Recht auf Land, eine intakte Umwelt, auf Teilhabe und Klimagerechtigkeit
In Lateinamerika werden lediglich acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen ausgestoßen. Gleichzeitig ist der Subkontinent aber eine der am meisten vom Klimawandel betroffenen Regionen weltweit, der sich dort auf die Ökosysteme sowie die Ernährungs- und Wassersicherheit dramatisch auswirkt. Extreme Wetterereignisse wie heftige Dürren, Niederschläge und Hitzewellen treten häufiger auf und führen regelmäßig zu Katastrophen. Laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) starben in Lateinamerika und der Karibik zwischen 1998 und 2020 über 312.000 Menschen an Ereignissen mit Klimabezug und über 277 Millionen Menschen waren davon betroffen.
Gleichzeitig befindet sich in Lateinamerika ein zentraler Kipppunkt des globalen Klimasystems. Der Amazonasregenwald und seine Artenvielfalt sowie die (oft klimabezogenen) Ökosystemleistungen, die beide erbringen, stehen vor allem durch große Infrastrukturprojekte, zerstörerische wirtschaftliche auch illegale Aktivitäten, Migration, Verschmutzung sowie nicht angepasste Landnutzung (agroindustrielle und Bergbaupraktiken) unter massivem Druck. Wenn die hohen globalen Emissionen und die enorme Abholzung anhalten, werden die Regenwälder des Amazonas zusammenbrechen, was fatale Auswirkungen auf die globale Klimastabilität hätte.
Besonders betroffen sind von diesen Entwicklungen wiederum die armen und marginalisierten Bevölkerungsgruppen wie indigene Völker, traditionelle Lebensgemeinschaften und kleinbäuerliche Gemeinschaften. Aufgrund wirtschaftlicher (oft auch internationaler) Interessen (Bergbau, Agroindustrie, Drogenkartelle) und großer Infrastrukturprojekte werden sie oftmals bedroht, ihre Gemeinschaften gespalten sowie nicht selten vertrieben und ihr Lebensraum zerstört. Ziel der mächtigen wirtschaftlichen, oftmals auch kriminellen und immer wieder auch staatlichen Akteure ist es, an das Land der Gemeinschaften zu kommen. Auf diesem werden dann nicht selten Soja für europäische Rinder an- und Bergbauprodukte für unsere Industrie abgebaut, Regenwald zerstört und Böden degradiert.1 Gleichzeitig sind es die armen und marginalisierten Gruppen, welche hinsichtlich der sich verändernden Klimabedingungen am verletzlichsten sind. Sie leben oftmals in besonders gefährdeten Gebieten und es fehlt ihnen an Kapital und Wissen, sich an die Klimaveränderungen anpassen zu können. So haben zum Beispiel die schweren Überschwemmungen in Brasilien Anfang 2022 und die Wirbelstürme in Honduras 2019 sowie 2022 besonders die urbanen Armenviertel und arme ländliche Gemeinschaften getroffen, wo auch nahezu alle Todesopfer der Katastrophen zu beklagen waren.
Indigene leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz
Das ist auch deswegen so dramatisch, weil es gerade diese marginalisierten Bevölkerungsgruppen sind, die am wenigsten zum Klimawandel, zur Umweltverschmutzung und -zerstörung beitragen, aber am meisten von den Auswirkungen der Phänomene betroffen sind und damit den höchsten Anteil der so entstehenden Kosten zu tragen haben. Diese Zusammenhänge werden mit den Konzepten der Klimagerechtigkeit und des Umweltrassismus2 erfasst. Gleichzeitig gibt es spätestens seit der 26. Klimakonferenz der Vereinten Nationen, die in Glasgow stattfand, in der internationalen Gemeinschaft einen Konsens darüber, dass es gerade indigene Völker und traditionelle Lebensgemeinschaften sind, die durch ihre Lebensweise im Einklang mit den Ökosystemen einen entscheidenden Beitrag zum Schutz der globalen Biodiversität und Ökosysteme leisten und damit zum Erhalt von Kohlenstoffsenken.3
Globalprogramm: Teilhabe ermöglichen, Rechte einfordern
In diesem Kontext ist das Globalprogramm "Umsetzung von Land- und Umweltrechten, Stärkung der politischen Partizipation ruraler Gemeinschaften und Anpassung an den Klimawandel in Kolumbien, Honduras und Brasilien" entstanden, das seit Dezember 2021 bis Ende 2024 in den genannten Ländern durchgeführt wird. Das Programm wird aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert und von Caritas international gemeinsam mit vier Partnerorganisationen aus dem internationalen Caritasnetzwerk durchgeführt. Es handelt sich hierbei um zwei Regionalstellen (Norden 2 und Nordosten 3) der brasilianischen Caritas, Caritas Kolumbien/SNPS und Caritas Honduras/San Pedro Sula. In Kolumbien wird in der Amazonasregion, in Brasilien im Nordosten und der Amazonasregion und in Honduras im Department Cortés gearbeitet. Insgesamt werden mit dem Programm 74 rurale (ländliche) Gemeinschaften erreicht, wobei in Kolumbien vor allem indigene und kleinbäuerliche, in Honduras afro-honduranische Garífuna sowie kleinbäuerliche und in Brasilien Quilombola-Gemeinschaften, Nachfahren ehemaliger afrikanischer Sklavenarbeiter:innen, begleitet werden.
In allen drei Ländern gibt es seit langer Zeit Initiativen, die sich für die ruralen Gemeinschaften und den Klimaschutz einsetzen. Caritas international unterstützt diese Ansätze, um gemeinsam mit ihren Partnern die gesellschaftliche Teilhabe von ruralen Gemeinschaften zu verbessern, ihre Land- und Umweltrechte sowie Anpassungsfähigkeiten an den Klimawandel zu stärken. Damit dies gelingt, müssen die Gemeinschaften über entsprechendes Wissen und Fähigkeiten verfügen. Dabei ist es entscheidend, dass sie hinsichtlich ihres sozialen Gefüges stark sind und sich mit ihrer Herkunft identifizieren. Nur so kann einer Spaltung der Gemeinschaften oder drohender Abwanderung entgegengewirkt werden. Dabei setzten sich die Gemeinschaften etwa über Gesprächsrunden und rituelle Feste mit der eigenen Geschichte und Identität auseinander. Die Förderung von an den Klimawandel angepassten Anbaumethoden und Vermarktungssystemen sowie solidarischer Einkommensmöglichkeiten stärkt die Zukunftsperspektiven und schützt die Umwelt. Gleichzeitig werden Führungskräfte der Gemeinschaften zu ihren Rechten und den politischen und juristischen Möglichkeiten, diese einzufordern, weitergebildet und bis hin auf internationale Ebene begleitet. Eine besondere Rolle kommt der Kommunikation und der Arbeit in Netzwerken zu, um den Stimmen der Gemeinschaften mehr Gewicht zu verleihen.
Die Ziele des Programms sind ambitioniert: Die Gemeinschaften sollen sich und ihren Lebensraum besser schützen und ihre Rechte zunehmend durchsetzen können, die ländlichen Gemeinschaften werden aktiver am politischen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können und sie werden Mechanismen zur Anpassung an den Klimawandel entwickeln. Nicht zuletzt wird durch den länderübergreifenden Prozess ein Netzwerk entstehen, über das sich die Gruppen beraten, gegenseitig unterstützen und gemeinsam ihre Rechte einfordern können. Dabei soll das Programm nicht nur in den konkreten Projektländern wirken, sondern über die internationale Arbeit auch eine Strahlkraft über die Landesgrenzen hinaus entwickeln.
Es soll erreicht werden, dass die ruralen Gemeinschaften auf ihren Territorien langfristig und an den Klimawandel angepasst leben und so die sie umgebenden Ökosysteme vor Abholzung und Degradation schützen können. Neben der Anpassung an den Klimawandel wird so auch ein Beitrag zur Mitigation des Klimawandels, also zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, geleistet, die besonders in der Amazonasregion durch die Zerstörung des Regenwalds entstehen.
Anmerkungen
1. Zum Begriff Bodendegradation: Kurzlink: https://bit.ly/3IHICgw
2. Kurzlink: https://bit.ly/3iz3zQ2
3. Als Kohlenstoffsenke wird in den Geowissenschaften ein natürliches Reservoir bezeichnet, das - in geologischen Zeitmaßstäben betrachtet - vorübergehend mehr Kohlenstoff
aufnimmt und speichert, als es abgibt.
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