Fit für die digitale Arbeitswelt
Die Wirtschaftsförderung Dortmund hatte vor einem Jahr die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) und weitere Verbände1 damit beauftragt, ein Konzept für eine digitale Lernfabrik zu entwickeln. Neben der Unterstützung junger Menschen in der Übergangsphase von der Schule in den Beruf soll sie innovative Settings der Berufsorientierung vorhalten und die jungen Leute fit machen für die digitale Arbeitswelt.
Folglich stand das Konsortium zunächst vor der Frage, welche Fähigkeiten auf dem zukünftigen Arbeitsmarkt gefordert sind. Denn sollte es zutreffen, dass 65 Prozent der Grundschulkinder später eine Tätigkeit ausüben werden, die es heute noch gar nicht gibt, stellt sich die elementare Frage, welches Rüstzeug junge Menschen brauchen, damit sie künftige Herausforderungen bewältigen können.
Welches Lernfundament hat auch in Zukunft noch Bestand?
Für eine nachhaltige Konzeptentwicklung mussten deshalb sowohl technische Entwicklungen als auch gesellschaftliche Veränderungen über einen längeren Zeitraum antizipiert werden. Vor dem Hintergrund der immer kürzeren und zum Teil sehr performanten Innovationszyklen schien es nicht sinnvoll, sich ausschließlich auf die Beherrschung von Technik im Bildungskontext zu fokussieren, da sich das vermittelte technische Anwenderwissen zu schnell wandelt. Daher lautete die Fragestellung: Welches Lernfundament hat auch in Zukunft noch Bestand?
Die Antwort auf diese Frage war ein Perspektivenwechsel. Das beauftragte Gremium löste sich von der technologiezentrierten Sichtweise und fragte stattdessen, welche Kompetenzen junge Menschen benötigen, um in einer sich stetig verändernden digitalen Lebens- und Arbeitswelt bestehen zu können. Dies war und ist letztendlich eine Umkehrung des bisherigen Mainstream-Diskurses, der in erster Linie nach der Existenz und der Beherrschung von Technik fragt, hin zu einer (arbeits-)soziologischen Betrachtung von Digitalisierung.
Ein Bildungsraum, der kreatives Denken fördert
Die Lernfabrik rekurriert folglich auf einen kompetenzorientierten Ansatz. Diese langfristig angelegte pädagogische Konzeption soll von der Ebene der Technologie abstrahieren und vielmehr mit neu entstehenden Nutzungsweisen und Konfigurationen von Mensch-Technik-Interaktionen die Perspektive der sozialen Innovation einnehmen. Die Lernfabrik stellt somit die Nutzer(innen) von Technologie sowie die Veränderung von Gesellschaft in den Mittelpunkt. Dieses soziale Verständnis von Digitalisierung reicht deutlich weiter als technologische Ansätze und öffnet den Blick auf pädagogische Ziele, die auch bei sich wandelnden Technologien längerfristig Bestand haben sollten. Eine so verstandene Digitalisierung führt zu zahlreichen Veränderungen in der Art des Lernens und Arbeitens. Während sich die Lebens- und Arbeitswelt von jungen Menschen grundlegend verändert hat, ist der Bereich der Bildung jedoch auf vielen Feldern noch in seinen traditionellen Strukturen, Arbeitsweisen und Lehrinhalten verhaftet.
Das Konzept der digitalen Lernfabrik bricht daher bewusst mit traditionellen (linearen) Bildungsstrukturen. Das Ziel ist, einen Bildungsraum zu schaffen, der divergentes und kreatives Denken und Handeln fördert und der jungen Menschen dabei hilft, die eigenen Kompetenzen zu erfahren und zu entdecken.
Damit dieser Ansatz in die Praxis umgesetzt werden kann, wurde die "Explore Base" entwickelt. Auf der Folie der pädagogischen Prinzipien "Begegnung - Bewegung - Kreativität"2 dient die "Explore Base" der beruflichen Orientierung und der Entdeckung und Herausbildung von Kompetenzen diverser Zielgruppen mittels praxisorientierter Erfahrungsmöglichkeiten durch eingerichtete Berufserlebniswelten.3
Kernziel dieses Moduls ist es, durch auffordernde Methoden und kreative Angebote die intrinsische Motivation der Jugendlichen zu wecken, damit sie sich aus eigenem Antrieb heraus mit unterschiedlichen Berufen auseinandersetzen, ihre eigenen Kompetenzen entdecken und sich bewusst werden, was sie wirklich wollen.
Folglich ist die technische Ausstattung nur Mittel zum Zweck. Sehr viel wichtiger sind die so entstehenden Begegnungen, die in der Explore Base geschaffen werden, sowie der kreative und reflektierte Umgang mit Technik. Konkret bedeutet dies, dass Schüler(innen), Eltern und Lehrer(innen), Wissenschaft und Praxis in der Explore Base miteinander vernetzt werden. Gleichzeitig sollen durch die Begegnungsanlässe Netzwerkkompetenzen gestärkt werden. Für die Partizipation an einer digitalen Gesellschaft ist dies von essenzieller Bedeutung.
#Young Digitals Dortmund" als vorgeschaltetes Projekt
Im Mai 2020 startete IN VIA Dortmund mit dem Projekt "#Young Digitals Dortmund". Jugendliche Teilnehmende werden in berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB, gefördert als Arbeitsmarktdienstleistung über § 51, BvB, SGB III) auf berufliche Anforderungen vorbereitet und ihre digitalen Kompetenzen gefördert.
Der Einsatz digitaler Lernmethoden soll verhindern, dass die jungen Menschen durch die fortschreitende Digitalisierung im Bereich der Ausbildung abgehängt werden. Dieses vorgeschaltete Projekt soll Erkenntnisse für das pädagogische Begleitkonzept der Explore Base liefern.
Schienen die Startbedingungen unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie zunächst schlecht, so zeigte die Phase des Lockdowns doch um ein Vielfaches mehr, welche Bedeutung der Befähigung junger Menschen zu digitaler Teilhabe zukommt. Jedoch benötigen sie Begleitung, um vom Transformationsprozess profitieren zu können. Durch die Krise waren sowohl die pädagogischen Fachkräfte als auch die Teilnehmenden in den BvB-Maßnahmen aufgefordert, digitale Lernangebote und -formate zu erproben.
Die Erkenntnis, dass die Haltung der Fachkräfte Dreh- und Angelpunkt der pädagogischen Intervention ist, ist nicht überraschend - aber dennoch zentral. Denn auch im digitalen Kontext geht es um die Qualität der Begegnung: Offenheit und Bereitschaft müssen seitens der Pädagog(inn)en gegeben sein, um anzunehmen, dass jugendliche Lebenswelten digital durchdrungen und die Nutzung digitaler Medien für junge Menschen unverzichtbarer Bestandteil ihres Lebens ist. Nur so konnte eine Beziehung zwischen den pädagogischen Fachkräften und den BvB-Teilnehmenden entstehen. Diese Beziehung schafft die Voraussetzung, Erfahrungsräume für junge und mit jungen Menschen zu gestalten, die Möglichkeit für Neuentdeckung, Reflexion, Sensibilisierung, Orientierung und wichtiger kritische Auseinandersetzung im Hinblick auf die Mediennutzung.
Wünschenswert: ein Mix aus analoger und digitaler Begleitung
Die Herausforderung ist dabei die Art der Beziehungsgestaltung: Denn wenn alle bisherigen "analogen" Begegnungsarten nicht greifen, müssen neue Formen gefunden werden. Durch eine Befragung der "Young Digitals" wurde unter anderem eruiert, welche Form der Unterstützung für sie während der Lockdown-Phase am geeignetsten war. Ergebnis: Durch eine Mischung aus analoger und digitaler Begleitung - sogenannte "hybride" Beziehungen - fühlen sich die jungen Menschen gut begleitet. Wichtig ist, dass sie auch selbst immer in diesen Prozess einbezogen werden.
Durch die Ressourcen im Projekt war eine intensive Recherchearbeit möglich. Denn es gibt bereits viele digitale Anwendungen für die pädagogische Arbeit mit jugendlichen Zielgruppen. Aber es braucht Zeit, diese auszuwählen, auszuprobieren und für die eigene pädagogische Arbeit zu implementieren. Hilfreich ist dabei ein multiprofessionelles Netzwerk, das den Austausch über diese Formate unterstützt. Denn auch das hat die Corona-Pandemie gezeigt: Auf der Ebene der Fachkräfte gibt es ebenso den Bedarf, sich digital auszuprobieren und fortzubilden. Ängste und Vorbehalte müssen teils überwunden werden, um sich in mediatisierten Angeboten und neuen Formaten zurechtzufinden und diese sicher anwenden zu können.
Mit diesen ersten Schritten wurde die Basis gelegt, künftig verschiedenste Abläufe im Rahmen der berufsvorbereitenden Maßnahmen mit digitalen Tools anzureichern. Gemeinsam mit den jungen Menschen wurden und werden digitale Anwendungen getestet und bewertet. So werden die jungen Teilnehmenden selbst zu Expert(inn)en. Die im Projekt "#Young Digitals Dortmund" erprobten innovativen Ansätze und digitalen Methoden im Bereich Ausbildung 4.0 werden ausgewertet, um sie auch auf andere Felder der Jugendsozialarbeit zu übertragen.
Anmerkung
1. IN VIA Dortmund, Kommende Dortmund, Kolpingwerk Paderborn und TU Dortmund.
2. Siehe zum Konzept: www.bagkjs.de/digitale-lernfabrikdortmund-kernidee-und-konzeptionelle-umsetzung/
3. Ebd.
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