 30 Berater(inne)n, die zielgruppenspezifisch über die Ausbildung und das Berufsfeld Altenpflege informieren und beraten, unterstützt durch das Internetportal (www.altenpflegeausbildung.net).
Um den Fachkräftebedarf in Zukunft zu sichern, müssen die Ausbildungszahlen und die Attraktivität des Arbeitsfeldes gesteigert werden. Die Partner haben sich in vielfältiger Weise dieser Herausforderung gestellt.
Verbesserung der Arbeitssituation
Die meisten Einrichtungen nahmen die Aufgabe an, eine familienfreundliche Betriebskultur zu entwickeln. Familiäre Belange werden zunehmend bei der Dienstplangestaltung und Urlaubsplanung berücksichtigt. Gleichzeitig werden flexible Arbeitszeitmodelle entwickelt und erprobt, um Beschäftigten in Erziehungsverantwortung die Möglichkeit zu bieten, beruflichen und familiären Anforderungen gerecht zu werden.
Passgenaue Kinderbetreuung wird als wichtigstes Anliegen von berufstätigen Eltern identifiziert. Angebote und Lösungen werden in Kooperation mit anderen Pflegeeinrichtungen, Kindertagesstätten vor Ort sowie Tagesmüttern und -vätern entwickelt. Unterstützt wird der Aufbau dieser Angebote durch verschiedene Bundes- und Landesinitiativen, zum Beispiel "Lokale Bündnisse für Familien" oder gesetzliche Regelungen wie beispielsweise in Thüringen, wo Kindertagesstätten Öffnungszeiten von täglich zehn bis zwölf Stunden zusichern.
Eine zunehmende Bedeutung gewinnt die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Zur Entlastung von Beschäftigten mit Pflegeverantwortung in der eigenen Familie stehen individuelle und bedarfsgerechte Lösungsansätze im Vordergrund. So bieten Betriebe zum einen individuelle Beratung und Vermittlung von Diensten und Ansprechpartner(inne)n an. Zum anderen werden für die Beschäftigten passgenaue Dienstzeiten und Beschäftigungsumfänge entwickelt und kurzfristig ermöglicht.
Finanziell unterstützt werden diese Bemühungen durch die Pflegekassen beziehungsweise Kostenträger, die nachgewiesene Kosten für zusätzliche Personalorganisation in den Vergütungs- und Entgeltverhandlungen anerkennen. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Familienpflegezeitgesetz fördern dieses Engagement zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege und machen tragfähige Lösungen möglich.
Um weitere Fachkräfte zu gewinnen, engagieren sich die Partner für die Ausbildung von Personen mit familiären Verpflichtungen. Auch hier werden konkrete familienfreundliche Lösungen gefunden, indem sich zum Beispiel Unterrichts- und Arbeitszeiten an den Öffnungszeiten der Kindertagesstätten orientierten.
Neue Formen der Ausbildung in Teilzeit entstehen, beispielsweise indem die Dauer der schulischen und praktischen Ausbildung um bis zu einem Jahr unterschiedlich ausgestaltet und vereinbart wird. Die Umsetzung innovativer Konzepte ist abhängig von der intensiven und strukturierten Zusammenarbeit in Lernortkooperationen, die auf einem gegenseitigen zeitnahen Informationsaustausch und fest vereinbarten Kommunikationsstrukturen zwischen Altenpflegeschulen und Pflegeeinrichtungen basiert.
Um die Ausbildung erfolgreich absolvieren zu können, sind besonders Auszubildende mit familiären Verpflichtungen auf zusätzliche Unterstützung angewiesen, um eine schwierige Situation im Alltag zu bewältigen oder zu überbrücken. Individuelle pädagogische und psychologische Begleitung sind daher bereits feste Bestandteile in einigen Konzepten. Es hat sich in den Projekten gezeigt, dass durch diese Hilfen die Konzentration auf die Ausbildungsanforderungen zu gewährleisten ist. In der Folge konnten nachweislich Ausbildungsabbrüche reduziert oder gar vermieden werden.
Um die Attraktivität des Altenpflegeberufs weiter zu fördern, engagieren sich viele Partner verstärkt für eine verbesserte Personalorganisation. So werden die Mitarbeitenden durch den Einsatz von technischen Hilfsmitteln, Angeboten von Supervision und Fallbesprechungen sowie Meditation und Entspannungsübungen entlastet. Die Ergebnisse des Projektes "Effizienzsteigerung und Entwicklung eines neuen Strukturmodells der Pflegedokumentation" sind mit großen Erwartungen an eine Entbürokratisierung in der Pflegedokumentation verbunden.
Gefährdungsrisiken am Arbeitsplatz werden systematisch analysiert. Fehlentwicklungen wird durch gesundheitsfördernde Maßnahmen begegnet, insbesondere unterstützt durch die Berufsge- nossenschaft (BGW) und Länderinitiativen, die Werkzeuge für den Gesundheits- und Arbeitsschutz entwickelt haben und den Betrieben zur Verfügung stellen.
Das Rückkehrmanagement wird in den Betrieben verstärkt implementiert. Bundes- und Länderinitiativen unterstützen diese Entwicklung durch gezielte Programme, beispielhaft seien hier erwähnt "Perspektive Wiedereinstieg" und das Informations- und Serviceportal www.wiedereinstieg.nrw.de.
Quantitative Verbesserungen im Personaleinsatz konnten durch erhöhte Personalrichtwerte wie zum Beispiel in Bayern erzielt werden. Auf der Grundlage des "Anforderungs- und Qualifikationsrahmens für den Beschäftigungsbereich der Pflege und persönlichen Assistenz älterer Menschen" konnten Pflegeeinrichtungen den qualitativen Personaleinsatz kritisch überprüfen und anpassen.
Die Weiterentwicklung der Personalpolitik mit Blick auf die zukünftigen Anforderungen wurde engagiert betrieben. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Mitarbeiterstruktur verstärkt analysiert, um die Entwicklung von Strategien zum Erhalt der notwendigen Personalressourcen voranzutreiben. Im Rahmen von Personalentwicklung und Karriereplanung wird der Bindung der bereits Beschäftigten in den Betrieben eine wachsende Bedeutung beigemessen. Der Ausbau von Arbeitsplätzen, die sich an den Lebensphasen der Mitarbeitenden orientieren, hat begonnen.
Neue Ideen, um Arbeitskräfte im In- und Ausland zu gewinnen, werden entwickelt und erprobt wie beispielsweise in Rheinland-Pfalz mit dem Projekt "Democheck-Altenpflege", in NRW mit einem Projekt zur Qualifizierung von jungen Menschen aus Spanien in Kooperation mit verschiedenen Verbänden, unter anderem mit IN VIA und der Spanischen Gesellschaft Paderborn, in Niedersachsen mit dem Gemeinschaftsprojekt von DRK und AWO Braunschweig zur gemeinsamen Qualifizierung von jungen Menschen aus Vietnam.
Höhere gesellschaftliche Wertschätzung
Wie die gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung verbessert werden kann, wird in zahlreichen Informationsveranstaltungen über das Berufsfeld Altenpflege vermittelt. Gezielt wird zu den vielfältigen Tätigkeiten, zur Ausbildung und zu Arbeits- und Einsatzstellen beraten. Landesinitiativen und Kampagnen zielen darauf ab, das Berufsimage zu verbessern. Messen und Kongresse zum Beruf Altenpflege, Broschüren und digitale Präsenz auf Verbandsebene unterstützen diese Bemühungen.
Regionale Aktivitäten stellen die Arbeit in der Altenpflege realistisch dar und sind Beispiele guter Praxis vor Ort. Preise, die für Mitarbeitende und Auszubildende ausgelobt werden, fördern vor allem die öffentlichkeitswirksame Anerkennung und Wertschätzung der Beschäftigten, wie zum Beispiel die öffentliche Abschlussfeier aller Absolventen eines Ausbildungsjahres Altenpflege und Altenpflegehilfe unter Schirmherrschaft des Bürgermeisters in Freiburg.
Die Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege dient mit den vereinbarten Zielen vorrangig der Lebensqualität von Menschen im Alter, die auf Pflege angewiesen sind, denn: Gut ausgebildete und kompetente Pflegefachkräfte mit einer hohen Zufriedenheit im Beruf sind die Garanten für eine individuelle und würdevolle Pflege und Begleitung alter Menschen. Der Weg zum Ziel braucht eine starke Gemeinschaftsinitiative und stete Weiterentwicklung in Ausbildung und Beruf.
Anmerkungen
1. Der Zwischenbericht zur Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege (2012-2015) wurde am 8. Januar 2015 veröffentlicht und ist über das BMFSFJ online abzurufen unter: www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=213540.html
2. Alle Zahlen wurden durch eine detaillierte Abfrage bei den zuständigen Landesministerien gewonnen.
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