Umsatz- und Vorsteuer bei gemeinnützigen Betrieben
Das Steuerrecht ist immer noch von wenig nachvollziehbarer nationaler sowie europäischer Rechtsprechung geprägt. Die Unternehmen müssen mit sich immer wieder ändernden Gesetzen, Durchführungsverordnungen, Billigkeitserlassen und Einzelentscheidungen zurechtkommen.
Eine unachtsame Unternehmenspolitik kann zu existenzbedrohenden Steuernachzahlungen oder persönlicher Inanspruchnahme der Entscheidungsträger führen. Mit guter Vorbereitung lassen sich diese Risiken minimieren. Im Folgenden soll Unterstützung bei Fragen der Umsatzsteuer sowie Vorsteuer gemeinnütziger Geschäftsbetriebe gegeben werden, um mögliche Fehlerquellen zu reduzieren.
Umsatzsteuer fällt bei einer gemeinnützigen Gesellschaft immer dann an, wenn sie unternehmerisch tätig ist. Von der Umsatzsteuerpflicht bleibt sie lediglich im sogenannten ideellen Bereich befreit. Hier findet kein Leistungsaustausch statt und daher entsteht auch keine steuerbare Leistung im Sinne des § 1 UStG (Umsatzsteuergesetz).
Im Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit ist zwischen drei Bereichen zu unterscheiden:
- Vermögensverwaltung,
- Zweckbetrieb,
- sonstiger Geschäftsbetrieb.
Diese drei Bereiche unterliegen grundsätzlich der Umsatzsteuer, allerdings mit unterschiedlichen Steuersätzen.
Umsätze im Bereich des Zweckbetriebs und der Vermögensverwaltung werden mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent begünstigt.
Im sonstigen Geschäftsbetrieb hat der Gesetzgeber die gemeinnützige Gesellschaft den nicht gemeinnützigen Unternehmern gleichgestellt, so dass der Regelsteuersatz von 19 Prozent Anwendung findet.
Für die Frage, ob Umsatzsteuer anfällt oder nicht, muss sorgfältig geprüft werden, welcher der vier Tätigkeitsbereiche - der drei wirtschaftlichen sowie des ideellen - betroffen ist. Nur wenn der Tätigkeitsbereich umsatzsteuerpflichtig ist, kann auch Vorsteuer vom Finanzamt zurückerhalten werden. Wichtig ist auch zu wissen, ob die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent oder 7 Prozent anfällt. Es kann teuer werden, wenn durch eine Betriebsprüfung 12 Prozentpunkte Differenz vom ermäßigten zum regulären Umsatzsteuersatz für einige Jahre nachgefordert werden. Der folgende Überblick möchte Hinweise für die korrekte Zuordnung von Unternehmensbereichen zu den vier Tätigkeitsbereichen geben (s. Grafik oben).
Ideeller Bereich
Dem ideellen Bereich zuzuordnen sind Tätigkeiten ohne Leistungsaustausch, also Mitgliederbetreuung, Öffentlichkeitsarbeit, Spenden, Zuschüsse, Veranstaltungen ohne Entgelt. Kauft eine Gesellschaft zum Beispiel Büromaterial, das nur für die Mitgliederverwaltung verwendet wird, kann für die anfallende Umsatzsteuer keine Vorsteuer abgezogen werden.
Wirtschaftlicher Bereich
Vermögensverwaltung
Der Bereich der Vermögensverwaltung ist betroffen, wenn Einnahmen aus Kapitalerträgen, Spareinlagen, Wertpapieren oder Beteiligungen sowie aus Vermietung, Verpachtung oder Verkauf von Grundstücken erzielt werden. Hier gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent, so dass die Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG auch abgezogen werden kann.
Zweckbetrieb (§§ 65, 66-68 AO)
Der Gesetzgeber wollte die Zweckbetriebe durch eine Umsatzsteuerfreigrenze und einen reduzierten Umsatzsteuersatz in Höhe von 7 Prozent (§ 12 Abs. 2 UStG) begünstigen. Ein Zweckbetrieb ist nach § 65 AO (Abgabenordnung) ein steuerlich begünstigter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Beispiele für Zweckbetriebe sind in § 68 AO aufgelistet.
Ein Zweckbetrieb kann aufgrund der Betriebsleistung selbst vorliegen, dies ist zum Beispiel bei Altenpflegeeinrichtungen oder Essen auf Rädern der Fall. Aber auch aufgrund der Betriebsstruktur kann ein Zweckbetrieb gegeben sein. In diesen Fällen ist die Beschäftigung selbst die eigentliche Rechtfertigung des Zweckbetriebes. Unter diese Kategorie fallen zum Beispiel Werkstätten für behinderte Menschen und andere Integrationsbetriebe oder Qualifizierungsgesellschaften.
Der Zweckbetrieb muss ganz konkret auf die satzungsmäßigen Zwecke ausgerichtet sein und notwendig sowie unentbehrlich sein, um die satzungsgemäßen Zwecke der gemeinnützigen Gesellschaft zu verwirklichen. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist ein enges Maß anzulegen, die umsatzsteuerliche Begünstigung soll die Ausnahme und nicht die Regel sein. Die wirtschaftliche Betätigung darf nicht zum Hauptzweck werden, sonst liegt ein missbräuchliches Steuersparmodell vor, so dass die volle Umsatzsteuer anfällt und auch nachträglich vom Finanzamt gefordert werden kann.
Kulturveranstaltungen stellen zum Beispiel nur dann einen Zweckbetrieb dar, wenn ihre Durchführung auch ausdrücklicher Satzungszweck ist.
Das beschriebene Regel-Ausnahme-Verhältnis ist um einen weiteren Aspekt zu ergänzen, wenn nämlich der Betrieb in Konkurrenz zu Dritten tritt. Das vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) immer wieder betonte Gebot der Wettbewerbsneutralität und das der steuerlichen Neutralität verbieten grundsätzlich, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Unterschiedliche Umsatzsteuersätze sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 26. April 1995 I R 35/35/93, BStBL II 1995, 767) aber zulässig, wenn ein sachlicher Grund hierfür besteht. Ein sachlicher Grund liegt vor, wenn sich der gemeinnützige Zweck nur durch diese begünstigte Tätigkeit erreichen lässt.
Anhand der Rechtsprechung des BFH und eines Erlasses des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. Februar 2007 (IV A 5 - S 7242-a/07/001) kann mit Hilfe der dort genannten Indizien recht einfach überprüft werden, ob bei einem Qualifizierungs- oder Integrationsbetrieb ein Zweckbetrieb vorliegt:
n Satzungszweck deckt sich mit der Tätigkeit im Geschäftsbetrieb;
n Betrieb darf nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dienen (zum Beispiel spricht die Kalkulation auf Selbstkostenbasis für das Vorliegen eines Zweckbetriebs);
n Einnahmen müssen unverzichtbar für die Erreichung des Satzungszwecks sein;
n keine Nutzung des ermäßigten Steuersatzes als Werbemittel;
n Vorhandensein von speziell geschultem Personal, welches im Hinblick auf die besonderen Belange der betroffenen Menschen geeignet ist, deren Heranführung an das Erwerbsleben zu fördern;
n Beschäftigung der betroffenen Menschen im eigentlichen Erwerbsbereich und nicht nur in untergeordneten Hilfsfunktionen.
Viele gemeinnützige Gebrauchtwarenkaufhäuser, die nach ihrer Satzung Langzeitarbeitslose qualifizieren, bieten zum Beispiel den Service an, Haushalte aufzulösen und anschließend besenrein zu übergeben. Dieses Geschäftsmodell steht im Wettbewerb mit klassischen Entrümplern. Da die gemeinnützige Gesellschaft hier eine selbstständige nachhaltige Tätigkeit betreibt und dadurch Einnahmen erzielt, liegt ein umsatzsteuerpflichtiger Wirtschaftsbetrieb vor - fraglich ist nur, ob als Zweckbetrieb mit 7 Prozent Umsatzsteuer oder als sonstiger Geschäftsbetrieb mit 19 Prozent.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat nach sechsjährigem Rechtsstreit im Urteil vom 15.?November 2007 - AZ: 5 K 576/01 einem Qualifizierungsbetrieb, der diese Dienstleistungen durchführte, hierfür den ermäßigten Steuersatz zugebilligt. Dies ist mit folgenden Argumenten begründet worden: Die Aufträge sind nur erteilt worden, um den gemäß Satzung begünstigten Personenkreis arbeitstherapeutisch zu betreuen. Bei den beschäftigten Personen wurden Sekundärtugenden wie pünktliches Erscheinen an der Arbeitsstelle, regelmäßiges Arbeiten
etc
. trainiert. Der Zweckbetrieb ist aufgrund dieser Merkmale bejaht worden, obwohl er mit dieser Tätigkeit im Wettbewerb mit Dritten steht. Daher konnte der Betrieb die Privilegierung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes in Höhe von 7 Prozent gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG beanspruchen.
Sonstiger Geschäftsbetrieb
Liegt die Tätigkeit weder im Bereich der Vermögensverwaltung noch im Zweckbetrieb, sind die Umsätze dem Regelsteuersatz in Höhe von 19 Prozent zu unterwerfen.
Mögliche Steuerbefreiung nach § 4 UStG
Auch wenn ein Zweckbetrieb, eine Angelegenheit der Vermögensverwaltung oder ein sonstiger Betrieb vorliegt, kann die Leistung von der Umsatzsteuer durch eine der in § 4 UStG geregelten Ausnahmen befreit sein, so dass die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG entfällt.
Wichtige Beispiele:
n Vermietungsumsätze (§ 4 Nr. 12 UStG);
n bestimmte Wohlfahrtsleistungen (§ 4 Nr. 18 UStG);
n Vorträge, Kurse, Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Unkosten verwendet werden (§ 4 Nr. 22 a UStG);
n kulturelle und sportliche Veranstaltungen, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (§ 4 Nr. 22 b UStG);
n Beherbergung und Beköstigung von Jugendlichen zum Zwecke der Erziehung, Aus- oder Fortbildung (§?4 Nr.?23 UStG);
n Leistungen der Träger öffentlicher und privater Jugendhilfe (§ 4 Nr. 25 UStG).
Fazit
Haben Sie keine Scheu vor den einschlägigen Normen. Formulieren Sie den gemeinnützigen Zweck Ihres Sozialunternehmens sehr sorgfältig und präzise. Achten Sie darauf, dass der Zweckbetrieb exakt die Erfüllung dieser gemeinnützigen Ziele verwirklicht. Privilegierungsgründe für den ermäßigten Steuersatz, wie zum Beispiel die engmaschige sozialpädagogische und fachliche Betreuung, sind zu dokumentieren. Ein fortlaufender Abstimmungsprozess mit dem Finanzamt, das Sie nicht als Gegner, sondern als beratende Instanz verstehen sollten, wird empfohlen.
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