Gesunde Arbeit klappt, wenn alle mitmachen
Der Begriff "gesunde Arbeit" taucht in den vergangenen Jahren zunehmend häufiger auf. Und inzwischen ist man sich einig - egal ob Wirtschaftsunternehmen oder sozial-caritativer Verband: Es bedarf gesunder Arbeit in gesunden Organisationen. Die betriebliche Gesundheitspolitik spricht dann von gesunden Organisationen, wenn deren "Kultur, Klima und Prozesse Bedingungen schaffen, die die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter ebenso fördern wie ihre Effizienz" (National Institute for Occupational Safety and Health, USA). Gesundheitsmanagement ist in aller Munde: Es fallen Schlagwörter wie Gesundheitsförderung, gesunde Führungskräfte, Ressourcen und Belastungen, psychische und physische Gesundheit, Gesundheitskompetenz. Das Ziel ist klar, der Weg dahin oftmals noch nicht.
So erging es auch der Katholischen Jugendfürsorge Augsburg e.V. (KJF Augsburg), als sie sich erstmals mit der Thematik befasste. Sie sah sich veranlasst, sich den veränderten Anforderungen, aber auch neuen Wegen der Gestaltung von Arbeit zu stellen. Mit Hilfe europäischer Fördermittel wurde im Jahr 2010 das Verbundprojekt "Weil sie es uns wert sind! - Wege zu gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungen" für die vier Katholischen Jugendfürsorgevereine - in Trägerschaft des Verbandes Katholische Jugendfürsorge e.V. (VKJF) - ins Leben gerufen. Der VKJF, ein Zusammenschluss der Jugendfürsorgevereine der (Erz-)Diözesen Augsburg, München-Freising, Regensburg und Speyer, ist mit seinen knapp 10.000 Mitarbeiter(inne)n in den Aufgabenfeldern der Kinder- und Jugendhilfe, der beruflichen Bildung und Rehabilitation, Medizin sowie Behindertenhilfe tätig. In diesen Bereichen, in denen es darum geht, Kinder, Jugendliche und Erwachsene in besonderen Notlagen zu betreuen, ist es wichtig, "gesund und fit" zu sein, damit auch "gesunde Arbeit" bei den Klient(inn)en ankommt.
Das Projekt, das im Oktober 2013 nach dreijähriger Laufzeit beendet wurde, hatte ein klar definiertes Ziel: In den vier Jugendfürsorgevereinen sollten nachhaltig gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen erreicht und ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) aufgebaut werden. Es wurde schnell klar, dass es kein Patentrezept gibt. Wichtig ist, seine eigenen Bedarfe zu erkennen und eigene Strategien zu entwickeln.
Entlastung und Entspannung sind gefragt
Um einen Überblick über die Ist- und Bedarfssituation zu erhalten, wurden zunächst die Führungskräfte und Mitarbeitenden befragt. Davon beteiligten sich rund die Hälfte. Neben der Erfassung des allgemeinen Gesundheitszustands der Beschäftigten wurden - jeweils unter Berücksichtigung des demografischen Faktors und des Gender-Aspekts - Ressourcen und Belastungen am Arbeitsplatz, die Work-Life-Balance sowie die Einstellung gegenüber Gesundheitsförderung und der entsprechende Bedarf erhoben. Besondere Handlungsfelder und Optimierungsmöglichkeiten sahen die Befragten im Bereich der Förderung des Wohlbefindens sowie in Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit. Außerdem benannten sie den Bedarf an Entlastungs- und Entspannungsmöglichkeiten neben Sportangeboten und verbesserter ergonomischer Ausstattung sowie den Wunsch nach Stärkung der Balance zwischen Beruf und Freizeit. Die wissenschaftliche Auswertung wurde in mehreren Auftaktveranstaltungen präsentiert und auch für die Mitarbeitenden der KJF Augsburg im Intranet zur Verfügung gestellt.
Für die weitere Projektplanung standen die Führungskräfte im Fokus. Ansatz des Projektes war es, die Führungskräfte als Multiplikatoren zu gewinnen, um Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz praktisch und dauerhaft umzusetzen. Nach einem Fachtag, der der Sensibilisierung und Wissensvermittlung von Führungskräften zu BGM-relevanten Themen diente, ging es in die interaktive Phase. In mehreren Workshops wurden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung in einzelnen Einrichtungen durch Führungskräfte erarbeitet und entwickelt, aber auch bislang vernachlässigte Handlungsthemen wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Mit Methoden des kooperativen Erfahrungslernens berieten sich die Führungskräfte gegenseitig. In der darauffolgenden Projektphase hatten die Führungskräfte circa ein halbes Jahr Zeit, ihre Vorhaben auf den Weg zu bringen, die Maßnahmen zu dokumentieren und zu bewerten. Durch die wissenschaftliche Projektbegleitung wurden die entwickelten Maßnahmen evaluiert und die Wirksamkeit des Gesamtprozesses überprüft.
In der KJF Augsburg konnten folgende im Projekt erarbeitete Best-Practice-Maßnahmen generiert werden:
- Gesundheitskurse: In einigen Einrichtungen werden kostenlose Kurse, zum Beispiel für Psychohygiene, zur Stressbewältigung oder Achtsamkeit sowie auch zur Burnout-Prävention, angeboten.
- Auszeit-Projekt der KJF Augsburg: Mitarbeiter(innen) haben die Möglichkeit, in der Auseinandersetzung mit spirituellen Inhalten neue Kraft zu schöpfen. Zusammen mit den bereits bestehenden Angeboten an Besinnungstagen und Exerzitien leistet das Projekt im BGM des Verbandes einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit.
- Professionelles Deeskalationsmanagement als unterstützendes Angebot: Ein Präventionskonzept, dessen Ziel es ist, dass die Mitarbeitenden eine deeskalierende Grundhaltung in der Arbeit mit Klient(inn)en entwickeln und Strategien zum Umgang mit Krisensituationen erlernen. Das bereits bestehende Konzept wurde neu aufgegriffen und die Multiplikatorenschulung erweitert.
- Mittwochmittagstreff: Das offene Angebot zu einer gemeinsamen Mittagspause in Gaststätten und externen Kantinen dient dazu, die Weitläufigkeit von Büroräumen, die teilweise auf verschiedene Gebäude verteilt sind, und den nicht vorhandenen Sozialraum wettzumachen. Sozialkontakte sollen gefördert und die Kommunikation in der sowie die Identifikation mit der Arbeitsstätte verbessert werden. Das Angebot stößt auf große Resonanz.
- "Gruppe Gesundheit Süd": Gründung einer Projektgruppe zur regionalen Vernetzung von Einrichtungen eines Fachbereiches zum Thema Gesundheitsförderung und zur gemeinsamen Bearbeitung von gesundheitsrelevanten Themen.
- Oasentag: Zusammenschluss zweier Einrichtungen, um einen gemeinsamen Oasentag zu gestalten. Er soll den Mitarbeitenden das Bewusstsein für Gesundheit, Achtsamkeit und Entspannung näherbringen, aber auch soziale Kontakte und die Vernetzung verschiedener Einrichtungen fördern.
Insbesondere in der letzten Projektphase zeigte sich, dass das Wohlergehen und die Gesundheit jedes Einzelnen ein ehrliches Anliegen im Verband sind. Die Möglichkeiten der Umsetzung sind jedoch an verschiedene Bedingungen geknüpft. Während manche Einrichtungen gerade am Anfang der Implementierung stehen, gibt es in anderen bereits ein umfassendes Angebot der Gesundheitsförderung. Auch die spirituellen Angebote, so zeigte sich, spielen eine wichtige Rolle zur persönlichen Gesundheitsfürsorge bei einem kirchlich geprägten Verband.
Auch wenn nach drei Jahren von "Weil sie es uns wert sind!" erfolgreich zurückgeblickt werden konnte, bekräftigten alle vier Direktoren bei der Abschlusstagung, dass das betriebliche Gesundheitsmanagement auch nach Projektende weiter auf der Agenda stehen müsse und es dauerhafte Strukturen brauche.
Qualitätszirkel zu Bewegung und Ernährung
Die Katholische Jugendfürsorge Augsburg entschied sich bereits auf der Hälfte des Projektweges für einen Strategieworkshop. Darin sollte erarbeitet werden, wie die Ansätze für ein betriebliches Gesundheitsmanagement langfristig im Verband verankert werden können. In einem weiteren "Zukunftsworkshop" wurde im Vorstand und im Leitungsteam zusammen mit Vertretungen der Einrichtungen das Ziel formuliert, das BGM in bestehende Prozesse zu implementieren, und reflektiert, welche Gesundheitsfaktoren als Erstes angegangen werden sollten.
Als Ziel wurde formuliert, dass für die Katholische Jugendfürsorge Augsburg ein betriebliches Gesundheitsmanagement aufgebaut werden soll, das
- mit dem Qualitäts- und Personalmanagement vernetzt ist;
- die Gesunderhaltung der Mitarbeiter(innen) im Blick hat;
- im Verband fest verankert ist und von einem Verantwortlichen mit Expertenteam gesteuert wird;
- das Thema Gesundheit für Führungskräfte und Mitarbeitende sichtbar und greifbar macht;
- nach innen und außen kontinuierlich kommuniziert wird.
Auch nach Projektende wurde das Thema BGM in der Katholischen Jugendfürsorge Augsburg weitergeführt. Ein Eckpunktekonzept für ein betriebliches Gesundheitsmanagement im gesamten Unternehmen der KJF Augsburg wurde entwickelt. BGM ist inzwischen als strategischer Schwerpunk der "Balanced Scorecard" der KJF Augsburg fest verankert. Folgende Schritte für die Implementierung wurden festgelegt sowie Maßnahmen und Ressourcen geplant:
- Gründung themenspezifischer Qualitätszirkel, die abhängig von der Bedarfssituation spezifische Fragestellungen behandeln und Lösungen entwickeln. Aktuelle Qualitätszirkel befassen sich mit "gesundem Führen", "Bewegung und Ernährung" und "psychischer Gesundheit".
- Gründung einer Lenkungsgruppe BGM, ein Expertenteam aus Vertreter(inne)n verschiedener Fachbereiche der KJF Augsburg, die, eingebunden in die Abteilung Verbands- und Organisationsentwicklung, die BGM-Prozesse steuern.
- Vernetzung und enge Zusammenarbeit mit dem ebenfalls im Verband initiierten Projekt "Nachhaltiges Personalmanagement".
- Verknüpfung und engere Zusammenarbeit der Bereiche BGM mit Arbeitssicherheit.
- "Transparenz und Greifbarkeit" von BGM durch niederschwellige Angebote für Mitarbeitende wie zum Beispiel Firmenlauf, aktive Mittagspause mit Lockerungsübungen und einfachen Sporteinheiten, monatlicher Newsletter mit Gesundheitstipps.
Weitere Aktivitäten sowie die Einbindung von BGM in bestehende Prozesse sind derzeit in Planung. Es ist deutlich geworden, dass BGM kein einzelnes Projekt ist, sondern ein fortwährender Prozess, der stetig verändert und angepasst werden muss. Jede Organisation muss ihren eigenen Weg und ihre eigene Strategie entwickeln. Ein betriebliches Gesundheitsmanagement muss aber auch von der Führungsspitze gewollt sein. Es ist ein fortwährender Entwicklungsprozess, der heutzutage unumgehbar ist.
Keine Entwarnung
Aufsichtsräte brauchen Rückgrat
Gesunde Führung setzt auf Vertrauen und Dialog
Gut geführt ist halb gewonnen
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