Gemeinsam besser: Kooperationen mit Gesundheits-Akteuren
Frühe Hilfen basieren auf multiprofessioneller Kooperation, um komplexen Lebenslagen von Familien sowie individuellen Wünschen und Bedarfen mit ganzheitlichen Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten zu begegnen. Hierfür sind interdisziplinäre Netzwerke von entscheidender Bedeutung.
Durch das zum 1. Januar 2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz wurde nicht nur der Begriff der Frühen Hilfen gesetzlich verankert, sondern es wurden auch verbindliche Regelungen zur Kooperation und Information im Kinderschutz getroffen. Bundesweit sollen flächendeckend Strukturen aufgebaut werden, die eine verlässliche Kooperation unterschiedlicher Leistungssysteme gewährleisten.
Um einen Einblick in die Beschaffenheit der Kooperations- und Vernetzungsstrukturen des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) im Kontext Früher Hilfen zu erhalten, führte der SkF-Gesamtverein gemeinsam mit dem Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Münster ein Forschungsprojekt durch (s. Tabelle S. 20). Im Fokus stand die Kooperation der Ortsvereine mit dem Gesundheitswesen, da das Gesundheitswesen nahezu alle Eltern in der Lebensphase Familiengründung sowie Familien mit kleinen Kindern erreicht.
Die zentrale Forschungsfrage ist, wie interdisziplinäre Kooperationsstrukturen und -beziehungen mit dem Gesundheitswesen in der Praxis Früher Hilfen aussehen und gelingen können.
Forschungsergebnisse und Interpretation für die Praxis
Ausgehend von der Forschungsfrage lässt sich feststellen, dass in den Angeboten Früher Hilfen der SkF-Ortsvereine eine Vielzahl interdisziplinärer Kooperationen bestehen. 98,5 Prozent der Ortsvereine gaben an, mit anderen Institutionen und Diensten zusammenzuarbeiten. Von den Ortsvereinen, die Angebote im Bereich der Frühen Hilfen vorhalten, kooperieren die meisten mit dem Gesundheitswesen.
Auf die Frage nach der konkreten Ausgestaltung der Kooperationen mit dem Gesundheitswesen antworteten 79?Prozent, dass es in erster Linie um (anonyme) fallspezifische Klärungen gehe, gefolgt von einem allgemeinen, fallübergreifenden fachlichen Austausch (71?Prozent). Gemeinsame Fallarbeit findet bei 37,5 Prozent der befragten SkF-Ortsvereine statt. Initiator(in) der jeweiligen Kooperation(en) eines Ortsvereins ist in 84?Prozent der Fälle eine SkF-Fachkraft.
Die Kooperationsbeziehungen basieren meist auf mündlichen Vereinbarungen (64?Prozent). Es liegen Telefonlisten der jeweiligen Ansprechpartner(innen) vor (80?Prozent); regelmäßige Treffen finden bei 68?Prozent der Kooperationen statt. Übergreifend vernetzen sich 82?Prozent der Ortsvereine an "Runden Tischen" mit dem Gesundheitswesen in ihrem lokalen Umfeld. Weit weniger bedeutsam scheinen schriftliche Kooperationsverträge oder gemeinsam entwickelte Konzepte zu sein (jeweils 16?Prozent).
Bei der Einschätzung bestehender Kooperationsstrukturen und der zur Verfügung stehenden Ressourcen wird deutlich, dass es aus Sicht der Ortsvereine eher unzureichende finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen für den Auf- und Ausbau von Kooperationsstrukturen gibt und dass die bestehenden Kooperationsbeziehungen abhängig von persönlichem Engagement sind. Dabei wird die Bedeutung der gegenseitigen Wertschätzung als eher hoch eingeschätzt.
Demzufolge sind gegenseitige Wertschätzung und ausreichende Ressourcen für die Zufriedenheit mit Kooperationsbeziehungen bedeutsamer als bestehende Strukturen wie beispielsweise gemeinsam entwickelte Konzepte.
Abschließend wurde die Frage gestellt, mit welchen Einrichtungen und Diensten sich die SkF-Ortsvereine in Zukunft eine intensivere Zusammenarbeit wünschen. Genannt wurden vor allem Einrichtungen des Gesundheitswesens (69?Prozent), aber auch Arge/Jobcenter (19?Prozent) und Frühförderstellen (26?Prozent). Insbesondere hinsichtlich des Auf- und Ausbaus von Kooperationen mit dem Gesundheitswesen scheinen die SkF-Ortsvereine also weiterführenden Beratungs- und Unterstützungsbedarf zu haben.
Im Rahmen der Onlinebefragung wurden Ortsvereine identifiziert, die entweder intensiv und gut mit Akteur(inn)en des Gesundheitswesens zusammenarbeiten, die Zusammenarbeit als mittelmäßig bewerten oder bei denen sich erhebliche Schwierigkeiten in der Kooperation abzeichnen. Mit Vertreterinnen aus den drei unterschiedlichen Kategorien der befragten Ortsvereine wurden sechs Leitfadeninterviews geführt, um Gelingensbedingungen und Hindernisse für eine Kooperation zu rekonstruieren. Hierbei ging es vor allem um einen Einblick des Forschungsprojekts in die Praxis vor Ort.
Ein gemeinsamer Sprachcode ist notwendig
In der Auswertung der Expert(inn)eninterviews zeigte sich, dass in der Praxis große Unterschiede hinsichtlich der Kooperation mit Akteur(inn)en des Gesundheitswesens erlebt werden. Beim Auf- und Ausbau interdisziplinärer Kooperationsstrukturen werden vor allem verschiedene professionsbedingte Fachbegriffe, Sprechweisen und institutionelle Handlungs-, Denk- und Orientierungsmuster als Herausforderungen gesehen: Um Missverständnissen vorzubeugen und das Zusammenwirken effektiv zu gestalten, ist es notwendig, sich auf einen gemeinsamen Sprachcode zu einigen. Definitionen, klare Absprachen sowie der Austausch allgemeiner Informationen über Inhalte, Möglichkeiten, aber auch Grenzen der jeweils eigenen Arbeit können zum Gelingen einer Kooperation beitragen. Zudem empfiehlt sich ein informelles Treffen vor der eigentlichen fachlichen Zusammenarbeit, damit alle Beteiligten einander zunächst kennenlernen können.
Auch der unterschiedliche Umgang mit zeitlichen und finanziellen Ressourcen ist relevant. Besonders der Zeitaufwand wird als entscheidend beschrieben. Dies schließt den Wunsch mit ein, dass eine Verankerung in den Arbeitsalltag gelingt und der Auf- und Ausbau von Kooperationsstrukturen nicht als Mehraufwand erlebt wird.
Hinsichtlich der Frage, wie interdisziplinäre Kooperationsstrukturen und -beziehungen mit dem Gesundheitswesen vor Ort ausgestaltet sind, geben die Expert(inn)en sehr unterschiedliche Erfahrungen wieder. Einige nehmen an regelmäßigen Arbeitskreisen teil, andere berichten von persönlichen Gesprächen oder Telefonaten sowie spontanen Besuchen im Einzelfall. Ò
Zudem erzählen vier interviewte Personen von fallübergreifender Kooperation mit regelmäßigen Kontakten zwischen den Einrichtungen. Sie berichten, dass die SkF-Ortsvereine gemeinsam mit ihren Kooperationspartner(inne)n an kommunalen Netzwerktreffen teilnehmen. Deutlich wurde, dass die Kooperationen oft wenig systematisch verlaufen, da sie häufig auf mündlichen Absprachen beruhen. Um die Nachhaltigkeit von Kooperationsbeziehungen - auch vor dem Hintergrund einer möglichen Fluktuation von Fachkräften - zu gewährleisten, sind schriftliche Vereinbarungen sinnvoll, da diese Klarheit, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit sichern können.
Insgesamt berichteten die befragten Expert(inn)en von unterschiedlichen Gefühlen in der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Akteur(inn)en. Insbesondere in der Zusammenarbeit mit den Hebammen zeigt sich die Wichtigkeit gegenseitiger Wertschätzung und eines vertrauensvollen Miteinanders. Um Vertrauen zu erarbeiten, werden in der Literatur beispielsweise das informelle Kennenlernen vor der eigentlichen fachlichen Zusammenarbeit oder wechselnde Arbeitstreffen in den einzelnen Einrichtungen empfohlen.
Ausreichende Ressourcen sind ein Muss
Bedeutsam für das Gelingen interdisziplinärer Kooperationen sind aus Sicht der befragten Fachkräfte strukturelle, allgemeine Rahmenbedingungen wie ausreichende personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen; Verfahrensweisen und Instrumente wie zum Beispiel klar strukturierte Netzwerktreffen, schriftliche Kooperationsvereinbarungen und gemeinsame Fachtagungen sowie persönliche, individuelle Faktoren (hierzu zählen etwa gegenseitige Wertschätzung, Freiwilligkeit und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit).
Sowohl die alltäglichen Arbeitsabläufe als auch Trägerstrukturen, finanzielle und personelle Ressourcen der verschiedenen Disziplinen differieren stark. Vor allem mit den Ärzt(inn)en und Kliniken vor Ort gestaltet sich die Vernetzung aus Sicht der befragten Fachkräfte schwierig. Grund hierfür kann eine Unkenntnis des jeweils anderen Systems und seiner Handlungslogik sein. Durch das Eingebundensein in ein gemeinsames Netzwerk vor Ort mit verbindlichen Strukturen könnten Informationen weitergegeben und möglicherweise vorhandene gegenseitige Vorurteile abgebaut werden, um für (werdende) Eltern und Familien mit kleinen Kindern bestmögliche und ganzheitliche Angebote vorhalten zu können.
Das Bundeskinderschutzgesetz ist ein wichtiger Schritt zu mehr Kooperationen und Netzwerkbildung, aber keine endgültige Lösung. Es fehlen Voraussetzungen zur Verankerung der Frühen Hilfen vor allem im Gesundheitswesen. Gesetzliche Regelungen für die interdisziplinäre Ausgestaltung und Finanzierung von Netzwerkarbeit sowie Abrechnungsmöglichkeiten könnten sich förderlich auf die Bereitschaft aller Akteure in den Frühen Hilfen auswirken, sich auf Kooperationen einzulassen.
Den Forschungsbericht finden Sie unter: www.skf-zentrale.de/86638.html
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