Ob Flucht oder Klima – Caritas stellt den Menschen in den Mittelpunkt
Ein Kreis schließt sich für Caritas-Präsident Peter Neher: In Freiburg hatte er im Jahr 2000 erstmals an der Zentralratssitzung des Deutschen Caritasverbandes als Augsburger Diözesan-Direktor teilgenommen. Nun leitete er wiederum in Freiburg seine letzte Delegiertenversammlung des Verbandes. Spannungsreichster Tagesordnungspunkt war die Wahl seiner Nachfolgerin, und mit Eva M. Welskop-Deffaa steht ab Mitte November erstmals seit der Verbandsgründung 1897 eine Frau an der Spitze der Verbandszentrale (S. a. S. 7 in diesem Heft).
EU-Flüchtlingspolitik am Pranger
Oberbürgermeister Martin Horn begrüßte die Delegierten im Freiburger Konzerthaus, "der guten Stube der Stadt", und betonte die enge Verbundenheit der sozial und ökologisch ausgerichteten Kommune mit den vier Caritasverbänden am Gründungssitz. Er lobte den strategischen Weitblick Nehers bei den Themen Klima, Flucht und benachteiligte Kinder.
Flucht, Grenzregime und die Aufnahmepolitik in der Europäischen Union sollten dann auch gleich einen breiten Raum in der Versammlung bekommen. Beate Gminder, Leiterin der Taskforce für Migrationsmanagement bei der EU-Kommission in Brüssel, schilderte in einer Videozuschaltung ihre Erfahrungen an den Außengrenzen, speziell in den Lagern in Griechenland, und stellte vor, welche Pläne es in Brüssel zum Migrationspakt gebe: Ein Screening an der Außengrenze solle innerhalb von fünf Tagen den Status und Verfahrenswege für die Geflüchteten klären. Bei "aussichtslosen Fällen" solle es dann innerhalb von zwölf Tagen eine Rückführung geben. Auch Begriffe wie Umverteilung, Rückkehrpatenschaften und Drittstaatenlösung fielen.
Der eigens angereiste Präsident von Caritas Europa und Caritas Österreich, Michael Landau, forderte dringlichst zu einer menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik auf, kritisierte die Verlagerung der Verantwortung auf Drittstaaten und prangerte die Push[1]back-Aktionen an den Grenzen einzelner EU-Mitgliedstaaten an. In einer Podiumsrunde forderten die Caritas-Vertreter(innen) die EU und die Bundesrepublik auf, Aufnahme- und Ankerzentren für zivile Organisationen zu öffnen, statt "gefängnishafte Konditionen aufrechtzuerhalten". Mit einigen Ergänzungen und hoher Zustimmung verabschiedeten die Delegierten ein Positionspapier zum Thema EU-Flüchtlingspolitik, das die neue caritas zeitnah veröffentlichen wird.
Sozial gerechter Klimaschutz mit und bei der Caritas
Klimaschutz war im vergangenen Jahr großes Anliegen der Delegiertenversammlung gewesen und das Gremium hatte beschlossen, dass die Caritas sich bis 2030 zu einer klimaneutralen Organisation entwickeln will. Ein engagiertes Team unter der Leitung von Astrid Schaffert hat inzwischen seitens der Verbandszentrale zusammen mit der Caritas[1]Sozialwirtschaft auf zahlreichen Ebenen Prozesse angestoßen, um die Dienste und Einrichtungen auf dem Weg des notwendigen Energiemanagements zu begleiten.
Nicht aus den Augen verloren wurde dabei jedoch auch das sozialpolitische Anliegen, die Lasten für den Klimaschutz sowohl in Deutschland wie auch weltweit gerecht zu verteilen. "Caritas kann Teil der Lösung sein. Keinen Klimaschutz zu machen ist langfristig teurer, als in den Klimaschutz zu investieren", verdeutlichte Neher nochmals das Szenario. Inzwischen haben sich viele Dienste und Einrichtungen auf den Weg gemacht. Sie bemängeln jedoch, dass es noch nicht aus[1]reichende Refinanzierungsmöglichkeiten gebe.
Auch die einzelnen Kommissionen der Delegiertenversammlung haben ihre Arbeit unter die Frage nach der Zukunftsfähigkeit gestellt und widmen sich auch den Herausforderungen durch die Digitalisierung. Auf eindrückliche Art präsentierte die Kommission Sozialpolitik und Gesellschaft, wie sich die Lage für Jugendliche unter Pandemiekonditionen verschärft hat. Im Interview schilderte eine Freiwillige der youngcaritas Lahr, wie sie unter Pandemiebedingungen Abitur gemacht hat und zusehen musste, wie Schulkamerad(inn)en dabei auf der Strecke blieben.
Digitale Transformation soll konkretisiert werden
Einen umfassenden Tagesordnungspunkt bildete folgerichtig die laufende Transformation zu einer digitalen Gesellschaft und mit welcher Strategie die Caritas dabei agieren kann und will. Die Delegierten hatten 2020 den Vorstand des DCV beauftragt, eine zur föderalen Struktur der verbandlichen Caritas passende Digitalstrategie vorzulegen - keine leichte Aufgabe angesichts der verbandsweit regen Aktivitäten im Themenfeld. So wurden in der Verbandszentrale neue Prozesse angestoßen oder fortgeführt wie beispielsweise die Weiterentwicklung des gemeinsamen CariNets, das just zur Delegiertenversammlung mit einer neuen Nutzeroberfläche aufwarten konnte. Aber auch die Online-Beratungsplattform in der Kooperationsgemeinschaft "Blended Counseling", die gemeinwohlorientierte Nutzung von Daten und Künstlicher Intelligenz, der Verbund von Plattformen, digitale Kommunikationsformen, kompatible Softwaresysteme, gemeinsame Schnittstellen, die Anforderungen des Onlinezugangsgesetzes sowie die Caritas IT GmbH, die dabei ist, eine Dienstleistungs-GmbH zu gründen, müssen dabei in den Blick genommen werden. Deutlich betonte daher Johannes Landstorfer namens der neu eingerichteten Vorstandskommission "Digitale Transformation", dass eine Strategie nur prozesshaft sein kann.
Sechs Ansatzpunkte wurden formuliert, für welche die Kommission konkrete Handlungsschritte erarbeiten will: Aufbau digitaler Kompetenzen; Erkundungen mittels Pilotprojekten; Absprachen zur Arbeitsteilung; Finanzmittelbeschaffung; Datenmanagement und Plattformfähigkeit; not[1]wendige verbandliche Infrastruktur. In der anschließenden Diskussion wurde die große Ungleichzeitigkeit bei der digitalen Agenda offensichtlich. So wurde einerseits kritisiert, das vorgelegte Papier sei keine Strategie, sondern ein Zwischenbericht. Anderen fehlten hingegen Konkretisierungen und Umsetzungsideen. Wieder andere könnten sofort damit starten, wenn sie entsprechende Finanzmittel hätten. Schließlich wurde das Strategiepapier verabschiedet, jedoch unter der Maßgabe für den Vorstand, nach Abstimmung mit zahlreichen verbandlichen Akteuren und Gremien dem Caritasrat im Juli 2022 konkrete Handlungsschritte vorzulegen. Das Strategiepapier wird die neue caritas ebenfalls in einer der nächsten Ausgaben veröffentlichen.
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