Schulden beim Jobcenter
Die Hauptursache für Überschuldung von Menschen im erwerbsfähigen Alter ist Arbeitslosigkeit.1 Gleichzeitig sind Schulden ein gewichtiges Vermittlungshemmnis bei der Suche nach Arbeit. Haben die Betroffenen Schulden beim Jobcenter beziehungsweise bei der Bundesagentur für Arbeit (BA), kann sich die Schuldenregulierung im Rahmen einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung mitunter sehr schwierig gestalten.
Ansprüche der Jobcenter beziehungsweise der BA dürfen nach dem Gesetz erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Im Rahmen der Prüfung der Unbilligkeit muss die BA die Interessen umfassend abwägen. Eine Abfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) zeigt jedoch, dass dies in vielen Fällen nicht geschieht: Die Schuldner(innen) oder Schuldnerberatungsstellen erhalten entweder überhaupt keine Antwort auf Erlassanträge oder lediglich eine Ablehnung durch ein Standardschreiben ohne weitere Begründung oder nur mit dem pauschalen Verweis auf die Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung. Oft wird lediglich auf eine Vielzahl von Gläubiger(inne)n (unter anderem GEZ, Finanzverwaltung, Bank) verwiesen, weshalb die BA ohne eigene Ermessensprüfung des Antrags davon ausgeht, dass es zu keiner außergerichtlichen Schuldenbereinigung kommen wird. Auch in Fällen, in denen die Schuldner(innen) trotz einer langfristig ungünstigen ökonomischen Prognose (fehlende Berufsausbildung, alleinerziehender Elternteil, unpfändbares Einkommen, gesundheitliche Einschränkungen) Einmalzahlungen oder Kleinstraten anbieten, kommen außergerichtliche Einigungen ohne Begründung nicht zustande und Zustimmungen müssen durch das Gericht ersetzt beziehungsweise Insolvenzverfahren eröffnet werden. Es kommt vor, dass die BA darum bittet, von weiteren Erlassanträgen abzusehen, und ankündigt, auf diese nicht mehr zu antworten. Besonders ist aufgefallen, dass die Sachbearbeiter(innen) häufig wechseln. So wird beispielsweise die Korrespondenz in einer Angelegenheit von bis zu vier Bearbeiter(inne)n unterzeichnet.
Keine gütlichen Einigungen
Auch in gerichtlichen Verfahren scheitern gütliche Einigungen über Schulden bei den Jobcentern oft. Erst kürzlich berichtete der Präsident des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt, Michael Fock, dass neue Regeln für die Jobcenter aus Sicht der Landessozialgerichte eine gütliche Einigung bei Streitigkeiten über Hartz-IV-Leistungen erschwerten, da die Prozessbevollmächtigten der Jobcenter nur noch eingeschränkt Vergleiche abschließen dürften. Sie müssten sich zuerst mit ihren Vorgesetzten beraten, statt einem ausgehandelten Vergleich noch im Gerichtssaal zuzustimmen. Viele Vergleiche kämen deshalb überhaupt nicht zustande.2
Überschuldung führt zu Armut und sozialer Ausgrenzung und kann gesundheitliche und psychische Probleme verursachen. Zudem können Schulden dazu führen, dass der Anreiz, den Grundsicherungsbezug durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu verlassen, vermindert wird. Es ist daher wichtig, den Betroffenen Wege aus der Überschuldung aufzuzeigen – gerichtlich wie außergerichtlich. Wird auf außergerichtliche Einigungsversuche nicht oder nur pauschal geantwortet, ist dies für die Schuldner(innen) und die Schuldnerberatung kontraproduktiv, verursacht zusätzliche Kosten und einen erhöhten Arbeitsaufwand. In vielen Fällen wäre ein gerichtliches Insolvenzverfahren vermeidbar.
Die BA muss daher zukünftig die Vorteile einer Entschuldung im Rahmen einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung und den Anreiz, den Grundsicherungsbezug zu verlassen, bei der Prüfung eines Anspruchserlasses stärker berücksichtigen. Außerdem muss sie ihre Ermessensentscheidung für die Schuldner(innen) transparent machen.
Anmerkungen
1. Fünfter Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Seite 489.
2. Bericht von beck-aktuell: Michael Fock vor einer Tagung der Präsidenten der Landessozialgerichte am 20. Mai 2019 ( siehe https://bit.ly/2RmHLVX ).
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