Ganztagsbetreuung: Jetzt die Zukunft gut planen
Bei der Planung und Konzeption des Projekts "Zukunft Ganztagesbetreuung!" stand zu Beginn die Frage, wie die bundesweite Landschaft an guten Ganztagsangeboten aussieht und was sich an qualitativen, strukturellen Rahmenbedingungen ändern muss, um den Rechtsanspruch zum Wohle der Kinder im Grundschulalter gut erfüllen zu können.
Das Projekt wurde vom Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe (BVkE) initiiert, um die Mitgliedseinrichtungen bestmöglich auf dem Weg zum im Jahr 2026 stufenweise greifenden Rechtsanspruch zu begleiten. Da die Kinder- und Jugendhilfe durch die Verankerung über das SGB VIII Leistungserbringer für die Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes ist, gilt es, jetzt schon zu systematisieren, wie guter Ganztag gelingen kann. Das Projekt "Zukunft Ganztagesbetreuung!" hat zum Ziel, neben einem Rahmenkonzept mit festgelegten Qualitätsstandards auch ein Weiterbildungskonzept als Basisqualifikation zu konzipieren. Hierbei werden Best-Practice-Beispiele an 19 bundesweiten Modellstandorten in den Blick genommen. Diese sind maßgeblich daran beteiligt, das Rahmen- und Weiterbildungskonzept auszugestalten.
Einer der ersten Bausteine im Projekt war es, über eine bundesweite Bestandsanalyse aufzuzeigen, wie die strukturellen Rahmenbedingungen und die Qualität von Ganztagsangeboten aussehen. Die wissenschaftliche Begleitung hatte das Institut für Kinder- und Jugendhilfe (IKJ). Die durchweg heterogene Landschaft der Ganztagsangebote in Deutschland ist schwierig zu erfassen, wobei die Datenbasis zu den Personen, die im Ganztag beschäftigt sind, als besonders unzureichend bewertet wird.1
Forschungsdesign und Bestandsanalyse
Um alle Zielgruppen im Blick zu haben, richtete sich die Befragung nicht nur an die im Ganztag tätigen Personen, sondern auch an die Eltern und Kinder, die Ganztagsangebote besuchen. Die Befragung wurde hauptsächlich über die Verteiler des BVkE gestreut. Insgesamt nahmen 662 Fach- und Führungskräfte, 1176 Eltern und 903 Kinder an der Befragung mit vorwiegend quantitativem Design teil. Bei allen drei Zielgruppen kamen die meisten Personen aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, was sich mit Verteilung der Mitgliedseinrichtungen des BVkE über die Bundesländer hinweg erklären lässt.2 Die am häufigsten vertretene Angebotsform der Ganztagsangebote war mit zwei Dritteln die Offene Ganztagsschule.3
Räumliche und personelle Rahmenbedingungen im Ganztag
Das im Ganztag beschäftigte Personal bewertet auf einer Skala von null bis drei den Grad der Herausforderung bezogen auf die konzeptionelle Umsetzung sowohl in Bezug auf die räumlichen Ressourcen (n = 398) als auch den unzureichenden Personalschlüssel (n = 394) mit 2,1. Dicht gefolgt mit einer Bewertung von 1,9 werden die zeitlichen Ressourcen (n = 390) aufgeführt.
Wird die Raumsituation etwas ausdifferenziert, sind 37,4 Prozent der Beschäftigen im Ganztag weniger und 16,3 Prozent gar nicht mit der räumlichen Ausstattung zufrieden. Demgegenüber geben 38,4 Prozent an, zufrieden und 7,9 Prozent sehr zufrieden zu sein.4 58 Prozent der Eltern und 69 Prozent der Kinder stimmen der Aussage zu, dass die Räumlichkeiten im Ganztag attraktiv seien. In den freien Nennungen gibt ein Großteil der Kinder die Belastung durch die Lautstärke im Alltag in einem Ganztagsangebot an.5 Auch von den Fach- und Führungskräften wird die Ausstattung mit Ruheräumen auf einer Skala von null bis 100 Prozent mit 30,2 Prozent (n = 374) bewertet. Das Außengelände, Räume für Lernzeiten und Hausaufgaben sowie die Mensa werden mit 65,6 Prozent, 65 und 54,4 Prozent im Schnitt deutlich besser bewertet.⁶ Daraus folgend lässt sich die räumliche Situation in den befragten Ganztagsstandorten als sehr unterschiedlich beschreiben. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der räumlichen Ausstattung und den Möglichkeiten des Freizeitangebots. Daher ist es unabdingbar, dass für eine frühzeitige bauliche Gestaltung Bundes- und Ländermittel bereitgestellt werden müssen.
Werden die personellen Ressourcen in den Blick genommen, sticht besonders die Altersstruktur der an der Befragung beteiligten Personen heraus. 40 Prozent der befragten im Ganztag tätigen Personen sind im letzten, 15 Prozent im ersten Berufsjahrzehnt, knapp ein Viertel sind keine Fachkräfte.7 Damit dieser Herausforderung begegnet werden kann, sind lang- und mittelfristige Strategien notwendig, wie zum Beispiel die Ausweitung der Ausbildungsformen, Qualifizierungsmaßnahmen für sogenannte Ergänzungskräfte, die berufliche Anerkennung von Fachkräften aus dem Ausland und die multiprofessionelle Zusammenarbeit mit Fachkräften aus benachbarten Disziplinen. Der Fachkräftemangel ist bekanntlich das Mega-Thema dieser Zeit und wird durch die Einführung des Rechtsanspruchs zusätzlich verschärft.
Orientierung an Best Practice hilft enorm
Wichtige Qualitätsstandards lassen sich von den Erkenntnissen aus dem Projekt, den Ergebnissen der Bestandsanalyse und dem Konsens des breiten Felds an Expert:innen aus den Bereichen der Ganztagsförderung ableiten. Einige Qualitätsstandards, die partizipativ mit den Modellstandorten entwickelt wurden, sind: die pädagogische, kindzentrierte Haltung, die verbindliche Zusammenarbeit von Schule mit der Kinder- und Jugendhilfe auf Augenhöhe, eine vielfältige Angebotsstruktur, bei der außerschulische Akteure im Sozialraum einbezogen werden, ein Raumkonzept gemäß einer Betriebserlaubnis wie in § 45 SGB VIII geregelt, eine inklusive Ausgestaltung, Konzepte zum Kinderschutz, Standards zur personellen Ausstattung und deren Qualifikation und Weiterbildung.
Schaut man sich die Ergebnisse der Befragung an, zeigen diese einerseits die Stolpersteine auf, andererseits bringen sie auch zum Ausdruck, was aktuell "schon gut im Ganztag läuft". Sowohl die Kinder als auch Eltern und Fach- und Führungskräfte im Ganztag haben eine hohe Zufriedenheit. Die pädagogische Arbeit der im Ganztag tätigen Personen wird wertgeschätzt und als wichtig erachtet.8 Viele der Einrichtungen in der bundesweiten Ganztagslandschaft leisten hochwertige, qualifizierte pädagogische Arbeit.
Da lohnt es sich, näher hinzuschauen und die Einrichtungen und Konzepte, bei denen der "Ganztag gut läuft" näher unter die Lupe zu nehmen und als Best-Practice-Beispiele heranzuziehen, um sie später in die breite Fläche überführen zu können. Diesen Ansatz verfolgt das Projekt "Zukunft Ganztagesbetreuung!" bereits. Die Modellstandorte haben untereinander ihre Best-Practice-Beispiele identifiziert und gegenseitig vorgestellt. Im Anschluss wurden deren Konzepte in der Praxis umgesetzt. Durch eine ständige kollegiale Beratung war es an den meisten Standorten möglich, diese zur Zufriedenheit der Beteiligten zu implementieren und die pädagogische Qualität weiterzuentwickeln. Vielen Konzepten lag eine partizipative Ausrichtung zugrunde, wie die Einführung eines Kinderparlaments, die Öffnung geschlossener Angebotsformen in der Nachmittagsbetreuung, die selbstständige Vorbereitung und Durchführung von Projekten und Ausflügen. Im Ganztag teilnehmende Kinder wurden an der Akquise von künftigen Kooperationspartnern beteiligt. Wichtig ist beim Ausbau der Ganztagsangebote immer, die Kinder nicht nur im Blick zu haben, sondern sie mit ins Boot zu holen, denn sie sind schlussendlich die Akteure, die in einem Ganztagsangebot die meiste Zeit ihres Alltags verbringen werden.
Familiengrundschulzentren entlasten
Sicher muss bis zur Umsetzung des Rechtsanspruchs nach dem oben aufgezeigten qualitativen Maßstab noch ein langer Weg beschritten werden. Trotzdem lohnt es sich zu schauen, welche bestehenden Ganztagsangebote schon gute Arbeit leisten. Anzuführen ist hier auch das Konzept der Familiengrundschulzentren. Sie vereinen nicht nur Schule und Ganztag, sondern sind auch im Sozialraum eingebettet. Sie bieten niederschwellige Angebote für die ganze Familie wie Sprachkurse, Eltern-Kind-Cafés, Familien-, Erziehungs- oder auch Schuldnerberatung. Bestehende Kooperationen mit den umliegenden Kitas, dem Regionalteam des Jugendamts, den weiterführenden Schulen binden den weiteren Sozialraum optimal ein und gestalten Übergänge kindgerecht. Familiengrundschulzentren zeichnen sich durch verbindliche Kooperationen mit Vereinen und Jugendzentren aus und machen Mut, den Ganztag kind- und familienzentrierter zu denken und zu leben. Durch funktionierende Kooperationen im Sozialraum, die gegebenenfalls von anderen Fachkräften aus benachbarten Disziplinen bespielt werden, kann auch dem Mangel an Fachkräften im Ganztag zumindest ein Stück weit entgegengewirkt werden. Auch die räumliche Situation entzerrt sich, wenn Kooperationspartner Angebote in ihren eigenen Räumen anbieten.
Anmerkungen
1. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.): Fachtagung "Entwicklung und Aufwertung von Berufen in der offenen Ganztagsbetreuung"
6. Dezember 2022, abrufbar unter: https://bit.ly/3lzYdW7
2. Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e.V. (BVkE); Institut für Kinder- und Jugendhilfe gGmbH (IKJ) (Hrsg.): Bundesweite Bestandsanalyse zu den strukturellen Rahmenbedingungen und der Qualität von Ganztagesbetreuung unter Einbezug von Kindern und Eltern im Rahmen des Projekts Zukunft Ganztagesbetreuung! November 2022, S. 6 ff. abrufbar unter: https://bit.ly/40jEusE (rechts oben auf der Seite)
3. Ebd., S. 14.
4. Ebd., S. 18.
5. Ebd., S. 27.6. Ebd., S. 19.
7. Ebd., S. 10.
8. Ebd.
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