Pflegende brauchen den Rücken frei
Mit dem Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf bessert die Bundesregierung das bestehende Familienpflegezeitgesetz nach, das vor drei Jahren in Kraft trat. Der Gesetzentwurf sieht zahlreiche Korrekturen vor, die der Deutsche Caritasverband (DCV) bei der Einführung des Gesetzes gefordert hatte. So wird die Familienpflegezeit jetzt als Rechtsanspruch ausgestaltet. Die Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeiter(inne)n sind somit nicht länger auf das Entgegenkommen ihres Arbeitgebers angewiesen, um eine Auszeit für die Pflege zu nehmen. Beschäftigte können sich nun für die Dauer von bis zu 24 Monaten für die Pflege eines nahen Angehörigen in der häuslichen Umgebung freistellen lassen und dafür ihre wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden reduzieren. Eine vollständige Freistellung von der Arbeitszeit ist im Rahmen der Familienpflegezeit jedoch nicht möglich.
Möchte ein(e) Arbeitnehmer(in) sich ganz der Pflege eines Angehörigen widmen, muss er/sie dafür nach wie vor die sogenannte Pflegezeit nutzen. Diese wurde im Jahr 2008 eingeführt und eröffnet Beschäftigten die Möglichkeit, ihre wöchentliche Arbeitszeit entweder teilweise oder vollständig zu reduzieren. Der Umfang der Arbeitszeitverringerung ist dabei ganz flexibel zwischen Arbeitnehmer(inne)n und Arbeitgebern zu vereinbaren. Die Pflegezeit kann im Unterschied zur Familienpflegezeit allerdings nur für die Dauer von bis zu sechs Monaten beansprucht werden. Die Pflegezeit sollte - anders als die sogenannte Familienpflegezeit - nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in erster Linie als Auszeit für die Pflege eines Angehörigen genutzt werden, sondern als Phase, um in Ruhe ein Arrangement für die Organisation der häuslichen Pflege eines Angehörigen treffen zu können. Die Familienpflegezeit hingegen, die im Jahr 2011 eingeführt wurde, war von Anfang an als Auszeit für die Pflege eines Angehörigen konzipiert. Aus der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden Modelle erklären sich auch die unterschiedlichen Ankündigungsfristen für die Arbeitsfreistellung. Beansprucht ein(e) Arbeitnehmer(in) Pflegezeit, kann er/sie dies gegenüber dem Arbeitgeber nach wie vor mit einer Frist von nur zehn Tagen erklären. Für die Ankündigung der Familienpflegezeit hingegen hat der Gesetzgeber eine Frist von acht Wochen anberaumt, damit der Arbeitgeber auch die Möglichkeit hat, eine Ersatzkraft für die Dauer von gegebenenfalls bis zu zwei Jahren zu suchen.
Pflegezeit und Familienpflegezeit konnten bisher nicht direkt miteinander verknüpft werden, wie von der Caritas seinerzeit gefordert. Dies ändert sich nun. Bei einer Kombination von Pflegezeit und Familienpflegezeit dürfen 24 Monate als Höchstdauer für die Inanspruchnahme nicht überschritten werden. Auf diese Weise können Beschäftigte flexibel zwischen einer Reduzierung der Arbeitszeit im Rahmen der Familienpflegezeit und einer gegebenenfalls vollständigen Freistellung von der Arbeitszeit im Rahmen der Pflegezeit wählen. Weil der Anspruch auf Pflegezeit auf sechs Monate begrenzt ist, erstreckt sich diese Möglichkeit der völligen Freistellung allerdings auch nur auf diesen Zeitraum.
Pflege- und Familienpflegezeit sind nun kombinierbar
Zu beachten ist, dass die Familienpflegezeit pro pflegebedürftigem Angehörigen nur einmal in Anspruch genommen werden kann. Der Beschäftigte kann jedoch eine nicht bis zur Höchstdauer ausgeschöpfte Familienpflegezeit bis zur Gesamtdauer von 24 Monaten verlängern. Dies hängt allerdings von der Zustimmung des Arbeitgebers ab. Ein Rechtsanspruch auf Verlängerung ohne Zustimmung des Arbeitgebers besteht nur, wenn ein vorgesehener Wechsel der Pflegeperson aus einem wichtigen Grund nicht zustande kommt.
Für die Kombination von Pflegezeit und Familienpflegezeit gelten jeweils weitgehend dieselben Ankündigungsfristen: Wird die Familienpflegezeit im direkten Anschluss an die bis zu sechs Monate mögliche Pflegezeit in Anspruch genommen, muss dies innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Pflegezeit angekündigt werden, spätestens jedoch acht Wochen vor Beginn der Familienpflegezeit. Wird umgekehrt die Pflegezeit im Anschluss an die Familienpflegezeit begehrt, gilt eine Ankündigungsfrist von acht Wochen. Arbeitnehmer(innen) müssen die (Familien-)Pflegezeit schriftlich ankündigen. Darin muss der gewünschte Umfang der Verringerung der Arbeitszeit angegeben werden. Arbeitgeber und Beschäftigte(r) treffen darüber dann eine schriftliche Vereinbarung. Erklärt der/die Beschäftigte nicht, welche der beiden Arten der Freistellung er in Anspruch nehmen möchte, gilt seine Erklärung automatisch als Freistellung von der Pflegezeit. Die Caritas fordert den Gesetzgeber auf, dies zu korrigieren, da die Regelung nachteilig für den Beschäftigten ist. So könnte er zum Beispiel nach einer sechsmonatigen Reduzierung auf 15 Wochenstunden Arbeitszeit nicht mehr eine vollständige Freistellung von der Arbeitszeit beantragen, da sein Rechtsanspruch auf Pflegezeit mit sechs Monaten aufgebraucht ist. Solche und ähnliche Missverständnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer(inne)n sind vorprogrammiert, wenn das Antragsverfahren Interpretationsspielräume lässt. Für den Beschäftigten muss klar sein, ob er Pflegezeit oder Familienpflegezeit beantragt. Er muss auch auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen hingewiesen werden. Hier bedarf es einer intensiven Beratung, zum Beispiel durch den Arbeitgeber, aber auch durch die Pflegedienste und andere Beratungsstellen, wie beispielsweise die Pflegestützpunkte.
Eine weitere wichtige Forderung der Caritas ist, dass die Höchstdauer von 24 Monaten für die Auszeit in jedem Fall ausgeschöpft werden kann. So soll es auch möglich sein, an eine erstmalige Familienpflegezeit die Pflegezeit anzuschließen und dann - gegebenenfalls auch mit einer Unterbrechung durch die vollständige Rückkehr auf den Arbeitsplatz - die noch nicht ausgeschöpften Monate der 24-monatigen Familienpflegezeit durch eine weitere Phase
vollständig auszunutzen. Dies gibt der Gesetzentwurf gegenwärtig noch nicht her.
Der Deutsche Caritasverband hatte bei der Anhörung zum Gesetzesverfahren eines Familienpflegezeitgesetzes seinerzeit darauf hingewiesen, dass es auch einen Anspruch auf vorzeitige Beendigung der Familienpflegezeit geben muss, etwa, wenn der Angehörige verstorben oder in ein Pflegeheim übergesiedelt ist. Diese Klarstellung nimmt der Gesetzentwurf nun vor.
Krankheitszeiten müssen außen vor bleiben
Allerdings ist aus Caritas-Sicht noch zu regeln, dass kein Beendigungsgrund vorliegt, wenn der Angehörige nur vorübergehend nicht vom Beschäftigten gepflegt wird, etwa wegen Erkrankung oder Urlaub, und für diese Zeit eine Ersatz- oder Kurzzeitpflege organisiert werden kann.
Im Gesetzentwurf fehlt zudem eine Regelung, wie mit der Gesamtdauer bei krankheitsbedingten längeren Unterbrechungen des Beschäftigten zu verfahren ist. Der DCV schlägt vor, dass Zeiten,
in denen die Pflegeperson erkrankt ist, nicht auf die Gesamthöchstdauer der Familienpflegezeit beziehungsweise Pflegezeit anzurechnen sind.
Während der Familienpflegezeit oder Pflegezeit fällt das Gehalt weg. Dieser Ausfall kann mit einem zinslosen Darlehen kompensiert werden. Hier ist der Gesetzgeber dem Vorschlag der Caritas aus dem Jahr 2011 gefolgt. Danach wird das Darlehen als direkter Kredit zwischen Arbeitnehmer und dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gewährt. Dieses Verfahren ersetzt die komplexen Regelungen der Entgeltaufstockung durch den Arbeitgeber. Das bisherige Verfahren war sowohl für die Arbeitnehmer(innen) als auch für die Arbeitgeber mit einigen Risiken behaftet. So mussten sich die Beschäftigten mit einer Familienpflegezeitversicherung dagegen versichern, dass sie das Darlehen nicht zurückzahlen können. Der Arbeitgeber hatte einen hohen bürokratischen Verwaltungsaufwand für die Ausgestaltung der zu vereinbarenden Entgeltaufstockung, sowohl bei einem positiven als auch bei einem negativen Wertguthaben.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Höhe des Darlehens frei gewählt werden kann. Dabei muss die Darlehenshöhe mindestens 50 Euro pro Monat betragen. Der DCV setzt sich dafür ein, die im Gesetz vorgesehene Begrenzung der Darlehenshöhe während der Pflegezeit auf die maximale Höhe des Darlehensbetrags der Familienpflegezeit anzuheben. Die Familienpflegezeit sieht eine Mindestarbeitszeit von 15 Stunden vor. Daher wäre es nicht möglich, bei der vollständigen Befreiung von der Arbeitszeit im Rahmen der Pflegezeit auch das volle Gehalt durch Darlehen abzusichern. Hier ist der Gesetzentwurf aus Sicht der Caritas nachzubessern.
Neu: Ein Unterstützungsgeld wird kurzzeitig gewährt
Der DCV hatte sich seit Jahren für eine Lohnersatzleistung eingesetzt, wenn ein(e) Beschäftigte(r) infolge einer akut eintretenden Pflegebedürftigkeit eines nahen Verwandten bis zu zehn Tage nicht zur Arbeit gehen kann. Der Gesetzgeber hat diese Forderung mit einem sogenannten Pflegeunterstützungsgeld, das in Höhe des heutigen Kinderkrankengeldes nach § 45 SGB V gezahlt werden soll, nun erfüllt. Allerdings sieht der Gesetzentwurf vor, dass das Pflegeunterstützungsgeld nur gezahlt werden soll, sofern ein Arbeitgeber keine entsprechende Leistung aufgrund seiner eigenen tariflichen Regelungen vorsieht. Dies würde gerade die Unternehmen benachteiligen, die diese Leistung bereits heute schon in vorbildlicher Weise vorsehen. Diese Regelung ist daher zu streichen.
Darüber hinaus begrüßt der DCV nachdrücklich, dass die Familienpflegezeit auch für die phasenweise Betreuung von schwerstkranken Kindern außerhalb der eigenen Häuslichkeit, zum Beispiel im Krankenhaus, genutzt werden kann. Ebenso zu loben ist der Rechtsanspruch auf Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen. Hier können sich Beschäftigte für die Dauer von bis zu drei Monaten teilweise oder ganz von der Arbeit freistellen lassen. Auch dafür hat sich die Caritas seit vielen Jahren eingesetzt.
Anmerkung
Siehe auch die Stellungnahme des DCV zum Thema Pflegezeit und Familienpflegezeit in neue caritas Heft 18/2014, S. 31 ff.
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