Stuttgart reagiert auf Bedürfnisse wohnungsloser Frauen
In Stuttgart begann der Aufbau des Hilfesystems für wohnungslose Frauen in den 1980er Jahren. Frauen ohne eigene Wohnung wurden damals in den Angeboten der Wohnungsnotfallhilfe (damals noch Nichtsesshaftenhilfe genannt) verstärkt sichtbar.
Die herkömmlichen Angebote konnten die Bedürfnisse der hilfesuchenden Frauen nicht befriedigen. Sie wurden ihnen nicht gerecht. 1980 entstand das erste frauenspezifische Angebot, ein Selbsthilfeprojekt für wohnungslose und arbeitslose Frauen, die Arbeiterinnenselbsthilfe. Über viele Jahre hinweg trieb der Arbeitskreis (AK) Frauen, ein Gremium engagierter Fachfrauen, den Aufbau und Ausbau eines qualifizierten frauenspezifischen Hilfesystems voran.
Wesentliche Merkmale des geforderten frauenspezifischen Hilfesystems waren die Entwicklung von Standards in den Unterkunftsmöglichkeiten und in der Beratungssituation, um den spezifischen Merkmalen weiblicher Wohnungslosigkeit gerecht zu werden.
Hilfesystem ist überlastet
Heute gibt es ein gut ausgebautes und differenziertes Hilfesystem verschiedener Träger: Es gibt Angebote mit einer engmaschigen Betreuung, niedrigschwellige Angebote, einen Tagesaufenthalt für Frauen und Beratungsstellen. Aktuell gibt es 220 Plätze in den frauenspezifischen Wohnangeboten. Allerdings ist vor dem Hintergrund der aktuellen Wohnungsnot in Stuttgart das gesamte Hilfesystem überlastet, dies gilt ganz besonders für die frauenspezifischen Angebote.
Der Weg in die Wohnungslosigkeit hat für Frauen viele Gründe:
Zumeist ist Gewalt in der Partnerschaft oder in der Herkunftsfamilie der Auslöser für den "Auszug ohne Kündigung". Diese Art von Wohnungsverlust ist in der Regel gekoppelt mit einer mangelnden finanziellen und wirtschaftlichen Absicherung. Ein fehlendes soziales Netz und Scham aufgrund des Scheiterns begleiten häufig die Frauen bei ihren künftigen Versuchen, den Verlust der Wohnung zu verbergen und zu kompensieren.
Oft werden jahrelang private Lösungen, zum Beispiel "Unterschlupflösungen" bei Bekannten, gesucht, die aber nicht selten eher eine Art Mietprostitution darstellen. Häusliche und auch sexuelle Gewalt und Missbrauch prägen daher oft die Lebenslagen wohnungsloser Frauen. Krankheiten, Depressionen, Sucht und psychische Erkrankungen sind häufig die Folge der schwer belasteten und oft aussichtslosen Lebenssituation in Wohnungslosigkeit und extremer Armut. Wenn die Frauen dann im Hilfesystem auftauchen, haben sich meist die Problemlagen stark verfestigt. Viele haben ihre Kinder an Institutionen, an die Herkunftsfamilie oder den ehemaligen Partner verloren. Für viele wohnungslose Frauen ist dies ein lebenslanger Schmerz.
Was sagen die Zahlen?
In Stuttgart sind jährlich etwa 1400 Frauen im Hilfesystem, das sind etwa 23 Prozent aller Wohnungslosen in der Stadt. Allerdings sind die offiziellen Zahlen nur die Spitze des Eisbergs: Neben den gezählten Frauen, die sich Hilfe holen, gibt es unzählige Frauen, die am Rande ihrer Existenz leben. Sie verschweigen ihre Notlage aus Scham oder Unkenntnis darüber, wo sie Hilfe holen können.
Insgesamt sind die Zahlen bundesweit seit Jahren leicht steigend. Ein großer Zuwachs ist vor allem bei den jungen Frauen zu verzeichnen. Viele dieser jungen Frauen haben ihr bisheriges Leben als sehr krisenhaft erlebt. Der Traum von einem selbstständigen Leben, Ausbildung, Beruf, eigener Wohnung und Familie ist für sie in ganz weiter Ferne und scheint oft kaum mehr erreichbar.
Die Frauenpension sichert das Wohnen
Der Bereich "Armut, Wohnungsnot und Schulden" des Caritasverbandes für Stuttgart hat ein eigenes Angebot für wohnungslose Frauen. Kernstück des Fachdienstes Hilfen für Frauen ist die Frauenpension, ein niedrigschwelliges und zugleich qualifiziertes Angebot für Frauen ab 18 Jahren. Diese gibt es seit 20 Jahren. In ihr können 54 wohnungslose Frauen vorübergehend wohnen, bis sich eine geeignete Alternative findet. Zwei Merkmale bestimmen die Arbeit in der Einrichtung, die absolute Niedrigschwelligkeit im Zugang und im Verbleib und das Vorhalten des Betreuungsangebotes.
Für junge Frauen zwischen 16 und 18 Jahren sind zwei Plätze im Unterschlupf für Mädchen vorgehalten. Fünf Plätze der Einrichtung sind Plätze im Rahmen der Eingliederungshilfe für psychisch kranke wohnungslose Frauen.
Niedrigschwellig heißt, dass nahezu jede Frau einziehen kann, außer es liegt eine aktuelle Unfähigkeit vor, sich selbst versorgen zu können. Ein kurz zurückliegendes Hausverbot ist der zweite Ausschlussgrund. Wenn sich die neue Bewohnerin in groben Zügen an die Hausordnung halten kann, ist ihr Wohnen gesichert.
Ob, zu welchem Zweck und in welchem Umfang sie Unterstützung annimmt oder annehmen kann, entscheidet die Bewohnerin selbst. Dieser offene Rahmen der Einrichtung mit dem Ansatz, die wohnungslose Frau erstmals zur Ruhe kommen zu lassen, aber gleichzeitig ein sehr qualifiziertes Unterstützungsangebot anzubieten, ermöglicht es vielen Frauen, das Angebot zu akzeptieren.
Hunde sind erlaubt
Es gibt eine Suchtsprechstunde, ein psychotherapeutisches Angebot, eine Konflikttrainerin, die hilft, den oft sehr konfliktbeladenen Alltag zu meistern, eine Rechtsberatung, ein Angebot einer Heilpraktikerin und eine vielbesuchte Malwerkstatt. Eine Kleiderkammer, ein Kiosk und Unterstützung durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen vervollständigen unser Angebot.
Tiere sind in der Einrichtung beim Einzug willkommen, auch Hunde. Für drei Frauen mit Hund gibt es in der Frauenpension je einen Platz. Allerdings dürfen nach dem Einzug keine Tiere angeschafft werden.
2015 wird die zweite Frauenpension mit 24 Plätzen eröffnet und die erste Frauenpension generalsaniert.
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