So (schwer) kommen Familien zusammen
Für den Familiennachzug sieht das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) grundsätzlich vor, dass Lebensunterhalt und Wohnraum gesichert sind. Beim Ehegattennachzug muss der/die Nachziehende zudem deutsche Sprachkenntnisse besitzen. Dazu hat der Gesetzgeber speziell bei Flüchtlingen Ausnahmen geschaffen. Folgende Konstellationen sind zu unterscheiden:
- Ehegattennachzug zu anerkannten Flüchtlingen;
- Kindernachzug zu anerkannten Flüchtlingen;
- Elternnachzug zu anerkannten minderjährigen Flüchtlingen (umF);
- Geschwisternachzug beim Elternnachzug zu anerkannten minderjährigen Flüchtlingen.
Ehegattenzug und Nachzug von minderjährigen Kindern
Beim Ehegattennachzug zu anerkannten Flüchtlingen wird von der Sicherung des Lebensunterhalts, vom Nachweis des Wohnraums und vom Sprachnachweis abgesehen, wenn der Ehepartner innerhalb von drei Monaten nach Anerkennung den Visumantrag stellt. Außerdem muss es für die Familie unmöglich sein, zusammen in einem anderen außereuropäischen Staat zu leben. Zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der anerkannte Flüchtling den Antrag stellt. Wird die Frist versäumt, liegt es im Ermessen der Behörden, ob sie den Familiennachzug genehmigen. Das Gleiche gilt für den Nachzug minderjähriger Kinder.
Die nachziehenden Familienangehörigen müssen persönlich den Antrag bei der für sie zuständigen Auslandsvertretung stellen (siehe dazu das Interview von Julia Liebl, S. 13 in diesem Heft). Aufgrund des häufigen Wechsels der Zuständigkeiten sollte unbedingt über die Internetseite der Deutschen Botschaft des jeweiligen Herkunftslandes eruiert werden, welche Botschaft für die Antragstellung zuständig ist. Zudem sollte die entsprechende Auslandsvertretung erklären, wie ein Termin zu erhalten ist. Der in Deutschland lebende anerkannte Flüchtling kann in der Regel über ein Online-Vergabesystem versuchen, einen Termin für die persönliche Antragstellung zu buchen. Die Wartezeiten sind unterschiedlich, reichen aber bis zu einem Jahr, manchmal sogar länger.
Für manche Herkunftsländer sind auch IOM-Familienunterstützungszentren (IOM: Internationale Organisation für Migration) bevollmächtigt, Antragsunterlagen entgegenzunehmen. Der Weg zum Nachzugsvisum im erleichterten Verfahren ist demnach:
- Antragstellung des anerkannten Flüchtlings (über die Internetseite des Auswärtigen Amtes möglich) innerhalb der Dreimonatsfrist nach Anerkennung;
- Vereinbarung eines persönlichen Vorsprachetermins für die nachziehenden Familienmitglieder bei deutscher Auslandsvertretung oder bei ermächtigter IOM-Stelle;
- Vorlage der Nachweise für die Wirksamkeit der Ehe beziehungsweise Geburtsurkunden der Kinder, ansonsten häufig die Forderung, DNA-Nachweise zu erbringen.
Wenn die nachziehenden Kinder minderjährig sind
Für die Wirksamkeit genügt eine Antragstellung während der Minderjährigkeit des Kindes beim Nachzug zu den Eltern oder zu einem Elternteil. Die Dauer des Verfahrens und zwischenzeitliche Volljährigkeit spielen keine Rolle.
Ein Problem ...
ist der Nachweis der Eheschließung. Diese richtet sich nach dem Heimatrecht, so dass bei islamischen Ländern wie Syrien zum Beispiel die Registrierung der Ehe im Register gefordert wird. Die Voraussetzungen sind je nach Land durchaus unterschiedlich.
Weiteres Problem insbesondere beim Nachzug zu syrischen Flüchtlingen:
Hier werden gültige Reisepässe verlangt, auch dann, wenn sich die nachziehenden Familienangehörigen zum Beispiel im Flüchtlingslager in der Türkei befinden. Das Auswärtige Amt besteht grundsätzlich auf der Beschaffung von syrischen Reisepässen über die syrischen Auslandsvertretungen. Dafür sind 500 Dollar pro Pass zu zahlen, die nach Beurteilung von Menschenrechtsorganisationen zur Kriegsfinanzierung der Assad-Regierung benötigt und verwendet werden.
Sofern ein Pass nicht zu bekommen ist (am Beispiel Somalia: Weil somalische Reisepässe nicht als gültige Pässe anerkannt werden), muss über die Botschaft ein Antrag auf Befreiung von der Passvorlage und auf Erteilung eines Ersatzreisedokuments gestellt werden. Über diesen entscheidet das Bundesinnenministerium beziehungsweise dessen Behörde.
Wird der Nachweis der Vaterschaft durch einen DNA-Test verlangt, so muss dies vom Kindsvater in Deutschland über eine hierzu zertifizierte Stelle (Klinik) veranlasst werden. Diese entnimmt ihm eine Probe und schickt parallel eine entsprechende Anzahl von Proberöhrchen an die Deutsche Auslandsvertretung, die das Visumsverfahren bearbeitet. Dort werden die Kinder vorgeladen, so dass der Botschaftsarzt oder die Ärztin ihnen Speichelproben entnehmen können. Die Proben werden nach Deutschland zurückgeschickt und hier begutachtet. Das Problem für die Flüchtlinge: Es ist ein sehr kostenaufwendiges Verfahren, insbesondere bei größeren Familien. Nach positiver Vaterschaftsfeststellung werden schließlich die Visa erteilt.
Ein mögliches weiteres Problem?…
Die zuständige Ausländerbehörde muss dem Familiennachzug zustimmen. Das Einverständnis ist nicht erforderlich beim Familiennachzug zu Flüchtlingen aus Syrien, wenn die fristwahrende Anzeige innerhalb der Dreimonatsfrist erfolgt ist. Für diese Fälle wurde eine Globalzustimmung gegeben.
Elternnachzug zu minderjährigen Flüchtlingen
Die grundlegende Schwierigkeit: Der anerkannte Flüchtling muss zum Zeitpunkt der Visumerteilung noch minderjährig sein. Angesichts der langen Wartezeiten bei den Auslandsvertretungen für die Antragstellung werden viele Flüchtlinge volljährig, bis die Eltern das Visum beantragen können. Im Unterschied zum Nachzug minderjähriger Kinder zu ihren Eltern kommt es hier nicht auf das Datum der Antragstellung an, sondern auf die Visumerteilung. Steht die Volljährigkeit in ganz kurzer Zeit bevor, wird das Visum für die Eltern abgelehnt.
Sofern das Visum erteilt wurde und die Eltern mit diesem Visum einreisen, ist ihnen die unverzügliche Asylantragstellung zu empfehlen. So können sie dann aufgrund der Flüchtlingsanerkennung des Kindes die Familienflüchtlingsanerkennung erhalten, ohne ein langwieriges eigenes Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Ansonsten laufen die Eltern Gefahr, dass ihre Aufenthaltserlaubnis nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes nicht mehr verlängert wird.
Ratsam ist, zunächst das Anerkennungsverfahren des Minderjährigen zu beschleunigen, eventuell durch eine Untätigkeitsklage, und dann auch das Visumverfahren für die nachzugswilligen Eltern voranzutreiben - notfalls durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim zuständigen Verwaltungsgericht Berlin. Insoweit ist an- waltliche Begleitung unbedingt zu empfehlen.
Nachzug von Geschwistern
Aktuell ein großes Problem beim Familiennachzug ist die Miteinreise von Geschwistern (voll- oder minderjährig) des als Flüchtling anerkannten Minderjährigen in Deutschland (siehe dazu Infokasten Julia Liebl, S. 16). Das Grundproblem ist hier, dass das deutsche Aufenthaltsrecht von einem absolut engen Familienbegriff ausgeht. Zu berücksichtigen sind lediglich die Eltern des hier lebenden Minderjährigen sowie die minderjährigen Kinder der hier anerkannten Eltern. Dieser enge Kernfamilienbegriff wird auf breiter Basis kritisiert, nicht zuletzt vom Hilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR.2
In den neuesten Weisungen des Auswärtigen Amtes vom 20. März 2017 wird zwar auf dieses Problem eingegangen, jedoch werden folgende Grundsätze aufgestellt:
Wenn die Eltern zu ihrem anerkannten minderjährigen Kind nachziehen dürfen, kann dem miteinreisewilligen minderjährigen Geschwisterkind ebenfalls das Visum erteilt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Eltern den Lebensunterhalt und entsprechenden Wohnraum nachweisen können. Hier wird wohl darauf gesetzt, dass sich genügend Unterstützer(innen) finden, die sich für die Sicherung des Lebensunterhalts und den Wohnraumnachweis einsetzen und (für fünf Jahre geltende) Verpflichtungserklärungen unterzeichnen. Von vornherein ausgeschlossen ist die Miteinreise der Geschwister des hier anerkannten minderjährigen Flüchtlings allerdings, wenn dieser innerhalb von 90 Tagen nach Visumerteilung für die Eltern volljährig wird. Nur im Falle einer außergewöhnlichen Härte, die familienbezogen sein muss, kann eine Ausnahme gemacht werden.
Wichtig ist es, konkret zu zeigen, wie sich die Situation des Geschwisters im Herkunftsland beziehungsweise im vorübergehenden Zufluchtstaat darstellt, wenn die Eltern oder zumindest ein Elternteil zum anerkannten Flüchtlingskind nach Deutschland ausreisen. Einsichtsfähige Botschaften haben in solchen Fällen bereits bei den Ausländerbehörden interveniert und deren Zustimmung herbeigeführt, wenn zum Beispiel im Raum stand, dass eine gerade volljährige Schwester völlig allein auf sich gestellt im Flüchtlingslager des ersten Zufluchtslandes ohne jedwede familiäre Unterstützung zurückbleiben müsste. Hier empfiehlt sich auch, humanitäre Organisationen wie den DRK-Suchdienst, UNHCR oder die Caritas um Hilfe anzugehen.
Anmerkungen
1. Da für die subsidiär Schutzberechtigten, die auch zu den international Schutzberechtigten zählen, der Familiennachzug derzeit bis März 2018 ausgesetzt ist (wobei die Union diese Aussetzung verlängern will), wird der Beitrag sich auf den Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen beschränken. Siehe zu den subsidiär Schutzberechtigten den Artikel von Tobias Mohr in diesem Heft, S. 14 ff.
2. Vergleiche UNHCR: Familienzusammenführung zu Personen mit internationalem Schutz. In: Asylmagazin Heft 4/2017, S. 132 ff. sowie UNHCR: Wer gehört zur Familie? In: Asylmagazin Heft 4/2017, S. 138 ff.
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