Prekäre Lebenslagen unter der Lupe
Anfang 2020 wurden die regelmäßigen Monitoring-Gespräche mit der Bundesregierung und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) fortgesetzt, in denen erneut die unbeabsichtigten Auswirkungen von Sozialgesetzgebung auf Menschen in prekären Lebenslagen thematisiert wurden (siehe dazu auch neue caritas Heft 17/2019, S. 29). Beide Seiten lobten den wichtigen und wertschätzenden Dialog des Sozialmonitorings.
Krankenversicherung: Problematisiert wurden die einschränkenden Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu den Zuzahlungsbefreiungen von chronisch Kranken. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) möchte dieses Problem hinsichtlich der Fahrtkosten für chronisch erkrankte Kinder unter 18 Jahren mit dem Gesetzentwurf zur Notfallversorgung lösen.
Kindergeldanrechnung: Die BAGFW kritisierte die vollständige Kindergeldanrechnung auf Unterhaltsvorschussleistungen. Das BMAS sieht hier keinen Handlungsbedarf.
Gewaltschutz: Erneut forderten die Wohlfahrtsverbände, den Schutz von Frauen vor Gewalt sicherzustellen, und problematisierten auch die faktischen Ausschlüsse eines Frauenhausaufenthalts für ausländische Frauen. Der Bund wird ein Investitionsprogramm mit 120 Millionen Euro auflegen. Angestrebt ist eine gemeinsame bundesgesetzliche Regelung über einen Rechtsanspruch. Zudem werden Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) und Bundesinnenministerium (BMI) in einem gemeinsamen Rundschreiben die Wohnsitzregelung in Gewaltschutzfällen für Kommunen erläutern. Außerdem wird der Bund die Problematik in der nächsten Konferenz der obersten Landessozialbehörden (KOLS) ansprechen.
Schwerbehinderung: Die BAGFW wies darauf hin, dass es bei der Erteilung eines Schwerbehindertenausweises für Menschen mit Behinderung und Fluchthintergrund Probleme gibt. Diese waren der Bundesregierung bisher nicht bekannt.
Insolvenzrecht: Eine gesetzliche Regelung forderte die BAGFW für die Eröffnung von Verbraucherinsolvenzverfahren bei Auskunftssperren im Melderegister, zum Beispiel wegen Gewalterfahrungen. Damit Verbraucherinsolvenzverfahren in diesen Fällen nicht faktisch ausgeschlossen sind, sagte die Bundesregierung eine Lösung in einem der nächsten Gesetzesvorhaben zu.
SGB II: Junge Schuldner(innen) wissen nicht, dass sie sich mit Eintritt der Volljährigkeit gegenüber dem Jobcenter darauf berufen können, dass ihre Haftung für noch nicht getilgte Überzahlungen beschränkt wird. Die BAGFW machte die Bundesregierung darauf aufmerksam. Diese will deshalb automatisierte Schreiben an die gerade Volljährigen zur Information über die Einrede der beschränkten Minderjährigenhaftung versenden. Keinen gesetzlichen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung bei der Rückforderung von zu Unrecht ausgezahltem Kindergeld, das auf SGB-II-Leistungen angerechnet wurde. Die von der BAGFW aufgezeigten Probleme bei der Unterstützung von Schwangeren im Grundsicherungsbezug wird das BMAS im Bund-Länder-Ausschuss behandeln.
Die Ansicht der BAGFW, nach der eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Umsetzung des § 16 h SGB II zur Förderung schwer erreichbarer Jugendlicher wegen der erforderlichen Zertifizierung nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) nicht gewährleistet ist, wurde von der Bundesregierung nicht geteilt.
Kinderzuschlag: Als gesetzgeberischen Prüfauftrag nimmt die Bundesregierung eine Problemanzeige der BAGFW entgegen: Familien werden vom Kinderzuschlag ausgeschlossen, wenn sie das Kindergeld - wie beim Wechselmodell üblich - vom anderen Elternteil weitergeleitet und nicht direkt von der Familienkasse ausgezahlt bekommen.
Bafög: Erneut wurden Sicherungsprobleme für Studierende mit Bafög-Ansprüchen diskutiert und ein weiterer Dialog zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der BAGFW vereinbart.
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