Katholische Krankenhäuser: Garant in der Daseinsvorsorge
Auch katholische Krankenhäuser sind keine "Krankenfabriken".1 Vielmehr sind sie in Zeiten des Wettbewerbs, der Kostenexplosion, der Corona-Pandemie und anderer Herausforderungen bemüht, das christliche Profil zu schärfen und die medizinische und pflegerische Fachlichkeit stetig weiterzuentwickeln.
"Da brachte man einen Gelähmten zu ihm, er wurde von vier Personen getragen. Weil sie ihn wegen der vielen Leute nicht bis zu Jesus bringen konnten, deckten sie dort, wo Jesus war, das Dach ab, schlugen die Decke durch und ließen den Gelähmten auf seiner Tragbahre durch die Öffnung hinab" (Mk 2,3-4). Auftrag und Sendung der Christen und der Kirche ist es, Menschen - insbesondere Arme und Kranke - zu Jesus zu bringen, so dass sie bei ihm ganzheitlich Heilung und Heil erfahren. Ohne die "Bahre", ohne die Institution Krankenhaus ist die Kirche nicht in der Lage, diesen Auftrag zu erfüllen. Die konkrete Sorge um den Kranken ist ein zentrales Zeichen für den Heilswillen Gottes auch heute: "Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus" (Mt 10,8). Die Krankenheilung ist nicht verhandelbar. Von Anfang an gehört sie zur Sendung der Kirche. Die Verkündigung Jesu ist ohne Krankenheilung und den Dienst an den Kranken gar nicht zu verstehen.
Von Anfang an wird das Christentum als Heilungsreligion gesehen. In der Zuwendung zu den Kranken und in der Pflege konkretisiert sich das. Doch heute wird die Existenz kirchlicher Krankenhäuser von innen und außen infrage gestellt. Von innen durch problematische Thesen wie:
- Das eigene christliche Profil ist nicht mehr zu erkennen.
- Die kirchlichen Träger lassen sich als große Gesundheitskonzerne in unser Gesundheitssystem vereinnahmen. Von außen durch Unterstellungen wie:
- Kirchliche Trägerschaft ist eine indirekte Förderung anderer kirchlicher und missionarischer Interessen.
- Der Gesundheitsmarkt kann auf eine religiöse Tradition keine Rücksicht nehmen. Politische Vorgaben und wirtschaftliche Rahmenbedingungen allein sind entscheidend
Die Krankenheilung ist nicht verhandelbar
Das Selbstverständnis kirchlicher Krankenhäuser geht nicht davon aus, grundsätzlich besser im Bereich der Pflege und Medizin zu sein als andere. Zum einen arbeiten in nichtchristlichen Häusern auch Christen beziehungsweise christlich motiviertes Pflegepersonal, zum anderen gibt es sowohl unter Christen als auch Nicht-Christen Versagen und uneingeholte Ansprüche. Aus dem Gedanken der Subsidiarität ordnen sich kirchliche Einrichtungen mit kommunalen, freigemeinnützigen und privaten Trägergesellschaften in den Gesundheitsmarkt ein. Bei größtmöglicher Selbstständigkeit geht es ihnen um einen absichtslosen Dienst an den Kranken und Hilfsbedürftigen. In einer Zeit, in der das funktionale und gewinnorientierte Handeln Priorität hat, kann mit einer solchen Positionierung auch der Mehrwert des Evangeliums deutlicher werden. Ärztliche, pflegerische und therapeutisch-seelsorgliche Tätigkeit als Einheit anbieten und nicht künstlich trennen - aus dieser Tradition eines gleichberechtigten interprofessionellen Zusammenwirkens hat sich das moderne katholische Krankenhauswesen entwickelt.
Neue Formen der Vernetzung von Krankenhäusern, Senioren-, Pflege- und Jugendhilfeeinrichtungen in regionalen Verbünden bieten Dienstleistungen aus einer Hand. Es ist ein Zeichen der Zeit, für die differenzierten Fragestellungen ein differenziertes Dienstleistungsangebot vorzuhalten. Darüber hinaus kann es erforderlich sein, neue und verbindliche Kriterien für frei-gemeinnützige Leistungserbringung im Gesundheitswesen zu definieren. Notwendige Strukturveränderungen sind nur möglich, wenn der politische Bereich sie begleitet und fördert. Als Interessenvertretung wird der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) den notwendigen Diskurs mit Politik und Gesellschaft suchen.
Gemeinnützigkeit garantiert Daseinsvorsorge
Der Zweck gemeinnütziger Organisationen ist es, dem Gemeinwohl zu dienen, ihr Auftrag ist es, der Gesellschaft zu nutzen. Sie sind daher gehalten, ihr Tun regelmäßig dahingehend zu hinterfragen, ob diese Ziele (noch) erreicht werden und ob gegebenenfalls ihre Strukturen an die veränderten gesellschaftlichen Bedarfe anzupassen sind. Sie tun dies auch ohne einen staatlichen Auftrag oder wettbewerbliche Anreize. Diese Dynamik, die jeweiligen Nöte der Zeit zu erkennen und darauf zu reagieren beziehungsweise ihnen abzuhelfen, hat eine lange Tradition im Christentum und wurde in der Versorgung von Kranken, Alten und Armen vor allem durch die Pflegeorden umgesetzt. Veränderungen und zielgerichtete Verbesserungen werden dabei nicht durch Vergütungsanreize und Gewinnchancen initiiert, sondern durch die "Nöte der Zeit"2 , das heißt durch klare Handlungs- und Angebotsausrichtung am Bedarf. So wurden und werden neue Versorgungsformen - wie in jüngerer Zeit die Palliativ- oder Hospizversorgung oder Innovationen im Bereich der Pflege - durch konfessionelle Häuser erprobt und erbracht, bevor oder ohne dass es dafür Vergütungsstrukturen gab beziehungsweise gibt.
Neu entstehende Bedarfe sind nur bedingt, Innovationen überhaupt nicht planbar. Christliche Leistungserbringer haben aus ihrem Auftrag heraus ein inhärentes Bestreben, auf sich ändernde Bedarfe, akute Notlagen und neue gesellschaftliche Verhältnisse zu reagieren, bevor diese mit einer Handlungsempfehlung ausgestattet und bepreist sind. Damit garantieren sie bedarfsorientierte Versorgungsstrukturen. Dennoch gibt es auch katholische Träger, die es im Hamsterrad der Krankenhausversorgung der letzten Jahre versäumt haben, notwendige Veränderungen zu erkennen und mit ihnen mitzugehen. Deren Zukunftsfähigkeit ist damit gefährdet. Solche Träger sollten sich ihrer Stärken bewusst werden und gleichzeitig selbstkritisch hinterfragen, ob sie in ihrer bestehenden Form noch gemeinnützige oder nur eigene Zwecke verfolgen.
Ein Diskurs über die Definition guter Versorgung findet nicht statt
Im Krankenhausbereich ist aktuell eine unheilvolle Mischung von wettbewerblichen Anreizen und stark regulatorischen Leistungs- und Vergütungsvorgaben festzustellen, was teilweise ruinöse Konsequenzen für die Anbieter hat. Ein Sterben von Krankenhäusern ist zu beobachten, dem eine planvolle, von klaren Rahmenbedingungen gesteuerte Ausgangslage fehlt. Bestandssicherheit haben allenfalls Krankenhausträger mit einer starken Kapitaldecke. Politische Planungsverantwortung ist vor allem auf Ebene der Länder kaum wahrnehmbar. Die aktuellen, nicht aufeinander abgestimmten Entwicklungen von Landes- und Bundespolitik, Kassenaktivitäten und Trägeraktivitäten führen zu keiner positiven Entwicklung des Systems.
Reformüberlegungen werden ausschließlich nach Effizienzgesichtspunkten und auf der Grundlage von Abrechnungs- und Qualitätssicherungsdaten angestellt. So wichtig eine langfristige Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens auch ist, so wichtig ist auch ein Vertrauen der Menschen in ein funktionierendes Versorgungssystem. Ein gesellschaftlicher Diskurs über die Definition guter Versorgung und die Bedürfnisse der Versicherten und Bürger(innen) findet jedoch nicht statt. Dies betrachten die katholischen Krankenhäuser mit Sorge.
Abzuwarten bleibt, welche gesundheitspolitischen Auswirkungen die Corona-Pandemie hat. In der Bevölkerung ist eine stärkere Sensibilisierung für die Fragen der gesundheitlichen Versorgung anzutreffen. Politische Mehrheiten müssen sich für eine konstruktive Gesundheitspolitik einsetzen. Dabei kann ein Wort des Mediziners und Medizinethikers Giovanni Maio Orientierung sein: "Es gibt einen gefährlichen Trend zur Ökonomisierung der Medizin… doch der Patient sucht eine Sorgebeziehung und keine Geschäftsbeziehung zu seinem Arzt."2
Sozial- und Gesundheitswesen ist konstitutiv für die Gesellschaft
Wie sozial eine Gesellschaft ist, zeigt sich daran, wie sie mit Schwachen und Kranken umgeht. Das Gesundheitswesen ist zentral für die sozial gerechte Teilhabe aller. Seine Ausgestaltung wirkt sich direkt auf das Zusammenleben in der Gesellschaft aus. Die derzeit vorherrschenden Prämissen der messbaren Leistungs-, Qualitätskriterien- und Abrechnungsbuchhaltung werden nach Auffassung des KKVD den Bedarfen und Bedürfnissen der Menschen nicht gerecht. Der KKVD hält stattdessen eine Humanisierung der Gesundheitsversorgung für notwendig, in der der Zugang zu einer Versorgung auf hohem Niveau gewährleistet ist. Um die Effizienz eines subsidiär organisierten Gesundheitswesens zu nutzen, ist es notwendig, mehr Regionalität zuzulassen und der je kleineren Einheit Gestaltungsfreiraum zu ermöglichen. Dabei ist der bewährte Grundsatz der Trägervielfalt unbedingt beizubehalten. Aus Sicht des KKVD hat jede Trägerform ihre Vor- und Nachteile, und das Nebeneinander wirkt befruchtend und setzt jeweils gegenseitige Anreize für Veränderungen und Weiterentwicklungen des Gesundheitswesens.
Bestandssicherheit haben nur Träger mit starker Kapitaldecke
Die Mitglieder des KKVD stehen für eine nachhaltige, verlässliche und gemeinwohlorientierte Krankenhausverortung und Gesundheitsversorgung. Freigemeinnützige Organisationsformen sind ein Garant für eine verlässliche Daseinsvorsorge, denn sie erbringen mehr als reine Gesundheitsdienstleistungen und sind zugleich modern und innovativ. Viele katholische Krankenhäuser beweisen täglich, dass sie effizient wirtschaften können. Und mehr noch: Die erwirtschafteten Überschüsse werden reinvestiert und verbleiben im System des Gemeinwohls. Die Einrichtungen übernehmen Verantwortung auch dort, wo es andere Akteure - wie Finanzinvestoren oder Private Equity (privates Beteiligungskapital) - nicht tun oder tun können. Eine Abkehr vom Prinzip der Trägervielfalt und ein Verlust katholischer Krankenhäuser geht einher mit dem Verlust freier Akteure, die aus eigenem Auftrag gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
Anmerkungen
1. Vgl. "Der Spiegel": In der Krankenfabrik, Nr. 51, vom 17. Dezember 2016, S. 14 f.
2. Zitat von Adolph Kolping: "Die Nöte der Zeit werden euch lehren, was zu tun ist."
3. Giovanni Maio, Interview vom 28. Mai 2013 auf katholisch.de
Endlich handeln!
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Ausbildung zeitgemäß gestaltet
Über Demokratie sprechen und sie erleben
Berater sind auch „nur“ Männer
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