Damit Engagement wächst: Freiwilligen-Zentren brauchen breite Basis
Damit Engagement wächst" - so steht es auf dem Flyer des Freiwilligen-Zentrums Hamburg.1 Dort konnte ich vor einigen Jahren den Weg ins freiwillige Engagement finden. Bis heute ist mir ein gut strukturiertes Erstgespräch mit einer kompetenten (freiwilligen) Beraterin in Erinnerung. Schnell war klar, dass ich einen Einstieg im Freiwilligen-Zentrum selbst probieren konnte: Im Planungs- beziehungsweise Strategieteam des Zentrums gab es eine Fülle von Tätigkeiten, angefangen bei der Projektentwicklung einer Familienfeuerwehr, der Mitarbeit an einer Freiwilligenbörse über das Qualitätsmanagement bis hin zu Vernetzungsaktivitäten vor Ort. Von da war es nicht weit in die Steuerungsgruppe des Verbunds Freiwilligen-Zentren im Deutschen Caritasverband (DCV). Die prägende Erfahrung hier wie da: ein gutes Miteinander von beruflichen und nichtberuflichen Mitarbeiter(inne)n, eine Atmosphäre des Respekts und vor allem des Vertrauens in die Fähigkeiten der freiwilligen Mitarbeiter(innen). Es steht einem Freiwilligen-Zentrum (FWZ) gut zu Gesicht, wenn sein Leitungsteam selbst Erfahrungen mit Freiwilligkeit hat. Der Verbund praktiziert dies, indem dort explizit auch Freiwillige
Sitz und Stimme in der Steuerungsgruppe bekommen.
Wie in jeder Organisation, die mit Freiwilligen arbeitet, gibt es einige wichtige Anforderungen, die eingehalten werden sollten: Einarbeitung in die Tätigkeit und anschließende Begleitung, Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote, klare Absprachen über die Aufgaben, Reflexionsgespräche, passende Anerkennungsformate, ebenso die Erstattung von Auslagen oder Versicherungsschutz. Und: "Beschäftigungsverhältnisse" sollten auch angemessen beendet werden können, etwa mit einem Tätigkeitsnachweis.
Qualitätsmerkmale von Freiwilligen-Zentren
Mindestanforderungen oder besser Qualitätssiegel für gute Freiwilligen-Zentren sind inzwischen weit verbreitet. Bekannt ist das durchaus anspruchsvolle Qualitätssiegel der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (Bagfa)2. Hingewiesen sei beispielhaft auf die Qualitätsmerkmale der Freiwilligen-Agenturen in Hamburg, die sich in einer Landesarbeitsgemeinschaft im Rahmen des sogenannten Aktivoli-Landesnetzwerkes3 zusammengeschlossen haben. Indikatoren für Qualität sind beispielsweise Öffnungszeiten und Erreichbarkeit, Information und Beratung von Freiwilligen, Auswertung und Dokumentation der Beratung, Mindestausstattung (Büroraum, EDV), Information und Beratung von Organisationen, Begleitung und Kontaktpflege, Personal- und Kompetenzentwicklung der Freiwilligenagentur (Teamsitzungen, Anerkennungskultur, Weiterbildung, Mitarbeitergespräche), Arbeitsstrukturen wie Jahresplanung und schließlich Öffentlichkeitsarbeit und Internetpräsenz.
Der Verbund hat sich viele dieser Qualitätsanforderungen von Anfang an in seiner Konzeption zu eigen gemacht. Man war sich immer der Tatsache bewusst, dass geeignete Ressourcen unerlässlich sind. Neben den Sachmitteln und Räumlichkeiten sind dies Personalanforderungen ebenso wie ein auskömmliches Budget und funktionierende Trägerstrukturen. Gelingt es, in einer oftmals gemischten Trägerstruktur eine finanzielle Mindestausstattung zu sichern, die Nachhaltigkeit und Wirksamkeit überhaupt erst ermöglicht, oder muss sich ein FWZ von Projekt zu Projekt hangeln, um zu überleben?
Der Rahmen muss stimmen
An dieser Stelle kommen die Rahmenbedingungen ins Spiel. In einer Stadt, einer Kommune, einem Wohlfahrtsverband muss ein Verständnis für die infrastrukturellen Voraussetzungen gelingenden bürgerschaftlichen Engagements vorhanden sein. Nicht zuletzt die FWZ haben dazu beigetragen, dass sich hier sehr viel getan hat. Zahlreiche Netzwerke wurden gegründet, Chartas für bürgerschaftliches Engagement sind geschrieben worden, Eckpunktepapiere wie etwa auch im DCV.4 Auch die Anerkennungskultur ist viel breiter geworden, es gibt Wettbewerbe und Auszeichnungen an vielen Orten. Die Engagementquoten sind gestiegen, die Professionalisierung hat zugenommen, es gibt Freiwilligen- oder Ehrenamtsakademien ebenso wie Ehrenamtsstrategien. Infrastruktureinrichtungen wie die FWZ sind erste Anlaufstellen für Menschen, die ein Engagement suchen. Sie müssen sichtbar und für alle da sein, so wie Schulen, Straßen und Krankenhäuser für alle da sind. Und die Verbünde selber müssen sich vernetzen, mit anderen kooperieren. Ihre Kernaufgabe ist es, immer auch auf die Belange des Engagements und der Freiwilligen zu verweisen.
Gute Rahmenbedingungen für Freiwilligen-Zentren bedeuten nicht nur, dass sie vor Ort, in der Zivilgesellschaft, in der Kommune, in Wirtschaft und Kirche vernetzt sind. Es ist auch gut, Orte der Selbstvergewisserung und der eigenen Verankerung zu haben. Im Verbund der Freiwilligen-Zentren im DCV wird dies gelebt. Die jährlichen Mitgliederversammlungen und Plenen sind Orte des Austauschs, des Voneinander-Lernens, der Kommunikation und der Positionsklärung.
20 Jahre nach dem Gründungsboom sind die FWZ etablierte Akteure in einer inzwischen stark gewachsenen und leider auch stark zersplitterten Engagementlandschaft. Aber: Die Finanzausstattung und die personellen Ressourcen vieler Zentren sind nach wie vor prekär. Einiges ist immer noch am Anfang, eine dem Anspruch angemessene Institutionalisierung wurde noch nicht umgesetzt. Eine sinnvolle und schon lange geforderte Sockelförderung für engagementstützende Infrastrukturen steht immer noch aus. Überforderungen, geringe Nachhaltigkeit, das Steckenbleiben in zwar sinnvollen und beeindruckenden, aber zu kleinen Projekten sind an der Tagesordnung. So ist es mangels Ressourcen oft nicht möglich, Freiwillige so wie eingangs geschildert mit ins Boot zu holen. Für diese ureigene Aufgabe der FWZ fehlt mancherorts die Zeit.
Die Spannungsfelder in den Trägerschaftsstrukturen können exemplarisch an denen der Freiwilligen-Zentren im Verbund gezeigt werden. Die Zentren brauchen starke Rückendeckung, sowohl von den örtlichen Trägern als auch dem Caritasverband und gegebenenfalls den anderen Trägern und der Kommune. Und sie brauchen das "Commitment", das Bekenntnis und die Verpflichtung seitens des eigenen Wohlfahrtsverbandes. Auch hier ist viel geschehen in den vergangenen Jahren. Aber es ist auch festzustellen, dass der Ökonomisierungs- und Nutzendruck eines Wohlfahrtsverbandes kleine Zentren durchaus existenziell in Gefahr bringen kann. Sie erwirtschaften keine Finanzmittel und sie sind einfachen Controlling-Anforderungen nur schlecht zugänglich. Die Wirkungsweise eines FWZ bemisst sich nicht an Vermittlungszahlen. Freiwilligen-Zentren sind keine Job-Börsen, sondern Entwicklungs- und Netzwerkagenturen. Der Gewinn an Glaubwürdigkeit als Solidaritätsstifter in der Zivilgesellschaft ist oftmals nicht in Zahlen zu ermitteln und schwer aus der Sonntagsrede in die Budgetverhandlungen zu transportieren.
Wachstum für eine nachhaltige Zukunft
Nach 20 Jahren ist ein neuer Aufbruch notwendig und wünschenswert. Dass bürgerschaftliches und freiwilliges Engagement lebensnotwendig sind, dass eine starke Zivilgesellschaft unerlässlich für eine lebendige Demokratie ist, zeigen die aktuellen Geschehnisse in der Welt eindrücklich. Auch die
dramatischen demografischen Herausforderungen haben dies schon längst klar gemacht.
Die Freiwilligen-Zentren im Verbund der Caritas haben in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, was sie leisten können. Aber die geschilderten Gefahren zeigen, dass jetzt eine neue Wachstumsstrategie auf die Agenda muss. Es gilt, die Zentren zu stärken, sie größer, bekannter zu machen, auf eine nachhaltigere Basis zu stellen. Erst dann können sie wirksamer werden, zum Motor und Gestalter einer Bewegung und Entwicklung. Nur so können sie aus dem Teufelskreis der strukturellen Überforderung herauskommen und zur Drehscheibe und lebendigen Plattform in der Zivilgesellschaft werden. Die Zukunft kann nicht darin bestehen, Kleinstproduzent sozialer Projekte zu sein und wie die Feuerwehr kleine Brandherde zu löschen. Der Trialog zwischen Staat, Kommune, Wirtschaft und Zivilgesellschaft (die Kirchen eingeschlossen) muss aktiv geführt werden, er braucht Antreiber, Moderatoren, Multiplikatoren. Ein produktives Wachstum braucht eine Strategie, braucht Ressourcen, ein gehöriges Maß an Qualifizierung und Weiterbildung sowie ein klares Bekenntnis.
Anmerkungen
1. www.freiwilligen-zentrum-hamburg.de
2. www.bagfa.de
3. Das Aktivoli-Landesnetzwerk setzt sich für bürgerschaftliches Engagement in Hamburg ein. Siehe auch www.hamburg.de/freiwilligenstrategie-2020
4. http://bit.ly/2ox1Op3
Links
- www.freiwilligen-zentren.de
- www.b-b-e.de
Drehscheiben des Engagements
Zweimal versklavt
Asylbewerber von Anfang an beteiligen
Personalpolitik für Caritas-Unternehmen
Wählt Menschlichkeit
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