Fördergelder für die nächsten sieben Jahre
Die Einigung hat auch Auswirkungen auf zahlreiche Träger und Einrichtungen der Caritas, die EU-Fördergelder für ihre Projektarbeit nutzen. Viele Caritas-Einrichtungen befürchten, dass es Ende des Jahres aufgrund der langwierigen Verhandlungen zu einer Förderlücke kommen könnte. Obwohl noch viele Details der nächsten Förderperiode weiter ausgehandelt werden müssen, wurde mit der Einigung ein großer Schritt in die richtige Richtung gegangen.
Mit Blick auf die außergewöhnlich langen Verhandlungen und die Herausforderungen der Covid-19-Pandemie kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ergebnisse: "Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Anstrengungen." Damit spielt sie sowohl auf den Aufbruch der verhärteten Fronten zwischen den Verhandlungspartnern als auch auf einen Paradigmenwechsel in der EU-Haushaltspolitik an: Erstmals sollen zur Bewältigung der durch die Corona-Pandemie verursachten Krise gemeinsame Schulden aufgenommen werden.
Die Caritas hat die Verhandlungen beeinflusst
Der Einigung vorangegangen waren jahrelange Verhandlungen, die von der EU-Vertretung des Deutschen Caritasverbands (DCV) eng begleitet worden sind. Der Haushalt der Europäischen Union wird für jeweils sieben Jahre festgelegt. Somit werden langfristig die politischen Prioritäten und alle Förderprogramme geplant. Die EU-Kommission hatte daher bereits im Mai 2018 ihre Vorschläge für den "Mehrjährigen Finanzrahmen" (MFR) 2021-2027 und für die verschiedenen Förderprogramme der nächsten Förderperiode vorgelegt. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und deren wirtschaftlichen und sozialen Folgen hatte die EU-Kommission am 27. Mai 2020 ihre Vorschläge für einen MFR 2021-2027 überarbeitet und um ein Wiederaufbauinstrument ergänzt. Parallel dazu hat sie ihre Anregungen für wichtige programmspezifische Verordnungen wie den neuen Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) und die Dachverordnung der Strukturfonds angepasst sowie einige neue Programme empfohlen.
Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf ein Gesamtbudget der EU für 2021-2027 von 1.074,3 Milliarden Euro.1 Ergänzt wird der MFR durch ein kreditfinanziertes Wiederaufbauinstrument über 750 Milliarden Euro. Der Großteil der Gelder aus dem Wiederaufbauinstrument (rund 670 Milliarden Euro) fließt in die Aufbau- und Resilienzfazilität, durch die die Mitgliedstaaten Gelder für ihre nationalen Wiederaufbau- und Konjunkturprogramme beantragen können. Damit auch Dienste und Einrichtungen der Caritas von diesem Konjunkturprogramm profitieren können, müsste die Bundesregierung also ihre nationalen Konjunkturprogramme entsprechend gestalten. Dies positiv zu beeinflussen, bleibt eine Aufgabe der gesamtverbandlichen Caritas für die nächsten Monate.
ESF bietet unbürokratische Hilfe
Für Caritaseinrichtungen, die in der laufenden EU-Förderperiode 2014-2020 Projekte innerhalb des Europäischen Sozialfonds ESF, des Hilfsfonds EHAP oder des Regionalentwicklungsfonds EFRE organisieren, ist interessant, dass diese Fonds bis 2023 um 47,5 Milliarden Euro europaweit aufgestockt werden sollen. Dabei entscheidet jeder Mitgliedstaat im Rahmen des ihm zugeteilten Anteils selbst, welche Fonds und Maßnahmen zum Umgang mit der Corona-Pandemie er zusätzlich unterstützt. Die Caritas begrüßt diese Pläne sehr, da so kurzfristig und unbürokratisch Hilfe im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie geleistet werden kann.
Für viele Einrichtungen und Träger ist die Zukunft des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) bis 2027 besonders wichtig, in den auch der Hilfsfonds EHAP aufgeht. Das Gesamtbudget des ESF+ wird für die kommende Förderperiode 2021-2027 voraussichtlich auf rund 87 Milliarden Euro gekürzt. Dies ist bedauerlich, allerdings sind die Kürzungen unter anderem durch intensive Interessenvertretung weniger stark ausgefallen als befürchtet. In Zukunft können die Mitgliedstaaten leichter Gelder zwischen den verschiedenen EU-Fonds verschieben. Wenn politisch gewollt, könnte diese Flexibilität in Deutschland auf Landesebene dazu genutzt werden, den ESF+ zu stärken. Große Probleme werden den Projektträgern jedoch die abgesenkten Kofinanzierungssätze bereiten, nach denen in den Übergangsregionen Ostdeutschlands bis zu 40 Prozent, in den stärker entwickelten Regionen in Westdeutschland bis zu 60 Prozent eines Projekts aus Eigen- oder weiteren Drittmitteln finanziert werden müssen. Die EU-Vertretung der Caritas hat in Kooperation mit den anderen deutschen Wohlfahrtsverbänden und dem Deutschen Gewerkschaftsbund ein Positionspapier zum ESF+ veröffentlicht, um auf diese Probleme hinzuweisen.2
Änderungen an weiteren Förderprogrammen für die Caritas
Viele Caritas-Träger realisieren Projekte im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF). Der Nachfolgefonds AMF soll nach dem Beschluss der Staats- und Regierungschefs nicht wie eigentlich geplant aufgestockt werden, sondern nur ein Budget von etwa 8,7 Milliarden Euro erhalten. Diese Kürzung ist aus Sicht der Caritas sehr bedauerlich.
Im Vergleich zur laufenden Förderperiode wird das europäische Austauschprogramm Erasmus+ mit einem Budget von rund 21 Milliarden Euro aufgewertet, wenn auch im Vorfeld des Beschlusses eine weit höhere Aufstockung des Programmes diskutiert wurde. Aus Sicht der Caritas sollte Erasmus+ zukünftig noch inklusiver aufgebaut werden. Um Inklusion in Erasmus+ und im Europäischen Solidaritätskorps zu verbessern, hat die EU-Vertretung der Caritas in Kooperation mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Netzwerken im März 2020 Empfehlungen entwickelt.3
Ein völlig neuer Förderfonds ist der Klima-Übergangsfonds ("Just Transition Fund" - JTF) mit einem Budget von 17,5 Milliarden Euro. Der JTF wurde von der EU-Kommission im Januar 2020 als sozialpolitisches Element ihres Europäischen Grünen Deals vorgeschlagen, um einen fairen Übergang für alle hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu ermöglichen. Der Deutsche Caritasverband begrüßt grundsätzlich die Zielsetzung des JTF. Problematisch ist jedoch, dass Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden könnten, Gelder aus ESF+ und/oder dem EFRE für den JTF umzuwidmen (bis zu 20 Prozent des jeweiligen Fonds). Dies könnte zu einer weiteren erheblichen Kürzung des ESF+ in Deutschland führen.
Die starke Kürzung des EU-Programms für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit auf rund 70 Milliarden Euro sowie des Instruments für die humanitäre Hilfe auf knapp zehn Milliarden Euro ist bedauerlich. Gemeinsam mit Caritas Europa hatte sich der DCV für eine Stärkung dieser Programme eingesetzt.
Und wie geht es weiter?
Das EU-Parlament muss den Beschlüssen der Staatsund Regierungschefs insgesamt zustimmen, kann aber keine Details ändern. Dennoch wird das Parlament versuchen, einige wichtige Pflöcke einzuschlagen. So möchte es beispielsweise, dass die Auszahlung der EU-Fördergelder an einen Mitgliedstaat bei einer Missachtung des Rechtsstaatsprinzips ausgesetzt werden kann. Mit dem Haushaltskompromiss der Staats- und Regierungschefs als Grundlage werden zudem die inhaltlichen Details der verschiedenen EU-Förderprogramme in Verhandlungen zwischen Rat und EU-Parlament festgelegt. Aus Sicht der Caritas ist besonders wichtig, dass die weiteren Verhandlungen nun zügig zum Abschluss kommen, damit für die Projektträger keine Förderlücke entsteht. Die EU-Vertretung der Caritas wird diesen Prozess weiterhin eng begleiten.
Anmerkungen
1. Alle Angaben in diesem Artikel sind in Preisen von 2018 ausgewiesen.
2. Das Positionspapier ist unter dem Kurzlink abrufbar: https://bit.ly/3izLP1L
3. Siehe https://bit.ly/2H1mdge
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