Über Demokratie sprechen und sie erleben
Beteiligung von jungen Menschen ist heutzutage ein fester Bestandteil des pädagogischen Alltags einer Einrichtung: Kinder und Jugendliche werden darin gestärkt, sich als selbstwirksam und als Gestalter(innen) ihrer Biografie zu begreifen. Innerhalb des Projekts "FORUM:A", das im Rahmen des Programms "rückenwind+" durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert wurde, rief der BVkE 2018 das Angebot "Ein Wochenende voller Demokratie" ins Leben.
Es unterstützt Einrichtungen und Dienste dabei, Orte gelebter Demokratie zu gestalten. Als "Pioniere" haben sich drei Einrichtungen zusammen auf den Weg gemacht: das Kinderheim Pauline von Mallinckrodt in Siegburg, das Raphaelshaus in Dormagen und die Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz in Münster. Ihr gemeinsam entwickeltes Konzept wird im Folgenden erläutert.
Methodische Schlüsselfaktoren
Das Wochenende voller Demokratie vereint Einrichtungen von bis zu drei Trägern derKinder- und Jugendhilfe unter dem Thema: "Über Demokratie sprechen. Demokratie erleben!" Es wird von einer externen Beteiligungsmoderatorin geplant, vorbereitet und durchgeführt, sodass die Teilnehmer(innen) in wertschätzender Atmosphäre entspannt durch die beiden Workshoptage geführt werden. So entsteht auf besondere Art ein gemeinsames Erlebnis für die jungen Menschen und ihre Betreuer(innen). Das Arbeiten auf Augenhöhe wird so unterstützt.
Beim Wochenende voller Demokratie kommen moderierte und unmoderierte Kleingruppenarbeiten, Murmelrunden, Diskussionen im Plenum, Kreativphasen, Spiele, Videos, ein Demokratie-Quiz sowie ein Eduplay-Würfel zum Thema Kinderrechte zum Einsatz. Dieser bunte Mix sorgt für Abwechslung. Im durchgeplanten Ablauf sind genügend Zeit und Freiraum für Spiel und Spaß sowie für individuelle Bedürfnisse der Gruppe vorgesehen. Didaktisch setzt das Wochenende voller Demokratie auf zwei Schlüsselfaktoren:
1. Junge Menschen und ihre Betreuer(innen) erleben das Wochenende gemeinsam: Es ist wichtig, junge Menschen mit ihren Betreuer(inne)n in den Austausch zu bringen und sie so zu Verbündeten in Sachen Partizipation zu machen. Betreuer(innen) müssen wieder überzeugt werden, dass Partizipation von den jungen Menschen angenommen wird und dass das Mehr an Arbeit sich lohnt. Am Wochenende voller Demokratie lernen Fachkräfte mit den von ihnen betreuten jungen Menschen gemeinsam etwas über Demokratie. Sie erleben, wie die jungen Menschen interessiert mitarbeiten, Wünsche äußern und Erfahrungen teilen.
Diese wiederum realisieren mitunter zum ersten Mal, dass Demokratie in Form von Partizipation auch in der eigenen Lebenswelt möglich ist. Sie gehen gestärkt in ihren Überlegungen und Vorhaben in die Einrichtungen zurück und setzten sie mit Hilfe der verbündeten Betreuer(innen) eher um. Dadurch erhöhen sich die Chancen für das Erleben von Selbstwirksamkeit der jungen Menschen, einem Katalysator für das Selbstwertgefühl und die Beteiligungsbereitschaft.
2. Mehrere Einrichtungen mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen tauschen sich aus: Gerade junge Menschen, die in Einrichtungen leben, brauchen das Wissen, dass es in anderen Einrichtungen auch anderes geben kann als das, was sie bisher gewohnt sind. Sie haben in ihren individuellen Biografien oft das Gegenteil von Partizipation erlebt und müssen erst überzeugt werden, dass Erwachsene es mit der Partizipation ernst meinen. Neue Ideen, wie Beteiligung gelebt werden kann, kommen oft erst nach dieser Überzeugung. Lebendig werden die unterschiedlichen Erfahrungen mit Demokratie in der eigenen Einrichtung ausgetauscht und diskutiert. Die Mischung aus Erstaunen, wie es woanders läuft, und das Wecken von Wünschen, wie es in der eigenen Einrichtung sein könnte, führen meist zu intrinsischer Motivation. Mit diesem Elan gehen die jungen Menschen und ihre Betreuer(innen) in verschiedene Arbeitsphasen. Die Ergebnisse werden so aufbereitet, dass sie in die Einrichtungen mitgenommen und dort präsentiert werden können. Wenn sie auf fruchtbaren Boden fallen, steht der nachhaltigen Umsetzung von Ideen und Wünschen nichts im Weg. Unter Berücksichtigung dieser didaktischen Vorüberlegungen haben die Kinder- und Jugendparlamente des Kinderheims Pauline von Mallinckrodt in Siegburg, des Raphaelshauses in Dormagen und der Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz in Münster gemeinsam bereits zwei Wochenenden voller Demokratie gestaltet. Über die praktische Umsetzung solch eines Wochenendes gibt der folgende Abschnitt Aufschluss.
Einblicke in die Praxis
Was heißt überhaupt Demokratie? Wie funktioniert Beteiligung? Wie bilde ich mir eine Meinung? Wie kann ich mich engagieren? Was sind Kinderrechte? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Kinder- und Jugendparlamente der drei Einrichtungen kontinuierlich. Da es aber im Alltagsgeschehen oft wenig Zeit gibt, sich dieser wichtigen Thematik ausführlich zu widmen, wurde den jungen Menschen - ähnlich wie in der großen Weltpolitik - eine Klausurtagung angeboten. Weil Politiker(innen) zudem vom Austausch mit anderen Städten und Ländern profitieren, beschlossen die drei Einrichtungen dementsprechend, ein gemeinsames Demokratie-Wochenende zu planen und durchzuführen.
ich die Teilnehmer(innen) und ihre pädagogischen Fachkräfte auf vielfältige Weise mit den Fragen zur Demokratie und kamen zu wertvollen Erkenntnissen:
- Man soll wissen, wo man sich beteiligen darf und wo nicht.
- Mit Beteiligung kann man etwas erreichen und verändern.
- Man traut sich, etwas zu sagen.
- Man kommt auf viel bessere Ideen.
- Beteiligung macht selbstbewusst und stolz.
Die positiven Rückmeldungen und die Begeisterung der Kinder und Jugendlichen nach dem ersten Demokratie-Wochenende im Jahr 2018 motivierten die Verantwortlichen, dieses Projekt fortzusetzen, und so fand im Mai 2019 das zweite Demokratie-Wochenende statt. Den inhaltlichen Schwerpunkt bildete nun auf Wunsch der jungen Parlamentarier(innen) die Auseinandersetzung mit den Kinderrechten.
Bestärkende Rückmeldungen Erneut schwärmten danach die jungen Teilnehmer(innen) und die pädagogischen Fachkräfte von einem informativen und gelungenen Wochenende. Dominik (18 Jahre, Raphaelshaus): "Was ich gut fand, waren die unterschiedlichen Aufgabenstellungen zum Thema Kinderrechte. Besonders spannend fand ich die Aufgabe: Was man über Kinderrechte wissen sollte." Lukas (12 Jahre, St. Mauritz): "Mir hat es supergut gefallen. Wir haben in unserer Arbeitsgruppe überlegt, wie wir über Kinderrechte informiert werden möchten. Gemeinsam hatten wir richtig gute Ideen und haben ein tolles Plakat gestaltet. Ich möchte nächstes Jahr gerne wieder dabei sein." Tara (11 Jahre, Pauline von Mallinckrodt): "Mir hat Spaß gemacht, dass wir Jugendliche aus verschiedenen Einrichtungen waren. Ich habe gut behalten, dass es Kinderrechte gibt, die alle Länder unterschrieben haben. Und wir haben über alle Kinderrechte geredet und für die Kinderrechte, die uns am wichtigsten sind, haben wir Plakate gemalt, das hat Spaß gemacht."
Dorothea Rothkötter, Bereichsleiterin aus dem Raphaelshaus, fasst das Projekt so zusammen: "Die Rückmeldungen zum Demokratie-Wochenende waren von allen Beteiligten äußerst positiv und haben in unserem Kinder- und Jugendparlament eine sehr motivierende Wirkung erzeugt. Eine andere und wertschätzende Umgebung, der Austausch mit Kindern und Jugendlichen aus anderen Einrichtungen und eine sehr gute Referentin haben dazu beigetragen, dass die Auseinandersetzung mit Beteiligung und Demokratie auch Spaß und Freude machen und jeder Einzelne etwas beitragen kann."
Thomas Fischer-Wesselmann, stellvertretender Leiter des Kinderheims Pauline von Mallinckrodt: "Im Rahmen der Demokratie-Wochenenden erleben wir, dass in allen drei Einrichtungen Partizipationen in demokratischen Prozessen nicht nur Lippenbekenntnisse sind. Gemeinsam entdecken wir zunehmend Möglichkeiten und Grenzen solcher Prozesse. Das bringt auf der einen Seite gute Synergieeffekte und weckt auf der anderen auch einen gesunden Ehrgeiz, mindestens so tolle Partizipationsarbeit zu machen wie die anderen."
Die Delegation aus dem Kinder- und Jugendparlament St. Mauritz nahm die Plakate und Ergebnisse des Wochenendes mit in ihre Einrichtung und stellte sie gleich zweimal vor: Zuerst auf dem Sommerfest 2019, dann auf der Jubiläumsfeier "10 Jahre Kinder- und Jugendparlament St. Mauritz". Über solche Anlässe profitiert die ganze Einrichtung vom Demokratie-Wochenende und bringt Themen wie Kinderrechte, Beteiligung, partizipatorische Haltung und Demokratieprozesse ins Gespräch. Es braucht Projekte wie dieses, um dem demokratischen Grundgedanken in den Hilfen zur Erziehung eine Bedeutung zu geben. Und um Freude daran zu wecken, sich zu engagieren.
Eine verbindliche Regelmäßigkeit solcher Wochenenden trägt dazu bei, Mitwirkungskonzepte selbstverständlich im pädagogischen Alltag zu verankern und sich gemeinsam weiterzuentwickeln. Sie hilft sehr dabei, die Kinder und Jugendlichen in Bezug auf Meinungsbildung und Partizipation zu fördern und sie in ihrem Selbstwert zu stärken. Nach der Corona-Zwangspause ist das dritte Demokratie-Wochenende für April 2021 geplant.
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