Informationstechnologie - mehr drin für die Sozialwirtschaft
Soziale Organisationen hinken der IT-Entwicklung in der gewerblichen Wirtschaft um Jahre hinterher - so die gängige Meinung. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit. In Sachen Server- und Systemtechnik, aber auch hinsichtlich der IT-Ausstattung der Arbeitsplätze agieren vor allem die größeren Sozialträger längst auf Augenhöhe mit der Industrie. Nachholbedarf gibt es jedoch in dem, was Wirtschaftsinformatiker(innen) "IT-Business-Alignment" nennen. Hier geht es um den Wertbeitrag der IT für das Kerngeschäft, also darum, wie gut die Technik die Arbeitsabläufe im Unternehmen tatsächlich unterstützt.
Diesen Wertbeitrag hat der IT-Report für die Sozialwirtschaft (www.sozialinformatik.de/it-report/) erstmals vor zwei Jahren wissenschaftlich untersucht, und der aktuell erschienene Report 20121 bestätigt die Ergebnisse: Führungskräfte der Sozialwirtschaft möchten mit Hilfe von IT vor allem die fachliche Qualität steigern sowie die Arbeitsabläufe und die Entscheidungsqualität verbessern. Fragt man sie jedoch nach den tatsächlichen Wirkungen des IT-Einsatzes, so zeigt sich genau bei diesen drei zentralen Zielen die größte Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit.
Die Antworten auf die Frage, mit welcher Software die Potenziale von IT zu welchem Grad ausgeschöpft werden, machen das Bild noch klarer: Im Rechnungswesen wie in der Klientenverwaltung und Leistungsabrechnung, also den Klassikern einer verwaltungsgetriebenen IT, ist die Ausschöpfung deutlich am höchsten. Je mehr man sich dem Kerngeschäft sozialer Einrichtungen nähert, desto dünner wird die Luft. Liegt das Personalwesen noch im Mittelfeld, so rangieren Dienst- und Einsatzplanung sowie Hilfeplanung und Dokumentation am unteren Ende der Skala. All diese Effekte sind unabhängig von Organisationsgröße und Arbeitsfeld: Ob klein oder groß, ob Alten-, Behinderten- oder Jugendhilfe: Überall scheint man an sehr ähnlichen Themen zu nagen.
Was sind die Ursachen dafür und welche Zusammenhänge gibt es? Unsere Daten zeigen, dass die Wertschöpfung durch IT eng mit der Zufriedenheit mit dem jeweiligen organisationsinternen IT-Service korrespondiert. Eine weitere Erklärung: Die beschriebene Diskrepanz könnte etwas mit den branchenspezifischen Software-Konfigurationen zu tun haben. Erstmals wurden daher im IT-Report 2012 die Marktposition der Anbieter von Software für die Sozialwirtschaft und die wahrgenommene Qualität ihrer Produkte detailliert beleuchtet: Hier zeigt sich zwar eine relativ hohe Zufriedenheit mit der Funktionalität der Programme. Bei den Kriterien Bedienerfreundlichkeit, Schnittstellen und vor allem Hilfefunktionen liegen sie jedoch nur im befriedigenden Bereich. Echte Begeisterung sieht anders aus. Erkundigt man sich nach Eigenschaften der Anbieter wie Servicequalität und Kundenorientierung, werden diese nicht mal von der Hälfte der Sozialdienstleister als gut bewertet.
Dabei sticht ein bestimmter Branchensoftware-Anbieter den gesamten Wettbewerb in allen erfragten Dimensionen klar aus. Genau dieser Anbieter ist es auch, der in den letzten beiden Jahren den größten Umsatz erzielt hat. Qualität scheint sich also jenseits aller vertrieblichen Kniffe irgendwann durchzusetzen. Das ist keineswegs selbstverständlich, denn der Anbietermarkt für Sozial-Software präsentiert sich seit dem ersten Report 2007 erstaunlich konstant. Klare Marktführer sucht man vergebens; es gibt eine Vielzahl kleiner und kleinster Unternehmen, die auf einem national begrenzten Markt agieren. Vergleicht man ihren Umsatz pro Mitarbeiter mit dem von Software-Lieferanten für gewerbliche Unternehmen, so zeigt sich: Wer Software für die Sozialbranche produziert, verdient deutlich weniger.
Solange nur "unter der Motorhaube Technik modernisiert wird" - sich die IT mit Word und Excel klaglos in bisherigen, oft ineffizienten Arbeitsgewohnheiten einpasst -, ist sie akzeptiert. Schickt sie sich aber etwa in Form von Branchensoftware an, Prozesse im Personalmanagement, der Dienst- oder Hilfeplanung mitzuprägen, dann scheint Sozialträgern vielfach noch das Wissen zu fehlen, IT und Prozesse wertschöpfend unter einen Hut zu packen.
Anmerkung
1. Kreidenweis, Helmut/Halfar, Bernd: IT-Report für die Sozialwirtschaft 2012. Eichstätt, 2012. Bestellung: sozialinformatik@ku-eichstaett.de, Preis: 50 Euro.