Aufsichtsräte brauchen Rückgrat
Caritas und Diakonie beschäftigen in Deutschland schätzungsweise 2,2 Millionen Menschen, darunter viele im Ehrenamt. Für Aufsichtsgremien der Wohlfahrtspflege werden ebenfalls Ehrenamtliche gesucht - zum Beispiel für Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat (im Folgenden: "Aufsichtsrat"). Deren erste Aufgabe ist die Kontrolle der hauptamtlich Leitenden. Die Überwachung der Geschäftsleitung, kurz Vorstand, umfasst nicht nur die Bewertung abgeschlossener Geschäftsvorgänge. Der Aufsichtsrat muss vielmehr auch die Steuerung künftiger Geschäftspolitik in den Blick nehmen. Er handelt insofern präventiv. Demgemäß wird der Aufsichtsrat heute allgemein als "mitunternehmerisches Organ" bezeichnet. Dessen Handlungspflichten reichen also weit über Kontrollaufgaben hinaus. Das geht freilich nicht so weit, dass sich der Aufsichtsrat im Normalfall am operativen Tagesgeschäft des Vorstands beteiligt.
Aufsichtsrat und Vorstand sind aneinander gebunden, nämlich durch die Pflicht zu vertrauensvoller Zusammenarbeit. Gelingen kann das nur, wenn der Informationsfluss funktioniert. Der Vorstand hat seinem Aufsichtsgremium von allen Sachlagen Kenntnis zu geben, die
es als mitentscheidendes Kontrollorgan kennen muss. Benachrichtigen ist zunächst Bringschuld der Geschäftsleitung. Jedoch handelt es sich nicht um eine Einbahnstraße. Vielmehr muss der Aufsichtsrat
seinerseits den Vorstand über anstehende Grundentscheidungen zeitnah informieren.
Zu den Mindestinformationen, die jedem im Aufsichtsrat zustehen, gehören ein Jahresabschlussbericht des Vorstands und der sogenannte Prüfungsbericht mit dem Testat des Prüfers. Nur so vermag der Aufsichtsrat hinterher den Jahresabschluss zu billigen. Tatsächlich kann er nur prüfen und werten, was er weiß. Dinge, von denen man nie gehört hat, kann man ja auch nicht vermissen. Allerdings hat jedes Mitglied des Aufsichtsrats, das sich im Unternehmen auskennt, ein Gespür für latente Schwachstellen - dies sogar dann, wenn der Vorstand solche Risikofelder nur ungern thematisiert. Wer also im Aufsichtsrat auch nur ein Vorgefühl von betrieblichen Engpässen hat, ist in der Pflicht, sich durch eigene Initiative um Informationen zu kümmern: Er muss den Vorstand um Rede und Antwort ersuchen. Im Streitfall könnte sich der Aufsichtsrat schwerlich damit herausreden, der Vorstand habe ihn nicht auf dem Laufenden gehalten. Informiertsein ist Bedingung für korrekte Aufsicht und Beratung.
Sieht sich der Aufsichtsrat gezwungen, den Handlungsdruck auf die Geschäftsleitung zu erhöhen, verdichtet sich seine Kontrolle zu richtunggebender Überwachung. Der Regelsatz, nicht ins operative Vorstandsgeschäft einzugreifen, lässt sich spätestens dann nicht mehr halten, wenn eine Schieflage droht. Dann muss der Aufsichtsrat als mitentscheidendes Kontrollorgan tätig werden. Vorsichtig spricht die für soziale Einrichtungen erstellte Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz (Arbeitshilfen 182, 3. Aufl., S. 23, 35) nur davon, dass sich das Aufsichtsgremium nicht direkt in operative Aufgaben der Geschäftsführung einmischen soll. Das nur ausnahmsweise gebotene Einwirken auf einzelne Tagesgeschäfte des Vorstands stellt im Grenzfall erhebliche Anforderungen an das persönliche Format der Aufsichtsratsmitglieder. Dies vor allem dann, wenn sich das normale Vertrauensverhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand zu persönlicher Verbundenheit gesteigert hat und nun durch Kritik belastet wird.
Wie dünn die Trennwand zwischen Aufsichtsratspflicht und Vorstandsarbeit ist, wird klar, wenn sich der Aufsichtsrat bei Gefahr auf den Plan gerufen fühlt. Sein durchgreifendes Handeln ist jedoch legitimiert durch das Streben nach Bestandssicherung des Unternehmens. Wenn später die Existenzsorge überstanden ist, hat sich der Aufsichtsrat auf das Regelmaß zurückzuziehen: Er legt das operative Geschäft wieder ganz in die Hände des Vorstands. Das Beste ist natürlich, wenn der Aufsichtsrat nie in das operative Vorstandsgeschäft einzugreifen braucht. Dies gelingt, wenn er die Kooperation mit dem Vorstand möglichst lückenlos und kritisch führt - mit dem für jede Zusammenarbeit nötigen Grundvertrauen.
Keine Entwarnung
Gesunde Führung setzt auf Vertrauen und Dialog
Gut geführt ist halb gewonnen
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