Profifußball und Caritas: Geht das zusammen?
Fehlgeleitetes Fanverhalten und Gewaltexzesse sind ein aktuelles Thema im deutschen Profifußball. Beim ostwestfälischen Fußball-Zweitligisten SC Paderborn 07 begegnet man dieser Entwicklung mit aufsuchender Jugendsozialarbeit in einem seit kurzem vom Caritasverband Paderborn getragenen Fanprojekt. Der CV Paderborn ist der erste Orts-Caritasverband in Deutschland, der eine derartige Aufgabe alleinverantwortlich übernimmt. Ziel des Fanprojekts ist, die Entwicklung einer positiven Fankultur zu unterstützen. Zugrunde liegen nicht selten gesamtgesellschaftliche Phänomene wie jugendliche Gewalt, rassistische Parolen und betrunkene Minderjährige.
Die Arbeit des Fanprojektes orientiert sich an den Vorgaben des "Nationalen Konzeptes - Sport und Sicherheit". Veränderungen und mögliche Überarbeitungen der Standards der Fanprojekte durch die Gremien der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte, der Koordinierungsstelle der Fanprojekte (KOS) sowie der Deutschen Fußballliga (DFL), des Deutschen Fußballbundes (DFB) und des Nationalen Ausschusses Sport und Sicherheit werden in die Konzeptfortschreibung einfließen. In nordrhein-westfälischen Ligen gibt es inzwischen vierzehn Fanprojekte.
Profifußball und Caritas: Geht das zusammen? Auch beim Caritasverband Paderborn hat man sich diese Frage gestellt und mit einem klaren Ja beantwortet. Der wichtigste Teil der Fanarbeit ist Präventionsarbeit bei Minderjährigen. Es geht darum, Kinder und Jugendliche aufzufangen, die als Fans mit der Szene in Berührung kommen. Es handelt sich also um klassische aufsuchende Sozialarbeit und das ist eine der Kernaufgaben der Caritas. Die anderen Dienste im Fachbereich Soziale Dienste im OCV Paderborn wie Suchtkrankenhilfe, Schuldnerberatung, Erziehungsberatung und Migrationsdienst werden netzwerkartig einbezogen.
Die beiden Projekt-Mitarbeiter, die Sozialpädagogen Angelina Bracht und Philip Krüger, sind mit eineinhalb Vollzeitstellen Ansprechpartner für die Zielgruppe. In der heimischen Benteler-Arena ist das Fanprojekt in einem vom Verein gestellten eigenen Container-Büro präsent. In der Innenstadt gibt es eine Anlaufstelle, wo sich die jungen Fans während der Woche treffen, sich beschäftigen und Ansprechpartner(innen) finden können. Die Sozialpädagogen bieten darüber hinaus U18-Fahrten zu Auswärtsspielen an. Dabei liegt der Fokus auf dem alkoholfreien Fußballgenuss für Minderjährige.
Beratung beschränkt sich nicht nur auf Fanverhalten
Bei ihrer Arbeit orientieren sich die Caritas-Mitarbeiter(innen) an einem breiten sozialarbeiterischen Ansatz. Es geht nicht nur um Hilfe in der aktuellen Situation, sondern um eine nachhaltige Beratung und Begleitung in schwierigen Lebenslagen - auch über den Standort Stadion hinaus. Es ist wichtig, die Ursachen und Wechselwirkungen des problematischen Fanverhaltens zu erkennen. "Je früher wir reagieren und je gezieltere Unterstützung wir bieten können, desto wirksamer und damit erfolgreicher ist unsere Arbeit", sagt Philip Krüger. Seine Kollegin Angelina Bracht legt großen Wert auf geschlechtsspezifische Aspekte: "Durch die Teamkonstellation mit einem Mitarbeiter und einer Mitarbeiterin können wir einen geschlechtsspezifischen Ansatz in der Arbeit mit der Zielgruppe umsetzen."
Noch nie mit der Caritas in Berührung gekommen
Viele der jugendlichen Fußballfans sind vorher nie oder nur selten mit der Caritas oder mit sozialarbeiterischen Hilfen in Berührung gekommen. Diese Öffnung des Verbandes zu neuen Zielgruppen betont der Paderborner Caritas-Vorstand Patrick Wilk: "Wir haben der Caritas neue Zugänge zu ihrer Klientel eröffnet." Das Fanprojekt sei eine sinnvolle Anpassung der Caritasarbeit an aktuelle soziale Entwicklungen.
Diese soziale Vernetzung der Caritas und die Erfahrung in aufsuchender Sozialarbeit gaben den Ausschlag, als Stadt und Kreis Paderborn, das Land NRW und die DFL über die Vergabe des Paderborner Fanprojekts entschieden. Binnen weniger Monate setzte die Caritas das Konzept um. Es startete im Oktober 2012 mit einer öffentlichen Präsentation vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC Berlin (siehe Foto in neue caritas Heft 18/2013, S. 15).
In Rekordzeit habe der Caritasverband das Projekt eingerichtet, staunte Martin Hornberger, Geschäftsführender Vizepräsident des SC Paderborn 07, bei dieser Gelegenheit. Obwohl der Verein nicht direkt in das Projekt eingebunden ist, weil es eine eigenständige und unabhängige Identität gewinnen soll, werde man eng zusammenarbeiten, kündigte der Vizepräsident an.
Stadt, Kreis und Land unterstützen das Projekt
Der Stadt und dem Kreis war das Projekt von Anfang an sehr wichtig. Die Jugendhilfeausschüsse haben schnell und trotzdem mit der gebotenen fachlichen Qualität die wichtigen Entscheidungen gefällt, so dass das Fanprojekt rasch umgesetzt werden konnte. Ein guter Kontakt besteht auch zum Land, außerdem zum Deutschen Fußballbund und zur Deutschen Fußballliga. Die beiden Letzteren finanzieren das Projekt mit insgesamt 150.000 Euro im Jahr. Paderborns Bürgermeister Heinz Paus hat auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten finanziellen Rückhalt zugesagt, schließlich sei der SC Paderborn 07 für das Image der Stadt sehr wichtig.
Der Caritasverband Paderborn ist in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt, weil er sich mit einem neuen drängenden sozialen Thema auseinandersetzt. "Auch im Verband haben sich anfangs die Kollegen gefragt, was wir mit Fußball zu tun haben", erinnert sich Caritas-Vorstand Patrick Wilk. Diese Diskussionen seien verstummt. Mittlerweile habe sich die Überzeugung verbreitet, dass die Caritas genau der richtige Verband für diese fachliche Herausforderung sei.
Die im Profifußball teilweise problematische Entwicklung in der Fanszene hat dazu geführt, dass die DFL für die aktuelle Spielzeit noch einmal zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt hat. So kann das Personal aufgestockt und noch intensiver sozialarbeiterisch agiert werden. Dies wirkt sich positiv auf die individuelle Betreuung und Beratung aus. Denn nur eine stabile Vertrauensebene sichert die Vermittlung und die Akzeptanz von fachlichen Hilfen.