Caritas-Netzwerk stärkt auch künftig die Prävention
In unserer Gesellschaft stehen Gewalttaten aus dem Bereich des Rechtsextremismus immer wieder im Fokus. Meist zeigt sich dieser jedoch viel unauffälliger und sehr anpassungsfähig: Rechtsextreme suchen den Anschluss an die Mitte der Gesellschaft, ohne ihre fremdenfeindlichen und antidemokratischen Konzepte aufzugeben. So sind unauffällige Aktionsformen rechtsextremer Organisationen zu beobachten, die sich des Vehikels „sozialer Kümmerer“ bedienen1 und sich im Bereich klassischer Wohlfahrtsleistungen „engagieren“. Diese Feststellung sowie die Notwendigkeit, der rechtsextremistischen Menschenverachtung etwas entgegenzusetzen, waren Ausgangspunkt für den Deutschen Caritasverband (DCV), sich systematisch mit dem Rechtsextremismus und der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit2 zu befassen.
In einem Vorprojekt „Caritas gegen Rechtsextremismus – Bestandsaufnahme zur fachlichen Auseinandersetzung in der verbandlichen Kinder- und Jugendhilfe“ (Mai 2010 bis April 2011) wurden in einer bundesweiten Erhebung bereits bestehende Initiativen und Aktivitäten innerhalb der Caritas erfasst. Daran schloss sich das eigentliche Projekt „Caritas aktiv für Respekt und Demokratie – gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (Mai 2011 bis Januar 2013) an.
Das Projekt hatte drei Ziele: die Befassung mit dem Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auf allen Ebenen der Caritas als originäre Aufgabe zu etablieren, die nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Thema in zu bildenden internen Netzwerken zu fördern sowie Projekte von Einrichtungen und Diensten der Caritas vor Ort zu unterstützen.
Für die Sensibilisierung und die Etablierung des Themas Rechtsextremismus wurden im Projekt bundeszentrale Gremienveranstaltungen einzelner Fachbereiche der Caritas genutzt. Die daran teilnehmenden Fachkräfte ließen sich in Diskussionen über die Gefahren des Rechtsextremismus und über strategische Handlungsmöglichkeiten der Caritas einbinden. Auch bot der DCV in mehreren Diözesen gemeinsam mit den dort zuständigen Referent(inn)en Fachveranstaltungen gegen den Rechtsextremismus an, jeweils unter Einbezug lokaler Akteure. Zudem rückten das Thema und die Projektangebote innerhalb der Caritas durch verbandliche Zeitschriften, die Internetpräsenz des DCV sowie externe Publikationen ins Blickfeld. Themenbezogene Veranstaltungen beim Katholikentag 2012 und beim Caritaskongress 2013 sowie eine Kooperationsveranstaltung von DCV und BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) im März dieses Jahres waren weitere Aktivitäten zur Sensibilisierung. Ein monatlicher DCV-Infoservice für mehr als 400 verbandliche Interessent(inn)en, der zu aktuellen Entwicklungen, interessanten Projekten und Ausschreibungen informierte, bot weitere Unterstützung bei der Entwicklung und Durchführung eigener Projekte.
Fachbereichsübergreifende Verankerung des Themas
Der Einsatz gegen Rechtsextremismus ist ein Querschnittsthema und daher in den verschiedenen Arbeitsfeldern der Caritas zu verorten. Das Projekt selbst war im Referat Kinder- und Jugendhilfe des DCV angesiedelt. Über die Diözesan-Referent(inn)en dieses Arbeitsbereiches hinaus galt es, auch weitere Arbeitsfelder mit einzubeziehen, um ein breites Netzwerk aus festen Ansprechpartner(inne)n aufzubauen.
Mit Hilfe der Diözesan-Caritasdirektor(inn)en und der Geschäftsführer(innen) der caritativen Fachverbände gelang es, insgesamt 18 Multiplikator(inn)en für den Themenbereich Rechtsextremismus zu gewinnen, die durch zwei dezentrale Schulungen auf diese Aufgabe vorbereitet wurden. Während der Laufzeit des Projekts erhielten sie regelmäßig Informationen, um ihre Multiplikator-Aufgabe innerhalb ihrer Arbeitsfelder wahrnehmen zu können.
Zu diesen Aufgaben können Schulungen für Fachkräfte vor Ort gehören. Regionale Spezifika und die sich daraus ergebenden Herausforderungen sowie die Entwicklung von Strategien der Prävention und Intervention sind dabei mögliche Fortbildungsinhalte. Solche regionalen Qualifizierungsmaßnahmen durch Multiplikator(inn)en fanden teils in Zusammenarbeit mit dem Projektreferenten Raphael Bolay statt. Er hat zur Unterstützung der Schulungen eine Handreichung entwickelt, die die Themen und Ansprechpartner(innen) in den einzelnen Bundesländern auflistet.3
Geldmittel für Aktivitäten vor Ort
Für Projekte gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit können Mittel aus einschlägigen Bundesprogrammen beantragt werden. Im Projekt ist dazu eine Arbeitshilfe mit einer Übersicht zu Förderprogrammen auf Bundes- und Landes- sowie europäischer Ebene entstanden.4 Ergänzend zu bereits bestehenden Initiativen im Bereich der Caritas gegen Rechtsextremismus war es ein Anliegen des Projektes, Maßnahmen von Einrichtungen und Diensten der Caritas vor Ort direkt finanziell zu unterstützen. Hierzu standen für zehn Projekte Ecclesia5-Mittel in Höhe von 20.000 Euro zur Verfügung. Zu den geförderten Projekten gehörten neben Fortbildungsangeboten für Fachkräfte auch Theaterworkshops, Medienprojekte oder Antigewalt-Trainings für Jugendliche. Einzelne Projekte sind in einer Bildergalerie der DCV-Homepage dokumentiert.6
Das Projekt des DCV wurde in den Diözesan- und Orts-Caritasverbänden sowie den Fachverbänden positiv aufgenommen. Nur dadurch war es möglich, die 18 Multiplikator(inn)en aus diesen Bereichen für das Thema Rechtsextremismus zu gewinnen. Obwohl die Initiative sich insbesondere nach innen, an den eigenen Verband gerichtet hat, konnten sich auch Wirkungen in der Öffentlichkeit entfalten. So war der DCV in den Jahren 2012 und 2013 neben weiteren Wohlfahrtsverbänden und über 70 bundesweiten Organisationen Kooperationspartner der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“. Ferner wird in den Medien im Zusammenhang mit aktuellen Entwicklungen im Rechtsextremismus (Beispiel „NSU“-Morde) verstärkt auch auf das Engagement der Caritas hingewiesen.
Fortführung der Arbeit seit dem Projektende
Dem DCV war es wichtig, mit dem Projekt als Anwalt und Partner für Menschen, die Opfer von Rassismus und Ausgrenzung werden, zusammen mit den Einrichtungen und Diensten vor Ort nachhaltige Veränderungen anzustoßen. Zum Abschluss des Projektes hat der DCV-Vorstand daher ein Eckpunktepapier7 verabschiedet, das in den Verband hineinwirken soll und die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus als Teil des caritativen Auftrages beschreibt. Die Verbandszentrale wird sich mit der Thematik auch weiterhin befassen (mit fachlicher Verortung beim Referat Kinder, Jugend, Familie, Generationen und unter Fortführung des im Projekt aufgebauten Netzwerks aus Verbandszentrale und Multiplikator(inn)en). Entsprechende Absprachen wurden in einem Multiplikator(inn)entreffen im März dieses Jahres getroffen. Dazu gehört, dass der regelmäßige Newsletter des DCV mit Informationen über Fördermöglichkeiten, gute Praxis und rechtliche Aspekte ebenso weitergeführt wird wie der gegenseitige direkte Informationsaustausch im Netzwerk. Auch weitere Austauschtreffen der Multiplikator(inn)en sind vereinbart.
Auf der Bundesebene arbeitet der DCV mit kirchlichen Akteuren wie dem BDKJ und Pax Christi zusammen. So ist für den Katholikentag 2014 in Regensburg eine gemeinsame Fachveranstaltung gegen den Rechtsextremismus geplant. Daneben bestehen Kontakte zur Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, einem Netzwerk innerhalb der Kirchen. In der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege entsteht unter Mitarbeit des DCV eine Handreichung zum Umgang mit Rechtsextremismus in der freien Wohlfahrtspflege. Das DCV-Referat Kinder, Jugend, Familie, Generationen hat einen Arbeitsschwerpunkt im Kinder- und Jugendschutz, innerhalb dessen auch die Prävention gegen den Rechtsextremismus ein Themenfeld ist.
Die Entwicklungen des Rechtsextremismus und die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit stellen weiterhin eine große Herausforderung für die caritative Arbeit dar. Der DCV bestärkt daher auch seine (Fach-)Verbände, Dienste und Einrichtungen darin, ihr Engagement für Respekt und Demokratie fortzusetzen und auszubauen. Kirchen, Vereine und Verbände sowie die lokalen Beratungsstrukturen bieten sich für diese wichtige Arbeit als Kooperationspartner an.
Anmerkungen
2. Den Begriff prägte Wilhelm Heitmeyer vom Bielefelder Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Er bezeichnet auch eine dort durchgeführte empirische Langzeitforschung zu solchen Einstellungen in Deutschland.3. Die Handreichung ist ausschließlich in der nichtöffentlichen CariNet-Arbeitsgruppe „Rechtsextremismus“ eingestellt.
4. Wie Fußnote 3.
5. Ecclesia Versicherungsdienst GmbH
6. www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/kinderundjugendliche/zehnprojektegegenrechtsextremismus (weitere Infos unter: www.caritas.de/rechtsextremismus)
7. DCV (Hrsg.): Für ein respektvolles, vielfältiges und demokratisches Miteinander. In: neue caritas Heft 8/2013, S. 31 ff.