Drehscheiben des Engagements
Patenschaftsprojekte mit Flüchtlingen, Schülern oder Familien, Service-Learning-Angebote, Marktplätze zwischen Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen oder Engagementmöglichkeiten für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen: Dieser kleine Ausschnitt zeigt bereits, wie vielfältig die Tätigkeitsfelder von Freiwilligen-Zentren der Caritas sind. Und so verschieden die Aufgabenschwerpunkte sind, so unterschiedlich sind auch die Einsatzorte, an denen die Menschen aktiv werden. Sie wirken in lokalen Vereinen und Initiativen, in pastoralen Räumen wie Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten, in kulturellen und sozialen Einrichtungen, auf dem Gebiet der Ökologie, in Schulen oder in Einrichtungen des eigenen Verbands wie auch anderer Verbände mit. Vielerorts stehen mit den Freiwilligen-Zentren damit kompetente, in den sozialen Räumen vernetzte Strukturen zur Verfügung.
Freiwilligen-Zentren sind Anlaufstellen für engagierte beziehungsweise engagementbereite Bürger(innen).1 Sie beraten und begleiten am Engagement interessierte Personen und Unternehmen wie auch Organisationen, die mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten möchten. Als Drehscheiben des bürgerschaftlichen Engagements bieten sie Austausch, Vernetzung und Weiterbildung an, suchen nach kreativen Lösungen auf soziale Herausforderungen und entwickeln innovative Projekte. Dabei arbeiten die Freiwilligen-Zentren als "Brückenbauer", die die unterschiedlichen Logiken von Kommunalverwaltung, Unternehmen und Zivilgesellschaft zusammenführen. Zwischen örtlicher Bürgergesellschaft, Kommune, Wirtschaft und Kirche/Caritas tätig zu sein, ist das Alleinstellungsmerkmal der Freiwilligen-Zentren und ihres Verbundes im Deutschen Caritasverband (DCV).
Im Jahr 1997 begann der "Modellverbund Freiwilligen-Zentren" mit 16 Zentren in 15 Diözesen, bevor er sich nach dreijähriger Laufzeit zum "Verbund Freiwilligen-Zentren im Deutschen Caritasverband" weiterentwickelte. Wegweisend war von Anfang an die Ausrichtung der Zentren nach den Profilbereichen "Engagementberatung und Vermittlung für Freiwillige", "Forum freiwilligen Engagements" und "Werkstatt sozialer Aktionen". Später kam noch der Bereich "Beratung von Organisationen zum Management freiwilligen Engagements" hinzu.2 Mittlerweile sind 54 Freiwilligen-Zentren in 18 Diözesen sowie ein Freiwilligen-Zentrum in Österreich Mitglieder im Verbund.
Die Trägerschaften der Freiwilligen-Zentren vor Ort reichen von der diözesanen oder gemeindlichen Pastoralstelle über den örtlichen Caritasverband - allein oder in Kooperation mit anderen Wohlfahrtsverbänden - bis hin zu bunt gemischten Trägerschaften aus sozialen, bürgerschaftlichen, kirchlichen und öffentlichen Trägern.3
Von der Unser-Stiftung sowie mit Eigenmitteln des DCV wird seit der Gründung des Verbundes die Arbeit seiner Geschäftsstelle unterstützt. Ihre zentralen Aufgaben sind der Austausch der Mitglieder untereinander wie auch deren Qualifizierung, die Vernetzung mit anderen Akteuren der Engagementförderung auf Bundesebene sowie das Vertreten der Verbundspositionen inner- und außerhalb der Caritas. In diesem Jahr begeht der Verbund sein 20-jähriges Bestehen.
Offen für breites Mitwirken
Die Freiwilligen-Zentren fördern bürgerschaftliches Engagement nicht nur innerhalb des Caritasverbandes, sondern sie wirken im lokalen Raum für die gesamte Gesellschaft. Das kann naturgemäß zu Spannungen im eigenen Verband führen. Doch zur Identität der Caritas gehört ihre Rollenvielfalt im Gemeinwesen: Neben ihren Rollen als Anwältin von Klient(inn)en und als Dienstleisterin (Trägerin von Einrichtungen etc.) ist die Caritas eben auch Solidaritätsstifterin und zivilgesellschaftliche Akteurin.4
Mit seinem Zukunftsdialog 2020 stieß der DCV einen Prozess an, um gemeinsame Visionen für die Zukunft der verbandlichen Caritas zu entwickeln. Von den hierbei formulierten Wegmarken sieht eine die "Caritas als attraktives Feld der Beteiligung und des Engagements". Für ihren Anspruch, Solidaritätsstifterin und zivilgesellschaftliche Akteurin zu sein, muss die Caritas bereit sein, Mitwirkungs- und Engagementmöglichkeiten weiterzuentwickeln. Freiwilligen-Zentren sind ein Beispiel dafür, wie man mit Menschen, die an praktischer Mithilfe interessiert sind, in Kontakt kommen kann.5
Unabhängig von der Frage der wissenschaftlichen Belastbarkeit der Ergebnisse des letzten Freiwilligensurveys, die von Empirikern rege diskutiert wird, bestätigen die Zahlen eine relativ hohe Engagementbereitschaft in der Bevölkerung - auch wenn sich diese je nach Tätigkeitsfeld und Bevölkerungsgruppe stark unterscheidet.6 Dass Informations- und Kontaktstellen bei der Modernisierung und Qualifizierung der Engagementförderung eine zentrale Rolle spielten, ist unbestritten.7 Mit dem Motivwandel und den immer konkreteren Erwartungen Engagierter an ihr Einsatzfeld in den letzten Jahrzehnten wird die Notwendigkeit eines strategischen Freiwilligen-Managements aufseiten der zivilgesellschaftlichen Akteure gerade auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wahrscheinlich bleiben.8
Jahrzehnte der Erfahrung im Freiwilligen-Management
Wie wichtig professionelle Strukturen und ein gutes Freiwilligen-Management sind, zeigt in jüngster Zeit die Koordination der großen Engagementbereitschaft der Bevölkerung in der Flüchtlingshilfe. Es geht eben nicht "nur" um Beratung und Vermittlung, sondern auch um Begleitung und Qualifizierung, um Anerkennung und schließlich auch um die Verabschiedung engagierter Personen: ureigene Aufgaben der Freiwilligen-Zentren.
Den Informations- und Kontaktstellen bürgerschaftlichen Engagements wird in der fachwissenschaftlichen, fachpolitischen und innerverbandlichen Diskussion eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Gerade bei kleineren Freiwilligen-Zentren besteht jedoch teilweise eine Diskrepanz zwischen dem eigenen Selbstverständnis - nicht nur "Vermittlungsagentur", sondern "Entwicklungsagentur" bürgerschaftlichen Engagements vor Ort zu sein - und den realen Möglichkeiten. Geschuldet ist dies häufig der instabilen Ressourcenausstattung. Eine Befragung der Mitglieder des Verbunds im Jahr 2015 bestätigte, was andere Studien beziehungsweise Umfragen immer wieder gezeigt hatten: Die personelle und finanzielle Ausstattung vieler Freiwilligen-Zentren ist prekär.9
Um die Ernte bestehender erfolgreicher Arbeit wie auch innovativer Vorhaben bürgerschaftlichen Engagements endlich langfristig einfahren zu können, bedarf es dringend einer wenigstens mittel- bis langfristigen Förderung für verlässliche Strukturen, adäquate Ressourcenausstattung und professionelles Freiwilligen-Management. Ehrenamtliches Engagement ist zwar freiwillig und kostenlos, aber nicht umsonst. Daher ist die Forderung nach einer verlässlichen Sockelfinanzierung von engagementfördernden Infrastruktur-Einrichtungen aus öffentlichen Mitteln von Bund, Ländern und Kommunen - neben Eigenmitteln, Spenden und/oder weiteren Drittmitteln - auch nach 20-jährigem Bestehen des Verbundes nicht hinfällig geworden. Nötig dafür wäre ein politisches Bewusstsein für die Aufgabe, eine umfassende strategische Engagementpolitik in der Fläche aufzulegen: Damit lassen sich die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, in denen sich bürgerschaftliches Engagement dauerhaft und nachhaltig entfalten kann.
Für manche Zentren ausbaufähig ist die zum Teil auf die für Engagementförderung zuständigen Akteure begrenzte Netzwerkarbeit im lokalen Raum. Eine gute Zusammenarbeit mit der Kommunalpolitik wie auch -verwaltung ist nicht überall der Fall. Dieser beiden Akteure bedarf es aber, wenn es darum geht, bürgerschaftliches Engagement nachhaltig zu fördern.10
Im Selbstverständnis, "Entwicklungsagenturen bürgerschaftlichen Engagements" zu sein, sollten sich gerade jetzt die Freiwilligen-Zentren in (Mit-)Trägerschaft der Caritas auch klar zu engagement- und gesellschaftspolitischen Themen äußern.
Wenn nach 20 Jahren Verbund Freiwilligen-Zentren im DCV noch Aussagen der Mitglieder zu hören sind wie "Die Caritas denkt uns nicht mit" oder "Das Freiwilligen-Zentrum soll uns mal Freiwillige beschaffen", gilt es gerade im Kontext des Zukunftsdialogs Caritas 2020, die Zentren als eine Säule der Solidaritätsstiftung im eigenen Verband zu stärken und weiterzuentwickeln. Hierfür braucht es den Rückhalt in allen Gliederungsebenen.
Mit den Zukunftsperspektiven der Zentren und ihres Verbundes beschäftigt sich das 20-jährige Jubiläumsplenum des Verbundes vom 17. bis 19. Mai 2017 in Augsburg. "Engagement gestalten statt verwalten - Vielfalt bewegen" ist das Motto dieser Veranstaltung. Diese Botschaft gilt es in die Zukunft zu tragen, und zwar nachhaltig - in den Zentren selbst und in ihrem Verbund, im Caritasverband -, und immer wieder auch in die Politik hinein.
Anmerkungen
1. Vgl. Deutscher Caritasverband: Eckpunkte zum bürgerschaftlichen Engagement im Verständnis der Caritas. 2014, S. 2. Download unter www.caritas.de, Suchbegriff: Eckpunkte zum bürgerschaftlichen Engagement.
2. Vgl. Verbund Freiwilligen-Zentren im DCV: Selbstverständnis und Konzeption. 2006, S. 6 ff.
3. Vgl. Devic, R.: Familie schaffen wir nur gemeinsam - Freiwilligen-Zentren engagiert für Familien. In: Materialband Verbund Freiwilligen-Zentren, 2013, S. 14.
4. Vgl. Eckpunkte, a.?a.?O., S. 1 ff.
5. Vgl. Deutscher Caritasverband: Wegmarken im Rahmen des Zukunftsdialogs 2020. Oktober 2015, S. 12 f.
6. Vgl. Bundesfamilienministerium (BMFSFJ): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Zentrale Ergebnisse des Deutschen Freiwilligensurveys 2014. Berlin, 2016, S. 3?ff.
7. Vgl. Jakob, G.: Hoch gelobt und unzureichend gefördert. In: neue caritas Heft 1/2016, S. 13.
8. Vgl. Betterplace Lab: "Das hat richtig Spaß gemacht!" Freiwilliges Engagement in Deutschland. Studie im Auftrag der ING DiBa, 2011, S. 53.
9. Vgl. Speck, K. et al.: Freiwilligen-Agenturen in Deutschland. Springer VS, 2012, S. 199; Verbund Freiwilligen-Zentren im DCV: Befragung der Mitglieder, 2015.
10. Vgl. Speck, K. et al: a.?a.?O., S. 198.
Damit Engagement wächst: Freiwilligen-Zentren brauchen breite Basis
Zweimal versklavt
Asylbewerber von Anfang an beteiligen
Personalpolitik für Caritas-Unternehmen
Wählt Menschlichkeit
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