Auf die Rückkehr ins normale Leben vorbereiten
Wer hätte gedacht, dass auf dem Gelände einer ehemaligen Raketenbasis, auf dem auch Atomsprengköpfe lagerten, ein Ort entsteht, wo Menschen in schwierigen Lebenslagen geholfen wird. Im Nazareth-Rehabilitationszentrum in der Westukraine, das seit 2004 unter der Schirmherrschaft der Caritas der Diözese Sambir-Drohobytsch arbeitet, wird versucht, Suchtkranken einen Ausweg zu zeigen.
Sicheres Umfeld für Binnenvertriebene
Seit Beginn des Krieges haben sich die Aktivitäten des Zentrums ausgeweitet. Es nimmt Menschen auf, deren Häuser zerstört wurden und die Zuflucht suchen. Die Vertriebenen leben nicht nur im Zentrum, sie werden auch spirituell und psychologisch begleitet. Angeleitet von Fachleuten sollen sie lernen, sich zu integrieren und an eine neue Umgebung anzupassen, an das Nazareth-Zentrum oder an einen neuen Ort, wenn das Zuhause zerstört ist.
"Unser Ziel ist es, den Menschen zu helfen, sich in eine neue Gesellschaft und eine neue Realität zu integrieren. Wir haben eine Gemeinschaft von Vertriebenen gebildet und ein ganzes Team von Fachleuten arbeitet mit ihnen", sagt Maryna Poturai, Psychologin und Projektkoordinatorin im Nazareth-Zentrum.
Seit 2015 nimmt Nazareth ehemalige Militärangehörige auf, um sie zu rehabilitieren. "Wir wussten, dass wir uns diesen Herausforderungen stellen müssen, auch wenn wir anfangs keine Ahnung hatten, wie. Deshalb haben wir an Fortbildungen teilgenommen, die Fähigkeiten unseres Teams verbessert und Erfahrungen mit Kolleg:innen aus der gesamten Ukraine und Polen ausgetauscht. Im Laufe der Zeit haben wir ein spezielles Programm für ehemalige Militärangehörige entwickelt, das auch die Diagnose von posttraumatischen Belastungsstörungen und verschiedenen anderen Erkrankungen umfasst", erinnert sich Maryna Poturai.
Die Aktivitäten des Zentrums waren 2017 bereits so weit fortgeschritten, dass es sich bei den lokalen Behörden einen Namen für die Rehabilitierung ehemaliger Militärangehöriger gemacht hatte. 2018 begann der Staat, die Aktivitäten als eine Art der sozialen Dienstleistung zu finanzieren. Mit dem Ausbruch des Krieges wurde dies jedoch eingestellt. Das Zentrum finanziert sich nun selbst, unterstützt von Sponsor:innen und Spender:innen.
Unter den Hilfesuchenden, die in der Regel auch eine Suchtproblematik haben, sind Menschen in schwierigen Lebenslagen, Frauen mit kleinen Kindern, Militärangehörige und Menschen mit Behinderung. Sie kommen aus der ganzen Ukraine: Saporischschja, Kiew, Charkiw, Kamianske. "Alkohol und Drogen sind der einfachste Weg, um Stress abzubauen. Wenn man Drogen nimmt, spürt man die Anspannung nicht, die Probleme scheinen gelöst und die Welt ist anders. Auf diese Weise kann ein Mensch seinen Kummer, sein unerfülltes Potenzial und vieles mehr betäuben." Das Erste, wofür man in der Ukraine kämpfen müsse, sei ein "nüchternes" Land, so die Projektkoordinatorin Maryna Poturai.
Kriegsdienst statt Therapie
Nach dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 waren die in der Rehabilitation befindlichen Soldaten gezwungen, ihre Therapie abzubrechen und in den Krieg zu ziehen. Nur diejenigen, die körperlich nicht dazu in der Lage waren, blieben. Mehrere Mitarbeitende des Zentrums sind jetzt bei den ukrainischen Streitkräften, und die Psycholog:innen des Zentrums halten Kontakt zu ihnen.
Die meisten Menschen haben das Zentrum über das Internet kennengelernt (https://nazaret.net.ua). Es wird auch häufig von denjenigen empfohlen, die bereits eine Rehabilitation abgeschlossen haben, oder von Caritas-Zweigstellen, die ihre Hilfesuchenden an das Zentrum verweisen. Zugenommen hat die Zahl der Online-Beratungen. Zudem wurden psychologische Online-Selbsthilfegruppen eingerichtet, in denen Fragen des Verlusts und des Grolls aufgearbeitet und Familienbeziehungen besprochen werden.
Grauzone zwischen Kriegsschauplätzen und dem Zuhause
Nach ihrer Rückkehr von der Front fällt es den Soldaten oft schwer, sich zu öffnen und ihren Familien zu erzählen, was sie durchgemacht haben. Sie haben nicht die Kraft, ihren Alltag zu bewältigen. Maryna Poturai erklärt, dass Familien zerstört werden, weil Ehefrauen oder Mütter nicht wissen, wie sie mit ihren Männern oder Söhnen umgehen, wie sie mit ihnen kommunizieren sollen. Für die Psychologin ist dies auch eine Folge der mangelnden Vorbereitung der Gesellschaft, in die die ukrainischen Kämpfer zurückkehren. Nazareth ist sozusagen eine Grauzone zwischen den Kriegsschauplätzen und dem Zuhause.
Die vier Phasen der Rehabilitation
Das Rehabilitationsprogramm umfasst vier Phasen. Die erste ist die Adaption. "Das ist die Zeit, in der die Person selbst entscheidet, ob sie im Zentrum bleiben will oder nicht. In der zweiten Phase folgt die Diagnose. Dann wird festgestellt, in welchen Bereichen mit der Person gearbeitet werden muss. In der dritten Phase beginnt die Arbeit an sich selbst. Unser Ziel ist es, den Menschen die Motivation zum Leben zu geben, denn sie kommen entmutigt zu uns, und es braucht viele Ressourcen, um ihnen den Glauben an sich selbst zu geben. Die vierte Phase besteht in der Rückkehr ins normale Leben", sagt Nazar Reuter, Programmleiter von Nazareth.
Erfolg wird definiert als eine Situation, in der eine Person sich öffnen und über ihr Trauma, über ihre negativen Erfahrungen sprechen kann, sie nicht verleugnet, sondern akzeptiert, was ihr widerfahren ist, und weitermacht. "Egal, was ich verloren habe, egal, wie ich mich fühle, ich mache weiter. Diese Schritte mögen klein sein, aber es ist sehr wichtig, der Person zu folgen. Im Zentrum zwingen wir niemanden, wir drängen niemanden, aber wir versuchen, zuzuhören und herauszufinden, wozu die Person jetzt bereit ist und was für sie wichtig ist", fasst Maryna Poturai zusammen.
Das Nazareth-Team ist sich bewusst, dass das Militär psychologische Unterstützung braucht und dass
es noch viel zu tun geben wird. "Ich sehe Nazareth als einen Ort der Ruhe und Sicherheit, der psychologischen Unterstützung und vor allem als einen Ort ohne Alkohol und andere Suchtmittel", sagt Maryna Poturai. Nach dem Krieg ist ein Hippotherapie-Projekt geplant, da die Arbeit mit Pferden gute Ergebnisse bringt. Ein wunderschönes Gebiet als Ressource und der Wunsch des Teams, sich weiterzuentwickeln, ist auf alle Fälle da.
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