Mit neuen Strukturen zur erfolgreichen Lobbyarbeit
Wie die Wirksamkeit der verbandlichen Caritas in fach- und sozialpolitischer Hinsicht gesteigert werden könnte, ist eine seit langem diskutierte Frage. Sie beschäftigt die Akteure auf Orts-, Diözesan-, Landes- und Bundesebene gleichermaßen. Ein Anlass für eine Intensivierung dieser Debatte war die Föderalismusreform (2006). Sie verteilte die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neu und verlagerte insbesondere Bundeskompetenzen auf die Landesebene. Auch die klassische Kooperation zwischen Staat und Verbänden auf den verschiedenen staatlichen Ebenen und die eingeübte partnerschaftliche Einbindung wertorientierter Verbände in die Politikgestaltung waren tangiert.
Um sich konstruktiv mit der veränderten Lage auseinanderzusetzen, beschloss der Vorstand des Deutschen Caritasverbandes im Jahr 2007 das Projekt "Föderalismus und Kommunalisierung: Konsequenzen für die verbandliche Caritas". Im November 2009 lag der Abschlussbericht vor. Es waren Kriterien für eine wirkungsvolle und koordinierte Lobbyarbeit sowie Anregungen zu deren organisatorischen Umsetzung erarbeitet worden. Vorgeschlagen wurden zwei neue Konferenzformen, die Bund-Länder-Netzwerke und die Arbeitskonferenz der sozialpolitischen Sprecher(innen). Die Ergebnisse - versehen mit einer ersten Bewertung des Vorstands - wurden in verschiedenen Runden beraten und kommentiert. Involviert waren unter anderem die Bundeskonferenz der Diözesan-Caritasdirektor(inn)en, die Konferenzen der Fachverbände, die Konferenz der Geschäftsführer(innen) von Caritasverbänden in Großstädten sowie der Caritasrat (2/2010, 1/2011 und 2/2011).
Die verbandliche Beratung machte die Nähe zu einem anderen Prozess deutlich, der den Verband ebenfalls seit 2007 beschäftigt hatte: die Evaluation der Diözesan-Referentenkonferenzen. Ziel der Prüfung der Effektivität und Effizienz dieser fachbereichsspezifischen Konferenzen war es, die Anzahl der Konferenzen zu reduzieren, sie stärker inhaltlich zu bündeln sowie sie verstärkt auf die Unterstützung spitzenverbandlicher Aufgaben in den Feldern Konzeptentwicklung, Koordinierung und Qualitätsentwicklung auszurichten.
Der Vorstand beauftragte in enger Abstimmung mit der Bundesdirektorenkonferenz eine Arbeitsgruppe damit, beide Arbeitsstränge zusammenzuführen und die Ergebnisse aufeinander abzustimmen. Der Vorstand bestätigte mit seinen Beschlüssen den Vorschlag der Arbeitsgruppe für ein Netzwerk aus drei Konferenztypen, in dem sieben Bundesfachkonferenzen, vier Bund-Länder-Netzwerke und die Arbeitskonferenz der sozialpolitischen Sprecher(innen) eine jeweils spezifische Rolle spielen.
Neu: ein Netzwerk aus drei Konferenztypen
Bundesfachkonferenzen
Die sieben Bundesfachkonferenzen unterstützen den Austausch, die fachliche Abstimmung, die Koordination und Qualitätsentwicklung im jeweiligen Arbeitsfeld. Dabei sind um jeweils einen gemeinsamen Konferenzteil verschiedene fachlich ausgerichtete Teilkonferenzen angesiedelt. Beispielsweise umfasst die Bundesfachkonferenz Alter, Pflege, Gesundheit die Teilkonferenzen ambulante Pflege, offene soziale Altenarbeit, stationäre Altenhilfe sowie Suchthilfe. Im gemeinsamen Teil werden übergreifende Fragestellungen der Arbeitsfelder sowie Themen mit verbandlicher und fachpolitischer Bedeutung beraten. Die Bundesfachkonferenzen orientieren sich im gemeinsamen Konferenzteil an einer Agenda, die Bestandteil der Arbeitsordnung dieses Konferenztyps ist.
Teilnehmer(innen) sind die fachlich zuständigen Mitarbeitenden aus den Diözesan-Caritasverbänden, aus den Landesverbänden sowie Vertreter(innen) der relevanten auf Bundesebene tätigen zentralen anerkannten Fachverbände und Bundesarbeitsgemeinschaften. Die Teilnehmer(innen) unterstützen durch ihre fachliche Expertise die Vorbereitung gesamtverbandlicher Positionierungen. Diese Konferenzen sind aber nicht befugt, Beschlüsse zu fassen.
Die Bundesfachkonferenz Kinder, Jugend, Familie, Bildung machte im März 2013 den Auftakt. Die anderen folgen in diesem Herbst. Nach Ablauf von zwei Jahren soll die Arbeit erneut auf den Prüfstand gestellt werden.
- Die sieben Bundesfachkonferenzen sowie deren Arbeitsordnung siehe neue caritas Heft 5/2013, S. 32.
Bund-Länder-Netzwerke
Die vier Bund-Länder-Netzwerke dienen der Abstimmung sozialpolitischer Anliegen und Strategien der Caritas zwischen der Länder- und der Bundesebene. Der Schwerpunkt ist die Abstimmung der Lobbyarbeit in Fragen, die beide politische Ebenen betreffen. Sie sollen dazu beitragen, die Positionen der Caritas auf diesen politischen Ebenen konsistent zu vertreten.
Die Teilnehmer(innen) sind Mitarbeitende, auf die sich die in einem Bundesland tätigen Diözesan-Caritasverbände verständigt haben und die von ihnen gemeinsam benannt wurden. Sie sind künftig für die Bundesebene die ersten Ansprechpartner(innen), wenn es beispielsweise darum geht, einen raschen Überblick über die Politik der Länder zu einem ausgewählten sozialpolitischen Thema zu gewinnen. Die vier Bund-Länder-Netzwerke treffen sich im November und Dezember 2013 zu ihren konstituierenden Sitzungen. Bei der unterjährigen Zusammenarbeit sollen neue Formen der Kommunikation und Abstimmung erprobt werden. Auch dieser neue Konferenztyp soll nach zwei Jahren evaluiert werden.
- Die Namen der Ansprechpartner(innen) für die Bund-Länder-Netzwerke sowie die Arbeitsordnung der Bund-Länder-Netzwerke s. in diesem Heft S. 32ff.
Arbeitskonferenz der sozialpolitischen Sprecher(innen)
Die Arbeitskonferenz arbeitet bereits seit dem Jahr 2011 und ist auf die Verzahnung der sozial- und fachpolitischen Interessenvertretung auf Bundes- und Landesebene von Themen mit besonderer politischer Bedeutung ausgerichtet. Bei der Bestimmung der Themen wird die Arbeit der politischen Koordinationsgremien der Länder (Ministerpräsidenten- und Fachministerkonferenzen) und der Kommunen besonders berücksichtigt. Die Beratungen zielen darauf, sich über die Eckpunkte der politischen Interessenvertretung auszutauschen und Absprachen zur Koordination der Interessenvertretung zu vereinbaren sowie die Erfahrungen der Zusammenarbeit zu reflektieren.
Die Teilnehmer(innen) - in der Regel Leitungsverantwortliche der Diözesan-Caritasverbände - vertreten jeweils die in einem Bundesland agierenden Diözesan-Caritasverbände, wurden von diesen benannt und mit einem Mandat ausgestattet. Sie sollten in die sozialpolitische Interessenvertretung auf Landesebene eingebunden sein. Die Arbeitskonferenz trifft sich zweimal jährlich unter Leitung des Vorstands Sozial- und Fachpolitik.
- Die Namen der sozialpolitischen Sprecher(innen) sowie die Arbeitsordnung der Arbeitskonferenz der sozialpolitischen Sprecher(innen) s. in diesem Heft S. 35f.
Kommunikation als wichtiges Bindeglied
Verbandliche Lobbyarbeit hat umso größere Aussicht auf Erfolg, je besser es gelingt, die politischen Anliegen aufgrund der verbandlichen Erfahrungen konkret zu machen und auf den unterschiedlichen staatlichen Ebenen abgestimmt zu agieren. Dies wird am besten durch einen kontinuierlichen Informationsaustausch im Verband und durch eine stetige Abstimmung zwischen den verschiedenen Ebenen der Caritas gewährleistet. Eine intensive Kommunikation zwischen den Akteuren der verschiedenen Konferenzen auf der jeweiligen verbandlichen Ebene, aber auch zwischen den Ebenen ist dafür essenziell.
Bundesfachkonferenzen sind fachpolitisch ausgerichtet
Die Referent(inn)en der 27 Diözesan-Caritasverbände und die einschlägigen Fachverbände verfügen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen über entsprechendes Basiswissen. Die fachliche Begleitung der Orts-Caritasverbände und die konzeptionelle Unterstützung der Dienste und Einrichtungen sind zentrale Faktoren, um die fach- und sozialpolitische Positionierung der Caritas zu untermauern. Es geht um die Bewertung aktueller Entwicklungen in den Fachbereichen, um neue gesellschaftliche Bedarfslagen, um die Situation von benachteiligten Menschen und insbesondere von Personen in Krisen-und Konfliktlagen. Die Bundesfachkonferenzen werden künftig vermutlich noch stärker als die bisherigen Diözesan-Referentenkonferenzen Probleme aufzeigen, als Frühwarnsystem fungieren und auf sozialpolitischen Positionierungsbedarf hinweisen. Die Diözesan-Referent(inn)en sollten deshalb wissen, wen sie als Vertreter(in) ihres Bundeslandes in den Bund-Länder-Netzwerken für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich ansprechen können, damit ihre Fragen Eingang in die verbandliche Interessenvertretung finden.
Die Bund-Länder-Netzwerke befassen sich mit Themen, die einer abgestimmten Strategie bei der Lobbyarbeit bedürfen. Die Teilnehmer(innen) stehen mit den Personen in Kontakt, die zu den Entwicklungen in den Ländern, zur Landesgesetzgebung und zu deren Auswirkungen auf das soziale Leben kompetent und schnell Rückmeldungen geben können. Dazu bauen sie die entsprechenden Beziehungen innerhalb eines Bundeslandes auf. Gleichzeitig haben sie diözesanübergreifend für ihren Zuständigkeitsbereich Kontakt zu den Fachbereichsverantwortlichen (Referats- und Abteilungsleitungen) und gegebenenfalls zu den Direktor(inn)en und Vorständen der anderen Diözesan-Caritasverbände. Die Vertreter(innen) der Länder leisten einen Beitrag zum Ländermonitoring, indem sie aus ihrem Bundesland berichten. Dies wird in einem Bund-Länder-Netzwerk dann vereinbart, wenn die Kenntnis unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen und unterschiedlicher politischer Praxis Voraussetzung für ein erfolgreiches Lobbying ist.
Die Arbeitskonferenz der sozialpolitischen Sprecher(innen) befasst sich mit Themen von besonderer politischer Bedeutung und mit Fragen, die der Verband im Rahmen der strategischen Ziele mit einer hohen Priorität ausgestattet hat. Die sozialpolitischen Sprecher(innen) der Länder sollten deshalb zu den korrespondierenden Ansprechpartner(inne)n in den vier Bund-Länder-Netzwerken in einem kontinuierlichen engen kommunikativen Austausch stehen.
Abgestimmte Lobbythemen
In allen drei Konferenztypen sind große politikrelevante Arbeitsfelder zusammengefasst. Sie decken ein umfassendes Themenspektrum ab. Bei der Generierung der Themen ist es deshalb erforderlich, eine Auswahl zu treffen und Prioritäten zu setzen. Maßstab für die Themenauswahl sind die Kriterien politische Aktualität, Dringlichkeit und Wirkungschancen. Insbesondere, wenn die Wirksamkeit des Lobbyings davon abhängt, dass auf Bundes- und auf Länderebene in konsistenter Weise koordiniert vorgegangen wird, sind die Bund-Länder-Netzwerke und die Konferenz der sozialpolitischen Sprecher(innen) gefragt.
Alle Teilnehmer(innen) können Themen in das Netzwerk einbringen. Denn sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene kann die Notwendigkeit gemeinsamer Lobbyaktivitäten identifiziert werden, die miteinander vernetzt eine größere Schlagkraft entwickeln.
Alle Konferenzen tagen in der Regel einmal jährlich, die sozialpolitischen Sprecher zweimal pro Jahr. Bei der Terminfindung sollte darauf geachtet werden, dass die drei Konferenzformen in einem gewissen zeitlichen Abstand zueinander stattfinden, damit gegebenenfalls jeweils wichtige Ergebnisse eingespeist werden können. Die eigentliche Zusammenarbeit findet unterjährig statt. Dazu sollen andere Arbeitsformen genutzt werden. Im Vordergrund steht die schnelle und flexible Zusammenarbeit.
Die Bund-Länder-Netzwerke werden für die unterjährige Kommunikation unter anderem Videokonferenzen nutzen, da der Verband an mehreren zentralen Standorten über die technischen Möglichkeiten verfügt. Auch Telefonkonferenzen und moderierte Chats sollen erprobt werden. Zur Kommunikation wichtiger Themen und zur Unterstützung der Abstimmung fachlicher Positionen wird im CariNet eine Arbeitsgruppe für jedes Bund-Länder-Netzwerk eingerichtet.
Neuland will entdeckt werden
Der Verband betritt mit dieser Konferenzstruktur Neuland, das erkundet werden will. Die Federführung für die drei Konferenztypen liegt bei den zuständigen Stellen in der Zentrale des Deutschen Caritasverbandes. Die Aufgabe der nächsten zwei Jahre liegt in der Profilierung der jeweiligen Arbeitsgremien und in der Ausbalancierung ihres Zusammenwirkens. Besonders wichtig wird es sein, dass alle Beteiligten Empathie dafür entwickeln, welche Themen und Informationen für die jeweils anderen Konferenztypen interessant sein könnten. Ebenso ist ein Gespür bei den Verantwortlichen dafür erforderlich, die Arbeit der drei Konferenzformen mit den Verbandsorganen Vorstand, Caritasrat und Delegiertenversammlung effektiv zu verzahnen.