Streitfall Risikozuschlag
Durch immer enger werdende finanzielle Spielräume der sozialen Unternehmen gewinnt die Frage nach einem Risikozuschlag bei Entgeltverhandlungen zunehmend an Bedeutung. Ein Diskussionspapier des Referats Sozialwirtschaft des Deutschen Caritasverbandes setzt sich mit der Frage nach einer angemessenen Gestaltung und Höhe des Risikozuschlags auseinander und leitet Empfehlungen für die Verhandlungspraxis ab.1
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stellte bereits im Jahr 2009 klar, dass sich die Entgelte der Pflegeheime und -dienste auch unter Wettbewerb nicht nur an der marktüblichen Vergütung, sondern auch an den voraussichtlichen Gestehungskosten "unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos" orientieren sollen (siehe BSG-Urteile vom 29. Januar 2009, zum Beispiel B 3 P 7/08 R). Diese Auffassung wurde durch das richtungsweisende BSG-Urteil vom 16. Mai 2013 (B 3 P 2/12 R) bestätigt.
Die in der Rechtsprechung bereits vor Jahren formulierten Grundsätze wurden im Zuge des Dritten Pflegestärkungsgesetzes (PSG III) ins SGB XI aufgenommen (§ 84 Abs. 2 Satz 4 und § 89 Abs. 1 Satz 3). Seit dem 1. Januar 2017 gehört der Risikozuschlag gesetzlich zu den Bestandteilen einer leistungsgerechten Vergütung. Der Risikobegriff bezieht sich im Gesetz auf die allgemeinen unternehmerischen Wagnisse, die "als Folge eines Überangebotes am Markt, von unwirtschaftlichem Verhalten, infolge eines unzureichenden Leistungsangebots oder wegen eigener unternehmerischer Fehlentscheidungen" entstehen.2 Mit der ausdrücklichen Aufnahme ins Gesetz hat der Gesetzgeber klargestellt, dass dem Einrichtungsträger eine Gewinnchance zusteht und seine unternehmerischen Wagnisse berücksichtigt werden sollen.3 Laut Gesetzesbegründung gilt dies für alle Einrichtungsbetreiber, unabhängig, ob sie in freigemeinnütziger, privater oder öffentlicher Trägerschaft sind.
Problematisch bleibt jedoch, dass es keine konkreten Bemessungsvorgaben für den Risikozuschlag gibt - weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung. Der Gesetzgeber hat dies der Aushandlung der Vertragspartner beziehungsweise im Streitfall der Entscheidung der Schiedsstelle überlassen. Das BSG gibt lediglich einen Hinweis zur Bemessung des Risikozuschlags. Deshalb ist der Risikozuschlag häufiger Streitpunkt bei den Pflegesatzverhandlungen und wurde oft zum Gegenstand von Schiedsverfahren und Gerichtsprozessen. In Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen konnte ein Risikozuschlag seitens der Leistungserbringer vor der Schiedsstelle durchgesetzt werden. Die Handhabung der Schiedsstellen unterscheidet sich hinsichtlich der Höhe und Gestaltung des Zuschlags. In der Praxis kommen sowohl der pauschale Zuschlag als auch die Auslastungsquote infrage, auch eine Kombination aus beiden ist möglich.
Die Zuschlagshöhe kann normativ (zum Beispiel in Orientierung an die Verzugszinsen nach § 44 Abs. 1 SGB I) oder empirisch abgeleitet werden. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird die marktübliche Umsatzrendite als ein geeigneter Orientierungsmaßstab für die Marktrisiken angesehen. Für die Marktrendite als Referenzwert spricht die Tatsache, dass die allgemeinen unternehmerischen Risiken, die durch den Risikozuschlag abgegolten werden, zu einem großen Teil von der Entwicklung am Markt abhängig sind. Um die Angemessenheit eines Risikozuschlags argumentativ stärker zu untermauern, können Referenzwerte auf Basis anderer zuverlässiger und repräsentativer Daten herangezogen werden. Dabei können besondere branchenspezifische Risiken (Personal- und Auslastungsproblematik) stärker fokussiert werden, ohne jedoch die Gesamtrisiken außer Acht zu lassen.
Anmerkungen
1. Die komplette Studie ist unter dem folgenden Link abrufbar: www.caritas.de/diecaritas/deutschercaritasverband/verbandszentrale/arbeitsbereiche/sozialwirtschaft/sozialwirtschaft
2. Siehe Deutscher Bundestag 2016, Drucksache 18/10510.
3. Ebd.
Institutionelle Spiritualität – hölzernes Eisen oder Kern der Corporate Identity?
Organisationsethik bereichert
Über richtiges Handeln im Strafvollzug nachdenken
Ein Klettergerüst, an dem Rosen oder Efeu wachsen können
Nicht ein Deutscher wurde weggeschickt
Ersatzfreiheitsstrafen abschaffen
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}