Die Teilnehmenden gewinnen selbst die Kontrolle zurück
Frühzeitig der Sucht entgegentreten: Im Modellprojekt „Skoll“, einem evidenzgestützten Gruppentraining der Prävention und Frühintervention, wird der Blick wird auf die Ressourcen der Teilnehmer(innen) gerichtet. Gesundheitsbezogenes Selbstmanagement und Problemlösungsfertigkeiten werden gefördert. Dadurch wird die Kontrolle des Einzelnen über sein Risikoverhalten erhöht und die Gesundheit verbessert. Deshalb eignet sich „Skoll“ sowohl für unterschiedlich motivierte Teilnehmer(innen) als auch für alle Entwicklungsstufen von Risikoverhalten. Allerdings ersetzt die Methode keine Behandlung oder Therapie.
Um zu testen, ob und wie das „Skoll“-Selbstkontrolltraining wirkt, wurde das Programm evaluiert (siehe Kasten rechts). Das Gruppentraining eignet sich für alle Altersstufen. Im Evaluationszeitraum lag der Altersdurchschnitt bei 29,8 Jahren. Die riskanten Problemfelder reichen von Spielen, Kaufen, Rauchen, Alkohol- bis hin zu Cannabiskonsum. Zehn thematische Bausteine werden im wöchentlichen Rhythmus mit den Teilnehmenden bearbeitet. Mindestens acht Trainingseinheiten sollten besucht werden, denn mehr als zwei ausgefallene Sitzungen schränken die Wirksamkeit ein. Vor dem Kurs findet ein Informationstreffen statt. Etwa acht Wochen nach Kursende gibt es ein Nachtreffen.
„Skoll“ besteht aus vier Kernelementen, die den Ablauf jeder Trainingseinheit strukturieren: Trainingsplan, Treppe zum Ziel, Dokumentation und Situationsanalyse. Die Teilnehmer(innen) legen in einem Trainingsplan ihr ganz persönliches Ziel fest, an dem sie während des Trainings arbeiten möchten. Die Treppe zum Ziel dient der Sicherung der individuellen Ergebnisse einer jeden Einheit. Die Dokumentation erhöht die Selbstreflexion der Teilnehmenden. Mit der Situationsanalyse wird verdeutlicht, welche Gefühle und Gedanken zu einem bestimmten Verhalten führen und welchen Einfluss jede(r) selbst nehmen kann. Diese Kernelemente finden sich unter anderem in folgenden Themenbausteinen: Stress, hilfreiche Gedanken entwickeln, Rückschritte, Freizeit und Rituale. Die Gruppen – bis zu acht Teilnehmer(innen) – werden von mindestens einer qualifizierten Fachkraft begleitet.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: „Skoll“ wirkt. Es wurden stabile Gesundheitsgewinne von 15 bis 20 Prozent im Vergleich zu den Ausgangswerten erreicht. Die Wirksamkeit gilt für alle Teilnehmenden, unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung, Risikoprofil, Eingangsbelastung, Motivation und Zusatzversorgung. Sie ließ sich auch unter den verschiedenen Umsetzungsbedingungen belegen, wie Stadt/ Land, unterschiedliche Zusammensetzung der Gruppen und verschiedene Durchführungs-Settings außerhalb der Fachstellen. Das Training hat sich auch in Kooperationen mit der Wohnungslosenhilfe, Bildungsträgern, Arbeitsagenturen und Jugendhilfe bewährt.1
Unorthodoxe Methode wirkt – Beispiel Heidelberg
Die Suchtberatungsstelle Heidelberg des AGJ-Fachverbandes für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg richtet ihr Angebot überwiegend an suchtkranke und suchtgefährdete Menschen, die legale oder illegale Suchtmittel konsumieren sowie an Menschen mit problematischem oder pathologischem Glücksspielverhalten. Prävention wird an Schulen, in Firmen und Jugendhäusern angeboten.
Die Entscheidung, „Skoll“ in das Angebotsspektrum mit aufzunehmen, beruhte auf der Erkenntnis, dass es Klient(inn)en mit weiterem Beratungsbedarf gab, bei denen aber keine Voraussetzung für eine medizinische Rehabilitation vorlag. Dazu gehörten unter anderem Jugendliche, die in ihrer Ausbildung wegen Alkohol- oder Drogenmissbrauchs auffielen oder Klient(inn)en, die ihren Suchtmittelkonsum als problematisch erkannten, in ihrer Erwerbsfähigkeit aber weder gefährdet noch beeinträchtigt waren. Zudem erreichten uns immer mehr Klient(inn)en mit sogenannten „Verhaltenssüchten“ (Spielsucht, Medienabhängigkeit und anderes), für die es kein passendes Gruppenangebot gab. Zwei Mitarbeiter der Beratungsstelle wurden zu Trainern ausgebildet. Sie begleiteten bis zum Abschluss der Modellphase fünf „Skoll“-Gruppen.
Anfangs war es schwierig, eine tragfähige und zuverlässige Gruppe zu bilden. Die Startschwierigkeiten waren begründet in der Unverbindlichkeit der meist jugendlichen Teilnehmer(innen), deren Bindungsverhalten bisher wenig gefördert wurde. Erste Effekte zeigten sich dann in den positiven Reaktionen der Teilnehmer(innen) in Bezug auf das zieloffene Konzept und das in Interventionen sehr zurückhaltende Verhalten der Gruppenleiter. Klienten, bei denen eine „Veränderungsmotivation“ eher fragwürdig erschien und die grundsätzlich einer Therapie oder Suchtberatung eher kritisch gegenüberstanden, äußerten sich wohlwollend zur Atmosphäre und waren bereit, sich an dieser Gruppe zu beteiligen.
Die Gruppen waren bunt gemischt. Bei zwischen fünf und acht Teilnehmer(inne)n reichte die Alterspanne von 16 bis 60 Jahre, wobei überwiegend Jugendliche zwischen 18 und 24 Jahren teilnahmen. Neben Drogen- und Alkoholkonsum waren auch PC-Missbrauch und pathologisches Glücksspiel Themen, mit denen sich die Teilnehmenden auseinandersetzten.
Der vorgegebene strukturierte Ablauf der Gruppe und die Materialien im Arbeitshandbuch waren förderlich für jene Teilnehmer(innen), die über weniger starke kognitive Ressourcen verfügten. Sie konnten mit Unterstützung anderer Gruppenmitglieder dem Programm folgen. Die sich daraus ergebende Gruppendynamik war mit für den Erfolg verantwortlich.
Am Ende steht oft die Freiheit von der Droge
Die Trainingspläne und Dokumentationsbögen waren nützlich, um das Selbstkontrolltraining im Alltag zu verankern. In den Trainingsplänen konkretisierten die Teilnehmenden ihre Erwartungen und sie setzten sich mit Teilzielen auseinander. Mit Hilfe der Dokumentationsbögen lernten sie Selbstkontrolle und Selbstmanagement. Zwar war in allen Gruppen zu beobachten, dass Trainingspläne aus dem Blick gerieten und Dokumentationsbögen vergessen wurden. Es war der rituelle Ablauf der Gruppenstunde, der den Teilnehmenden ihre Eigenverantwortlichkeit immer wieder vor Augen führte und Teilziele zu Erfolgserlebnissen werden ließ.
Menschen, die schon als „unmotiviert“ abgeschrieben wurden, folgen zuverlässig einem Gruppenprogramm, entwickeln Ziele, lassen sich auf Beziehung ein, verändern Sichtweisen und gelegentlich auch Verhalten und wachsen manchmal über ihr Ziel hinaus. So kam es in allen Gruppen vor, dass aus dem Ziel „reduzierter Konsum“ am Ende die Drogenfreiheit stand. Solche Erfahrungen beeindrucken nicht nur die „Skoll“-Gruppen mit ihren Trainer(inne)n. Sie nehmen Einfluss auf die Sichtweise des ganzen Teams und fließen ein in das Konzept der Beratungsstelle.
Anmerkung
1. Kliche, Thomas: Evaluation des Selbstkontrolltrainings – Ein suchtmittelübergreifender Ansatz zur Frühintervention bei Jugendlichen und Erwachsenen: Teilnehmerbefragung. Vorläufiger Ergebnisbericht 18.10.2011.
Weiterführende Informationen und Adressen: www.skoll.de