Neue Herausforderungen, neue Wege
Krisen, Konflikte, Klimawandel: Neben der humanitären Hilfe nach Naturkatastrophen und sozialen Projekten nehmen diese Problemfelder in der Arbeit von Caritas international (Ci), dem Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes (DCV), immer größeren Raum ein und stellen die Hilfsorganisation vor neuartige Herausforderungen. Sie hat nun ihre Strategie bis zum Jahr 2025 den gewachsenen Aufgaben angepasst.
Dass unsere Welt von Jahr zu Jahr unfriedlicher wird, ist nicht ein bloßes Gefühl, sondern deutlich an Zahlen abzulesen. Laut einer aktuellen Statistik des Heidelberger Instituts für Konfliktforschung stieg im Jahr 2020 die Zahl der Kriege1 gegenüber dem Vorjahr von 15 auf 21 an. Von insgesamt 359 Konflikten, die das Institut in seinem sogenannten "Konfliktbarometer" verzeichnet, wurden 220 gewaltsam ausgetragen. 2019 waren es noch 196. Diese globale Steigerung von Gewalt hat nachweislich eine Zunahme der Zahlen Geflüchteter und Vertriebener zur Folge. Über 80 Millionen Menschen, so viel wie noch nie zuvor, sind derzeit auf der Flucht. Allein in den letzten zehn Jahren, kommentiert dazu UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi, habe sich die Zahl von Menschen auf der Flucht verdoppelt.
Schutzstrategien für Geflüchtete
Für die Caritas bedeutet dies ein noch stärkeres Engagement für Geflüchtete, national in ihren verschiedenen Diensten und ebenso international. Wird doch gerade in diesem Bereich - wie etwa auch beim Klimaschutz oder dem Komplex soziale Gerechtigkeit - besonders deutlich, wie vielfältig internationale und nationale Themen zueinander in Beziehung stehen. Um sie wirksam bearbeiten zu können, bedarf es weiter einer engen Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Primäres Ziel aller Anstrengungen im weltweiten Caritasnetzwerk muss es dabei sein, Flüchtlinge zu schützen und zugleich die Ursachen für Flucht und Vertreibung anzugehen. Die Bekämpfung von Fluchtursachen gehört ins Zentrum einer präventiven Menschenrechtspolitik, sie darf allerdings nicht als Ersatz für eine verantwortungsvolle Flüchtlings- und Migrationspolitik missverstanden werden.
Ci unterstützt seit langem in den Herkunftsländern Geflüchteter wie auch in den Nachbarländern von Konfliktgebieten die Flüchtlinge nicht nur mit dem (Über-) Lebensnotwendigsten - mit Lebensmitteln (oft auch in Form von Gutscheinen), Kleidung, Matratzen, Hygiene- und Haushaltsartikeln, der Ermöglichung von Wohnraum (unter anderem auch durch Zuschüsse zu Mieten) -, sondern Ci bietet außerdem auch langfristige Perspektiven, unter anderem durch Bildungsmaßnahmen für Kinder.
In den kommenden Jahren will Ci ihr humanitäres Engagement für Geflüchtete und Binnenvertriebene noch weiter stärken. Sie setzt dabei einen Schwerpunkt auf das Themenfeld "Protection" (humanitärer Schutz). Ausgewählte Partnerorganisationen sollen intensiv dabei unterstützt werden, Protection-Strategien zu erarbeiten und/oder weiterzuführen. Dies geht einher mit einer Förderung des regionalen, nationalen und internationalen Austauschs zwischen Projektpartnern. Unterstützt werden sollen vermehrt Projekte, die innovative Methoden verfolgen, um positive Bewältigungsmechanismen der jeweiligen Zielgruppen zu stärken.
Prävention gegen Folgen des Klimawandels
Über all dem darf nicht vergessen werden, dass als weitere Ursache von Vertreibungen auch die Klimakrise eine immer größere Rolle spielt. Millionen von Menschen sind alljährlich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, weil sie ihnen aufgrund von Extremwetterereignissen und Umweltveränderungen nur noch mangelhafte Existenzbedingungen bietet. Durch den Klimawandel bedingt hat sich die Zahl der Naturkatastrophen in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Viele Projektpartner von Caritas international und ihre vulnerablen Zielgruppen erleben und erleiden seit Jahren immer stärker die katastrophalen Folgen von immer heftiger und häufiger werdenden Extremwetterereignissen wie etwa Stürmen, Überschwemmungen oder Dürren sowie die Folgen von Umweltzerstörung und Ressourcenraubbau.
Darüber hinaus ist die Klimakrise eng mit sozialen Fragestellungen verbunden. Meist sind es gerade die Ärmsten, die zu den ersten Opfern von Wetterextremen und Umweltkatastrophen werden, da sie kaum Möglichkeiten haben, sich wirksam dagegen zu schützen. Hier liegt auch die Bedeutung stabiler Gemeinwesen zur Stärkung der Resilienz von Menschen, die in Risikosituationen leben. Insofern macht die Klimakrise für die Caritas, neben verstärkten Anstrengungen in der eigentlichen Nothilfe, auch einen noch engagierteren Einsatz in der Prävention erforderlich: Durch sie sollen Menschen erst gar nicht zu Opfern extremer oder zu schleichender Verschlechterung führender Naturereignisse werden. Ci wird daher in den nächsten Jahren ihre Programme und Projekte zu Katastrophenschutz und -prävention ausbauen, Ansätze zur Vorbeugung sowie zur Anpassung an Klimawandelfolgen weiterentwickeln und die Anwendung innovativer Instrumente und Methoden vorantreiben. Im Klimaschutz-Engagement des DCV wird dessen Hilfswerk Ci weiterhin einen aktiven Beitrag zu den klimabezogenen Handlungsfeldern des Verbandes leisten: Klimaneutralität bis 2030, politische Einflussnahme und internationale Verantwortung).
Förderung sozialer Gerechtigkeit
In ihrer weltweiten humanitären Hilfe spürt Ci - neben Konflikten und den Folgen des Klimawandels - seit gut einem Jahr aber auch noch den Einfluss einer Krise, die die ganze Welt erfasst hat, sich aber in den ärmeren Ländern besonders katastrophal auswirkt: der Corona-Pandemie. Während man sich hierzulande auf ein funktionierendes Sozialsystem und eine gute medizinische Versorgung verlassen kann, trifft Covid-19 die Menschen in vielen Ländern besonders hart, in denen es keinerlei soziale Absicherung oder funktionierende Gesundheitssysteme gibt. Covid-19 hat strukturelle Mängel im Gesundheitswesen schonungslos offenbart, so zum Beispiel im besonders betroffenen Peru, wo Erträge des Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre nicht in den Sozial- und Gesundheitssektor investiert worden waren. Noch stärker betroffen sind Konfliktregionen: Menschen im Krieg, auf der Flucht und in bitterer Armut könnten diese Krise ohne Unterstützung von außen nicht überleben. Dass in dieser Situation die Zahl der Hungernden weltweit wieder zunimmt, bedeutet auch eine besondere Herausforderung für die humanitäre Hilfe von Ci. Die Corona-Krise gefährdet Entwicklungsfortschritte der letzten Jahre in den Bereichen Überlebenssicherung, Ernährung und Gesundheit. Dies kann Frieden bedrohen und zu mehr "vergessenen Krisen" führen - zu solchen, die nicht in den Medien präsent sind.
"Corona offenbarte schonungslos die Strukturmängel"
Das Schaffen sozialer Gerechtigkeit ist und bleibt für Ci ein zentrales Thema. In ihrer Arbeit ergänzt sich die Verbesserung sozialer Bedingungen durch Unterstützung besonders bedürftiger Menschen und Gemeinschaften (auf der Mikro-Ebene), die Förderung von Selbsthilfe, Solidarität und Netzwerken (auf der Meso-Ebene) und die politische Einflussnahme zur Schaffung oder Verbesserung rechtlicher sowie staatlicher Strukturen (auf der Makro-Ebene). Gestiegene Projektanforderungen machen qualitative Weiterentwicklungen in den Programmen und Projekten von Ci (zum Beispiel in Bezug auf die Gemeinwesenorientierung) ebenso erforderlich wie lokal und fachlich angepasste Strategien unter Einbeziehung menschenrechtsbasierter Ansätze sowie eine qualifizierte professionelle Begleitung und die Vernetzungsarbeit mit anderen sozialpolitischen Akteuren. Für die internationale Arbeit ist dabei entscheidend, stets den Zusammenhang zwischen humanitärer Hilfe und sozialer Arbeit im Blick zu behalten und ihn in der Projektarbeit, wo immer dies möglich ist, konkret zu berücksichtigen.
Ausbau von Allianzen
Entscheidend ist auch, zur Bewältigung all dieser Herausforderungen Synergien mit anderen Hilfswerken und Institutionen zu nutzen. Zu diesem Zweck ist der DCV mit seinem Hilfswerk Ci in einer Vielzahl von Allianzen und Netzwerken aktiv. Er wird in den kommenden Jahren wichtige Mitgliedschaften und Kooperationen in derzeitigen Allianzen fortsetzen und zusätzliche, strategisch wichtige Kooperationen ausbauen. So wird Ci weiterhin mit Kampagnen und Aktionen wie etwa ihrer "Dialogreise" - bei der Vertreter(innen) aus den Verbänden die internationale Caritas-Projektarbeit vor Ort kennenlernen - internationales Handeln als integralen Teil der Caritas erfahrbar machen. In der Zusammenarbeit mit Caritas Internationalis, dem Dachverband aller nationalen Caritas-Organisationen, liegt in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt auf der Thematik Safeguarding. Und über Caritas Europa ist Ci weiterhin mit anderen Mitgliedsorganisationen in der humanitären Hilfe aktiv und wird gemeinsam Entwicklungen in diesem Sektor reflektieren, um entsprechend handeln zu können.
Bei all diesen Vorhaben geht es letztlich um ein entscheidendes übergeordnetes Ziel, dem Ci sich - bei gestiegenen Anforderungen - verpflichtet: "Auf die größer werdende humanitäre Not antworten: mehr und besser helfen!"
Anmerkung
1. Üblicherweise spricht man von Krieg, wenn ein gewaltsamer Konflikt die Schwelle von eintausend getöteten Kombattanten in einem Jahr überschritten hat.
Live-in-Pflege
Ein Verhältnis mit Gesprächsbedarf
20 Jahre AcU – vom Interessenverbund zum Dienstgeberverband
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}