Plattformen ja, aber welche?
Die Begriffe Plattform und Plattformökonomie sind schon seit längerem in aller Munde. Die damit zusammenhängenden Fragen werden derzeit auch in vielen Gremien des Deutschen Caritasverbandes und in vielen örtlichen Caritasverbänden diskutiert.
Die Diskussion beginnt oft mit der Frage, was überhaupt eine Plattform ist. Der Begriff wird zwar oft verwendet, ist aber nicht eindeutig definiert und wird in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich genutzt. Eine Plattform ist dem Wortsinn nach erstmal ein Unterbau. Digitale Plattformen stellen eine Basis, eine Infrastruktur zur Verfügung zum Austausch von Informationen oder zur Abwicklung von Transaktionen.
Solche Plattformen setzen sich zunehmend durch und verlagern klassische Wege des Austauschs von Informationen und insbesondere von Waren mehr und mehr ins Internet. Während der Austausch von Waren früher auf analogen Marktplätzen mit einem begrenzten Angebot erfolgte, das für die Kund(inn)en vor Ort zur Auswahl stand, erfolgt dies heute vielfach auf digitalen Marktplätzen im Internet. Als Plattformen bringen sie Anbieter und Nutzer zusammen und können im Gegensatz zu den realen Marktplätzen jederzeit und von überall aus besucht werden.
Es gibt mittlerweile ein breites Angebot digitaler Plattformen. Als Nutzer haben wir uns daran gewöhnt, über das Internet zu jeder Zeit entsprechende Informationen abzurufen und die meisten Leistungen mit wenigen Klicks direkt zu buchen. Plattformen versprechen dem Nutzer Orientierung in dem oft unübersichtlichen Angebot. Sie sortieren und bewerten die Angebote und erleichtern so die Auswahl. Sie bieten durch die unmittelbare, insbesondere auch preisliche Vergleichbarkeit von Angeboten Transparenz und mit Bewertungen von anderen Nutzern auch Empfehlungen. Je mehr Angebote auf einer Plattform zur Verfügung stehen und je mehr Bewertungen vorhanden sind, umso interessanter sind diese für Nutzer. Dies natürlich mit dem Vorbehalt, dass man bei den wenigsten Plattformen erkennen kann, nach welchen Kriterien sich dort Anbieter präsentieren können und welche vom Betreiber der Plattform ausgeschlossen werden, weil sie möglicherweise mit dessen Konzept nicht übereinstimmen oder schlicht dem Betreiber weniger zahlen wollen, als dieser verlangt. Auch die Glaubwürdigkeit von Bewertungen ist oft nur eingeschränkt, da diese mit überschaubarem Aufwand manipuliert werden können.
Die Caritas kann sich der Entwicklung nicht entziehen
Plattformen sind für die Nutzer(innen) in vielen Fragen mittlerweile normal geworden. Entsprechend stellt sich für die Caritas nicht die Frage, ob für die Angebote und Leistungen Plattformen genutzt werden, sondern welche, und wann und wie sie sich darauf vorbereiten muss. Auch wenn man der Plattformökonomie mit dem damit einhergehenden Wettbewerbs- und Preisdruck und der Verdrängung des stationären Handels kritisch gegenübersteht, wird sich die Caritas mit ihren Arbeitsbereichen dieser Entwicklung, selbst wenn sie das wollte, nicht dauerhaft entziehen können.
Digitale Plattformen sind auch für die Caritas nichts gänzlich Neues. Die Caritas-Jobbörse und andere Jobbörsen im Internet sind digitale Plattformen, die selbstverständlich genutzt werden und sich bewährt haben. Alle Caritasverbände präsentieren ihre Angebote und Leistungen im Internet und bieten hierüber Kontaktmöglichkeiten an. Das bleibt fast immer hinter den auf Plattformen üblichen Buchungsmöglichkeiten zurück und bietet für die Nutzer(innen) auch nur die Übersicht über die Dienste eines Anbieters, nämlich des jeweiligen Caritasverbandes. Es gibt aber auch bereits Caritasverbände, die mit Onlineshops arbeiten oder online Termine vereinbaren.
Oft gibt es gegen die Nutzung von digitalen Plattformen noch Vorbehalte, und die Erforderlichkeit, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wird teilweise infrage gestellt. Das Altenheim hat eine lange Warteliste und der ohnehin schlecht finanzierte Beratungsdienst hat schon genug Klient(inn)en. Es ist tatsächlich so, dass der aktuelle Nutzen der Bewerbung der Leistungen auf digitalen Plattformen je nach Aufgabenbereich und auch örtlich deutlich variieren kann. Es gibt aber auch Altenheime, die weit weg von einer Vollauslastung sind und zahlreiche Dienste der Caritasverbände können theoretisch beliebig wachsen, wie zum Beispiel die ambulante Pflege, Essen auf Rädern, Hausnotruf und viele weitere.
Vorbereitet sein, falls gesetzliche Regelungen kommen
Auch in den Diensten, in denen es aktuell noch keine Auslastungsschwierigkeiten gibt, wäre es ein Fehler, sich darauf zurückzuziehen und zu erwarten, dass dies immer so bleiben wird. Wir können heute in keinem Bereich sicher vorhersehen, wie sich der Bedarf und die Wettbewerbssituation entwickeln werden. Ganz zu schweigen von gesetzlichen Regulierungen, die die Rahmenbedingungen jederzeit kurzfristig ändern können, wie wir es insbesondere in der Pflege in den vergangenen Jahren immer wieder erleben mussten. Allein schon deshalb sollten wir darauf vorbereitet sein, die Leistungen auch auf digitalen Plattformen anbieten zu können, wenn auch vielleicht noch nicht für alle Aufgabenfelder und an jedem Ort. Auch wenn das Angebot an sozialen Dienstleistungen derzeit auf Plattformen noch überschaubar ist, gibt es bereits Ansätze hierzu wie betreut.de, ein Ableger des amerikanischen care.com. Dort werden zum Beispiel hauswirtschaftliche Leistungen online vermarktet, wie sie auch in den Caritas-Pflegestationen angeboten werden. Es ist letztlich eine Frage der Zeit, wann sich auch andere große Internetfirmen wie Google oder Amazon dieser wachsenden Märkte annehmen. Wir werden diese Entwicklung nicht aufhalten, und die Nutzer(innen) unserer Leistungen beziehungsweise deren Angehörige sind zunehmend daran gewöhnt, ihre Fragen und ihren Bedarf nach Produkten und Dienstleistungen schnell und unkompliziert über das Internet abzuwickeln.
Hinzu kommen staatliche Onlineportale und gesetzliche Vorgaben, die dazu führen, dass Caritas-Angebote digital in staatlichen Plattformen zu finden sind, ob wir das wollen oder nicht. Dies ist in vielen Kommunen bereits bei Kindertagesstätten der Fall. Alle pflegerischen Angebote sind auf den Seiten der Kranken- und Pflegekassen zu finden, und das Land Nordrhein-Westfalen hat gerade festgelegt, dass alle Altenheime künftig täglich ihre freien Betten digital an das Land melden müssen. Diese Informationen werden in einem Landesportal bereitgestellt. Ähnliche Entwicklungen wird in den nächsten zwei bis drei Jahren das Onlinezugangsgesetz bringen, das die Länder dazu verpflichtet, Leistungen der Daseinsvorsorge digital verfügbar zu machen.
Mehrere Plattformen für unterschiedliche Anforderungen
Digitale Plattformen, auf denen wir unsere Leistungen anbieten, werden unausweichlich relevant werden, sei es, dass wir gesetzlich gezwungen sind, dass sie für die Auslastung der Einrichtungen nützlich sind, oder dass wir nicht mehr umhinkommen, weil sich der Anspruch der Nutzer(innen) und der Markt entsprechend entwickeln. Es wird auch nicht die "eine" Plattform geben, auf der sich die Caritasverbände darstellen, sondern eher mehrere Plattformen mit unterschiedlichen Anforderungen und Ausrichtungen.
Um hierfür gut aufgestellt und auf einer Plattform im direkten Vergleich mit anderen Anbietern wettbewerbsfähig zu sein, müssen sich die Caritasverbände plattformfähig machen, das heißt, sich in die Lage versetzen, die Leistungen auch online anbieten zu können. Das wird nicht von heute auf morgen in allen Aufgabenbereichen zeitgleich geschehen können und müssen. Es wird aber auch einiges an Arbeit und Zeit brauchen, um die Prozesse und Datenmodelle nach und nach anzupassen, so dass ein Angebot digital verfügbar und gegebenenfalls sogar buchbar wird. Viele Angebote sind noch gänzlich analog. Auf die Caritasverbände kommt damit viel Arbeit zu. Auch die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter(innen) werden sich ändern.
Mit diesen Herausforderungen dürften viele Caritasverbände alleine überfordert sein. Es ist daher dringend notwendig, diese Fragen in der Caritas anzugehen und die anstehenden Fragen ebenso wie zum Beispiel die Entwicklung von Lösungsansätzen für Datenstandards, Prozessanpassungen, Beratung bei Umstellungsprozessen gemeinsam in der verbandlichen Caritas zu bearbeiten, zu koordinieren und Synergien zu nutzen.
Die Caritas ist mit ihrem fachlichen Know-how, der Dienstleistungsqualität und dem breiten Leistungsangebot sehr gut aufgestellt. Wir müssen nun bereit sein, dies in das digitale Zeitalter zu überführen und die erforderlichen Änderungen anzugehen.
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