Weiterbildung hilft gegen Ärztemangel im Krankenhaus
Leidet Deutschland unter einer Ärzteknappheit? - Das Wissenschaftliche Institut der AOK in Berlin meint: keineswegs. "Die Entwicklung der Arztdichte in Deutschland zeigt, dass es heute über ein Drittel mehr berufstätige Ärzte als Anfang der 90er Jahre gibt."1 Grundsätzlich hat die AOK zwar recht. Aber wie passen steigende Arztzahlen und bundesweit mehr als 6000 unbesetzte Arztstellen in Krankenhäusern zusammen?
Die Gründe dafür sind vielfältig und unterschiedlich stark ausgeprägt. Es macht beispielsweise einen großen Unterschied, ob sich ein Krankenhaus in einer Universitätsstadt oder in einer grenznahen ländlichen Region befindet. Grundsätzlich bedingt aber der medizinische Fortschritt mehr Leistungen und einen Anstieg der Behandlungszahlen. Dies erfordert ebenso mehr Personal wie die durch die wissenschaftliche Entwicklung bedingte zunehmende Spezialisierung der Medizin. Vermehrten Personalbedarf verursachen auch Vorgaben der Politik, beziehungsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses2 (GBA), hinsichtlich neuer Qualifikationsanforderungen und des Arbeitsschutzes. Als Beispiele seien hier der Krankenhausplan NRW 2015, das Arbeitszeitgesetz oder die Personalvorgaben des GBA für die Frühchenversorgung genannt.
Auch die demografischen Veränderungen wirken sich erheblich aus. So ist der Anteil der Älteren ab 60 Jahren an der Gesamtbevölkerung von 1991 bis heute um ein Drittel gestiegen und wird weiter steigen. Infolgedessen hat die Behandlungsintensität deutlich zugenommen. Hinzu kommt, dass die demografische Entwicklung längst auch die Ärzteschaft selbst erfasst hat. Das Durchschnittsalter der Ärzt(inn)e(n) in Kliniken nimmt stetig zu. Eine hausindividuelle Altersstrukturanalyse kann beispielsweise mit einem Tool erstellt werden, das unter: www.caritas-muenster.de/diecaritas/fachinformationen abrufbar ist.
Da die nachwachsende Ärztegeneration eine andere Sicht auf die sogenannte Work-Life-Balance hat, wirkt sich dies auch auf den Arztstundenmangel aus. Sie misst dem Familienleben einen höheren Stellenwert bei und entscheidet sich häufiger als früher für Teilzeitarbeit. Inzwischen sind im Bundesdurchschnitt circa 62 Prozent der Studienanfänger im Fach Medizin weiblich. Die Feminisierung der Medizin stellt die Arbeitsorganisation im Klinikbetrieb vor eine große organisatorische Herausforderung. Hinzu kommt, dass sich die Zahl der Ärzt(inn)e(n), die nicht ärztlich tätig sind, auf einem hohen Niveau befindet. Ein weiterer limitierender Faktor für katholische Krankenhäuser kann in einer zunehmend kirchenfernen Gesellschaft in einer mangelnden Identifikation mit christlichen Wertevorstellungen liegen.
Ärzte gewinnen und binden - Ideen für Krankenhäuser
Wirksam begegnen lässt sich dieser Entwicklung nur, wenn die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten attraktiv gestaltet wird, so dass mehr junge Berufsanfänger(innen) in der kurativen Medizin tätig werden und Erfahrene verbleiben. Leitende Personalverantwortliche aus katholischen Krankenhäusern beim Diözesan-Caritasverband (DiCV) Münster haben einen "Ideengeber" als Hilfestellung für die Praxis entwickelt. Bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Ärzte muss die Finanzierbarkeit, die Wahrung des Gleichgewichts zu anderen Berufsgruppen und der Einklang mit der christlichen Identität beachtet werden. Die Autor(inn)en gehen nicht davon aus, für jedes Einzelkrankenhaus die Musterlösung zu finden. Vielmehr werfen sie zu sechs identifizierten Themen Fragen auf, die eine strukturierte Auseinandersetzung erleichtern sollen. Neben den Themen Betriebsklima/Führungskultur, Work-Life-Balance, Vergütung, Karriereplanung/Talentmanagement und Kommunikation ist eine strukturierte Weiterbildung eines der wichtigsten Instrumente zur Ärztegewinnung und Qualitätssicherung. Vor diesem Hintergrund hat sich der DiCV Münster auf seiner Arbeitsrechts- und Personalentwicklungstagung im Mai 2014 explizit mit dem Thema auseinandergesetzt.
Die ärztliche Weiterbildung ist für den Arztberuf, anders als bei anderen Berufen, ein klar geregelter gesetzlicher Terminus. Der nach seinem Studium approbierte Arzt muss angeleitet von einem erfahrenen, von den Ärztekammern zur Weiterbildung befugten Arzt, die speziellen diagnostischen und therapeutischen Kenntnisse und Fertigkeiten eines Gebietes erlernen. Kennzeichnend für die Weiterbildung ist die praktische Anwendung ärztlicher Kenntnis in der ambulanten, stationären und rehabilitativen Versorgung der Patient(inn)en. Die Weiterbildung hat die Qualifikation als Facharzt zum Ziel.3 Die jeweilige Ärztekammer regelt und gestaltet die Weiterbildung. Derzeit existieren 51 Facharztbezeichnungen in einem Gebiet, wie etwa der Inneren Medizin, zehn Schwerpunktbezeichnungen im Schwerpunkt eines Gebietes und 48 Zusatzbezeichnungen.
Warum ist die ärztliche Weiterbildung so wichtig?
Die so arglos unter dem Etikett "Weiterbildung" firmierende Ordnung beeinflusst jeden berufstätigen Arzt bis in die kleinsten Winkel seiner Berufstätigkeit. Sie formuliert die Strukturqualität, also die Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen des ärztlichen Personals. Die zunehmende Präzisierung der Weiterbildungsordnung in den letzten Dekaden, die genauere inhaltliche Definition der einzelnen Gebiete, machen diese Ordnung und ihre Richtlinien zu einem dicken Buch. Vor dem Hintergrund des rasanten medizinischen Fortschritts und der weitergehenden Spezialisierung entwickelte sich die Weiterbildungsordnung zunehmend zu einer Berufsausübungsordnung. Das heißt im Klartext, dass sich der jeweilige Facharzt in den definierten Grenzen seines Gebietes frei bewegen kann, diese aber grundsätzlich nicht überschreiten darf.4 Die Ausbildung zum Facharzt ist Grundvoraussetzung, um sich niederzulassen. Deshalb ist es für einen jungen Arzt essenziell, auf einem hohen Niveau schnell und präzise über die Weiterbildung zum Facharzt zu gelangen. Krankenhäuser oder Krankenhausverbünde, die das gewährleisten, haben somit bei der Ärztegewinnung einen komparativen Wettbewerbsvorteil.
Wege zu einer strukturierten ärztlichen Weiterbildung
Vielfach liegt die Weiterbildung der Assistenzärzte allein in den Händen der Chefärztinnen und Chefärzte ohne Begleitung durch Dritte. Die Ergebnisse werden oft nicht evaluiert. Entsprechend individuell gestaltet sich die Weiterbildung. Eine strukturierte ärztliche Weiterbildung verspricht daher Verbesserungen im Hinblick auf:
- Unterstützung der leitenden Ärzt(inn)e(n) bei den sich stets ändernden Anforderungen der Weiterbildungsordnung (WBO);
- Sicherstellung einer langfristigen Qualitätsentwicklung in der Facharztweiterbildung;
- Wettbewerbsvorteil, um qualifizierte Bewerber(innen) zu gewinnen;
- Vernetzung von Weiterbildung und Qualitätsmanagement;
- Risikomanagement.
Um eine strukturierte Weiterbildung nachhaltig zu implementieren, raten Praktiker(innen), die Instrumente des Projektmanagements zu nutzen und einen adäquaten Ressourceneinsatz zu berücksichtigen. Die jeweiligen Ärztekammern bieten dabei ihre Unterstützung an, die man unbedingt nutzen sollte.
- Elemente der strukturierten Facharztweiterbildung sind zum Beispiel:
Erstellen eines Curriculums: Wer lehrt was in welchem Umfang und wann? - Um in der Abteilung arbeiten zu können: Verfahrensanweisungen festlegen, in denen die wesentlichen Kompetenzen vermerkt sind;
- Feedbackgespräche und dementsprechende Zielvereinbarungen einführen;
- Anleitprozess mit abschließender Bescheinigung soll als formale Grundlage der klinischen Weiterbildung bei wesentlichen Lerninhalten dienen.
Karriereplanung mit Perspektive
Eine strukturierte Weiterbildung soll für den Assistenzarzt planbar sein, indem
Zeiten und Inhalte verbindlich festgelegt sind. Strukturierte Weiterbildungsgespräche sollen eine begründete Rückmeldung zum individuellen Leistungsstand geben. Letztlich soll eine Perspektive geboten und eine verlässliche Karriereplanung ermöglicht werden. In NRW wird der größte Teil der Fachärzte in konfessionellen Krankenhäusern ausgebildet. Dies ist einerseits eine hohe Verantwortung, bietet aber auch die Chance, sich als attraktiver Dienstgeber zu präsentieren.
Anmerkungen
1. Pressemitteilung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK vom 10.5.2011; www.wido.de/ meldung_archiv+M52b31da6512.html
2. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist das das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland.
3. Vgl. Weiterbildungsordnung (WBO) in der Fassung vom 13. Juli 2013 der Ärztekammer Westfalen-Lippe; www.aekwl.de/index.php?id=2773
4. Vgl. Raidt, Holger: Die "Weiterbildungsstory" - 50 Jahre Ärztliche Weiterbildung in Westfalen-Lippe. www.aekwl.de/index.php?id=469
Bei der Personalentwicklung die Lebenslagen berücksichtigen
Mit Langzeitkonten Lebensphasen flexibel planen
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