Wissen, was wirkt
Fragen nach der Wirksamkeit gewinnen in Verbindung mit dem zunehmenden Wettbewerbs- und Legitimationsdruck sowie den knapper werdenden finanziellen Mitteln stetig an Bedeutung - und zwar für alle, die am Teilhabeprozess beteiligt sind: die Betroffenen, die Leistungsträger und die Sozialunternehmen. Hinzu kommt die gesellschaftspolitische Dimension: "Untersuchungen zur Wirksamkeitsmessung beleben die Debatte über den Wert von sozialen Unternehmen", sagt Gabriele Moos, Professorin im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften am RheinAhrCampus Remagen. Bundesweite Studien seien ein Ansatz, um den tatsächlichen gesellschaftlichen Mehrwert sozialer Unternehmen zu erfassen und damit Transparenz herzustellen.
Die Josefs-Gesellschaft, ein großes katholisches Sozialunternehmen mit Schwerpunkt Behindertenhilfe, hat einen Teilhabeprozess entwickelt, in dem verschiedene Instrumente zum Messen von Wirksamkeit ineinandergreifen.
Ein Beispiel: Helmut K. ist 20 Jahre alt, durch einen Autounfall querschnittsgelähmt und damit Rollstuhlfahrer. Er hat einen Realschulabschluss und absolviert zurzeit eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement in einem Berufsbildungswerk (BBW). Helmut K. wohnt im Internat des BBW, möchte jedoch gerne mit seiner Freundin in eine gemeinsame Wohnung ziehen.
Die Leistungsplanung für Helmut K. wird mit ihm gemeinsam auf der Basis der sogenannten International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) gemacht - das ist eine Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Beschreibung des funktionalen Gesundheitszustandes und der Schwere der Behinderung. Die ICF unterscheidet zwischen den Komponenten Körperfunktionen, Körperstrukturen, Aktivitäten und Partizipation sowie Umweltfaktoren. Innerhalb dieser Komponenten sind noch einmal bestimmte Punkte hinterlegt, sogenannte Items. Sie ermöglichen eine personenzentrierte Begutachtung. Fähigkeiten, Potenziale und Barrieren werden erkannt. Ein individueller und interdisziplinärer Ansprechpartner, der "JG Case Manager" (JG für Josephs-Gesellschaft), ergründet gemeinsam mit Helmut K., mit welchen Leistungen die Josefs-Gesellschaft ihn bei der Überwindung dieser Barrieren unterstützen kann. Auf dieser Basis entsteht in Abstimmung mit dem Betroffenen die entsprechende Leistungsplanung.
Für Klaus K. ergibt sich die Barriere "Entwurf, Konstruktion sowie Bauprodukte und Technologien von privaten Gebäuden" (ICF Item e 155), die bei der Wahl der Wohnung, die für Rollstuhlfahrer geeignet sein muss, zu berücksichtigen ist. In seiner Ausbildung ist zudem aufgefallen, dass es an "Gewissenhaftigkeit bei der Bearbeitung von schriftlichen Anfragen" (ICF Item b1262) mangelt. Die entsprechende Barriere gilt es ebenfalls für das selbstständige Wohnen abzubauen.
Das primäre und übergeordnete Wirkungsziel für den/die Leistungsnehmer(in) ist in jedem Teilhabeprozess, seine/ihre Lebensqualität zu verbessern. Im Falle von Helmut K. ist es eine gemeinsame Wohnung mit seiner Freundin.
Grundsätzlich differenziert die Josefs-Gesellschaft bei der Messung der individuellen Wirksamkeit in objektive und subjektive Indikatoren: Objektive Indikatoren sind in diesem Beispiel das Erreichen des Zieles "selbstständiges Wohnen mit der Freundin" sowie der Abbau der beiden Barrieren, die diesem Ziel noch im Wege stehen. Entsprechende Stufen (zum Beispiel von 1 bis 3) für die Indikatoren beziehungsweise ICF-Items werden im Vorfeld definiert.
Subjektiver Indikator ist die Verbesserung der Lebensqualität aus der Sicht von Klaus K. Dieser wird mit Hilfe des Befragungsinstruments "Personal Outcomes Scale" (POS) überprüft, das die acht Domänen "Persönliche Entwicklung", "Selbstbestimmung", "Soziale Beziehung", "Soziale Inklusion", "Rechte", "Emotionales Wohlbefinden", "Physisches Wohlbefinden" und "Materielles Wohlbefinden" einschließt (siehe Tabelle oben).
Indikatoren erfüllt - Ziel erreicht
Die Wirksamkeit für eine Wirkungsdimension gilt nur dann als erreicht, wenn alle Wirkungsindikatoren als erfüllt bewertet werden. So können zum Beispiel bei Helmut K. zwar die drei objektiven Indikatoren durch entsprechende Schritte erreicht worden sein. Die Vorstellungen von Helmut K. zur Verbesserung seiner Lebensqualität könnten sich aber durch den Verlust der Nähe zu seinen Freunden in dem vorherigen Wohnsetting nicht erfüllt haben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, das entsprechende Ziel in der Teilhabeplanung erneut zu hinterfragen und gegebenenfalls das objektive Ziel des Paarwohnens in der Stadt anzupassen. Dieses Monitoring erfolgt in der Josefs-Gesellschaft im Regelkreis "JG Case Management", bei dem ein(e) Case Manager(in) als individuelle(r), interdisziplinäre(r) Ansprechpartner(in) die gesamte Leistungsplanung im Blick hat und sie gegebenenfalls gemeinsam mit dem betroffenen Menschen den neuen Erkenntnissen aus der Wirksamkeitsanalyse anpasst.
Mit diesem Ansatz des Nachweises der individuellen Wirksamkeit lässt sich nicht nur die Dimension der Leistungsnehmer darstellen. Auch die Dimensionen der Leistungsträger sowie die der Leistungserbringer lassen sich damit abbilden.
Literatur
Van Loon, Jos; Buchenau, Manja; Löbler, Frank; Bernshausen, Gitta: POS Personal Outcomes Scale. Individuelle Qualität des Lebens. Sozialwerk St. Georg, 2012.
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