Mitarbeiter in jeder Lebensphase an das Unternehmen binden
Der Deutsche Caritasverband engagiert sich aktiv, die Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt zu managen. Neben dem Projekt "Personalmarketing", das durch die Abteilung Arbeitsrecht und Sozialwirtschaft sowie durch das Referat Öffentlichkeitsarbeit vorangetrieben wird, hat die Fortbildungs-Akademie in einem bundesweiten Fortbildungsprojekt die Thematik bearbeitet (s. Kasten in neue caritas Heft 16/2012, S. 18).
Für Verantwortliche im Personalwesen ist der oft zitierte demografische Wandel vielerorts keine Zukunftsprognose mehr, sondern bereits Realität:
- Die arbeitende Bevölkerung wird immer älter: Bis 2025 nimmt der Anteil der Beschäftigten zwischen 55 und 64 Jahren deutlich zu.
- Es gibt immer weniger junge Berufseinsteiger(innen) und damit einen Mangel an jungen, neu qualifizierten Fachkräften.
- Es gibt in Deutschland ein regionales Ungleichgewicht in der Bevölkerungsstruktur durch Wanderungsbewegungen vorwiegend in Ost-West- sowie in Nord-Süd-Richtung.
Diese Phänomene fordern einen Verband, eine Einrichtung, einen Dienst heraus, wie sie unter diesen Voraussetzungen funktionieren sollen. Zumal schon jetzt und zukünftig zunehmend das Geld knapper, die Anforderungen größer, die Belegschaft älter und die Zahl der leistungsstarken Fachkräfte geringer werden. Im Gegensatz zu hochtechnisierten Bereichen beispielsweise der Produktionswirtschaft kann die Sozialwirtschaft den drohenden Personalmangel kaum durch eine fortschreitende Technisierung kompensieren. Menschenwürdige Arbeit im Dienste des Nächsten braucht den menschlichen Kontakt.
Nicht nur ältere Mitarbeiter stehen im Fokus
So werden die Auswirkungen des demografischen Wandels vor allem als Problem und Bedrohung für Qualität und Menschenwürde für Mitarbeitende und Kund(inn)en/Klient(inn)en im Dienstleistungssektor erlebt und kommuniziert.
Wer durch den demografischen Wandel eine Krise auf die Caritas zukommen sieht, hat den Kern der Sache erkannt: Krise bedeutet dem Wortsinn nach "Entscheidung" - oder wie Max Frisch es auf den Punkt brachte: "Die Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." Genau dies hat altersgerechte Personalentwicklung im Sinn.
Die nachvollziehbare Vermutung, insbesondere ältere Mitarbeiter(innen), beispielsweise ab 50 Jahren, stünden bei der altersgerechten Personalentwicklung im Fokus, trifft nicht zu. Tatsächlich geht es um die Entwicklung von Mitarbeitenden jeden Alters - in der Form, die jeweils ihrer Lebensphase gerecht wird. Die Formulierung "alternsgerecht" hat dabei ebenso ihre Berechtigung, da nachhaltige Personalentwicklung als Prozess anzulegen ist.
Es handelt sich also um keine neue Disziplin des Personalmanagements. Es geht darum, die bekannten und praktizierten Elemente der Personalentwicklung wie Beschaffung, Entlohnung, Führung, Qualifizierung und auch Austritt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels als dem zentralen Arbeitsmarktthema der Zukunft neu zu sehen und gegebenenfalls neu zu gewichten und zu gestalten. Die Kernfrage "Was lässt Menschen nachhaltig gut und lange in ihrer Organisation arbeiten?" kann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Personalmarketing, Arbeitszeitgestaltung, Gesundheitsförderung, Diversity Management und eine Organisationskultur, die ganzheitliches Lernen ermöglicht, sind dabei zentrale Perspektiven und Handlungsfelder, die eng zusammenhängen. Sie haben letztlich weitreichende Auswirkungen auf die Qualität des gesamten Unternehmens. Familiengerechte Arbeitszeiten ermöglichen stressreduzierte Arbeitsabläufe. Das hält gesund und ist wiederum dem Image der Organisation zuträglich. Wenn erfahrene und neue Mitarbeiter(innen) in Mentorenmodellen voneinander lernen, wächst das Wissensniveau für alle Beteiligten. Das Betriebsklima profitiert, die Mitarbeiter(innen) sind motivierter, arbeiten besser.
Wer sich für eine solche Vision von Personalentwicklung Rezepte erhofft, muss zwangsläufig enttäuscht werden. Es gibt viele eindeutige Fragen und nur wenige eindeutige Antworten: Was bindet? Was hält sie gesund und damit arbeitsfähig? Was macht uns, was macht die Caritas als Arbeitgeber attraktiv?
Was müssen Management und Führung leisten?
Aufgrund der vernetzten Wirkweise einzelner Maßnahmen landet man immer wieder bei grundsätzlichen Fragestellungen, die die Thematik einer hilfreichen, "altersgerechten" Unternehmenskultur in den Mittelpunkt rücken - verbunden mit der zentralen Frage: Was müssen Management und Führung vor dem Hintergrund des demografischen Wandels für ein zukunftsfähiges Unternehmen leisten?
Soll strategische Personalentwicklung mit dem Ziel einer Wettbewerbsfähigkeit installiert und praktiziert werden, sind Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter(innen) der wesentliche erfolgskritische Faktor. Insbesondere Führungskräfte spielen hier eine maßgebliche Rolle. Durch eine entsprechende Führung werden Motivation und Bereitschaft der Mitarbeiter(innen), sich auf Neues einzulassen, gefördert. Ebenso wird die Bindung der Mitarbeiter(innen) an die Einrichtung besonders von Führungskräften positiv beeinflusst - Mitarbeiter(innen) verlassen nicht ihre Organisation, sondern ihre(n) Vorgesetzte(n) (vgl. Gallup-Studien). Zur Personalentwicklung gehört auch die "indirekte Führung". Damit ist das Management von Prozessen und Strukturen gemeint. Mitarbeiter(innen) erleben über Prozesse etwa des Projektmanagements oder durch die Art, wie Veränderungen umgesetzt werden, indirekt die Haltung, mit der Führungskräfte handeln.
Handlungsfelder wie Gesundheitsförderung, Familienfreundlichkeit, Diversity Management können nicht durch die Einführung konkreter Maßnahmen abschließend bearbeitet werden. Es sind vielmehr "Brillen", die bestimmte Sichtweisen auf eine Organisation und ihre Kultur ermöglichen. Sie sind Reflexions- und Planungshilfen beim Bestreben, Mitarbeitende langfristig bestmöglich arbeiten zu lassen und zu binden. Altersgerechte Personalentwicklung bedeutet, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Menschen in jeder Lebensphase mit hoher Bindung und somit gesund und leistungsfähig für die Organisation da sind.
Entscheidend für eine solche Unternehmenskultur ist die Rolle der Führung - ausgehend von der obersten Ebene. Hier entscheidet sich, ob in der Organisation die Erfahrung des Alters geschätzt, die Vielfalt von Ethnien, Lebenslagen und Kulturen gewollt und genutzt, die Veränderung erwünscht ist. Wenn Führungskräfte aus dem Blickwinkel solcher Handlungsfelder ihre Organisation steuern, wird deren Zukunft wesentlich sicherer.