Beschäftigung und Ehrenamt sind Bausteine aktiven Alterns
"Aktives Altern steigert die Lebensqualität im Alter durch bestmögliche Gesundheit, gesellschaftliche Partizipation und Sicherheit. Es erlaubt den Menschen, ihr Potenzial körperlichen, sozialen und geistigen Wohlbefindens ihr ganzes Leben lang voll auszuschöpfen. Es erlaubt ihnen gesellschaftliche Teilhabe, wobei der Schutz, die Sicherheit und die Pflege, die ältere Menschen brauchen, zur Verfügung stehen", so definiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aktives Altern.
Durch den demografischen Wandel wird sich das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentnern von hEUte 4:1 bis zum Jahr 2060 auf 2:1 reduzieren. Diese Zahlen machen deutlich, wie stark sich unsere Gesellschaft an die veränderte Altersstruktur anpassen muss. Die Problemstellungen des "Europäischen Jahres für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen" betreffen Deutschland in besonderer Weise, denn die deutsche Bevölkerung altert besonders schnell. So ist der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung EU-weit nirgendwo höher als in Deutschland.1 Ältere Menschen und ihre Rolle in der Gesellschaft werden von der Mehrheit der in Deutschland von Eurobarometer Befragten positiv wahrgenommen. Der Wert liegt auch über dem europäischen Durchschnitt.2
Aus Sicht der Caritas ist erfreulich, dass die befragten Deutschen religiösen Organisationen und Kirchen eine ausgeprägt positive Rolle bei der Bewältigung der Herausforderungen einer alternden Gesellschaft zuschreiben. Dieses Ergebnis liegt deutlich über dem EU-Schnitt und ist auch Beleg für die wertvolle Arbeit vieler Dienste und Einrichtungen der Caritas. Mehrgenerationenhäuser sind lediglich ein Beispiel dafür, dass sich die Caritas in diesem Bereich schon seit Jahren engagiert. Nur in Finnland, Schweden und der Slowakei wird die Rolle der kirchlichen Organisationen in der alternden Gesellschaft noch positiver wahrgenommen.
Ein Schwerpunkt des Europäischen Jahres ist die Beschäftigung älterer Menschen. Europaweit gehen heute viele Menschen vor dem Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters in den Ruhestand. Mit einem faktischen Renteneintrittsalter von 62 Jahren liegen die Deutschen dabei im EU-Durchschnitt. Ruhestand vor dem Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters führt aber zu Rentenkürzungen und senkt die Produktivität. Um tatsächlich eine längere Beschäftigung zu ermöglichen, müssen Arbeitsplätze besser auf die Bedürfnisse von Menschen über 50 Jahren zugeschnitten werden. Ein abgestufter Übergang vom Erwerbsleben in die Rente erleichtert Arbeitnehmer(inne)n eine persönliche Neuorientierung und ermöglicht Wissenstransfer in Unternehmen. Ein solidarisches Rentensystem muss allerdings der unterschiedlichen (körperlichen) Belastung von Arbeitnehmer(inne)n Rechnung tragen. Für diejenigen, die nicht überwiegend körperlich arbeiten, sind starre Altersgrenzen nicht mehr zeitgemäß, wenn man bedenkt, dass Kreativität und geistige Leistungsfähigkeit heute bis zu einem Alter von etwa 80 Jahren weitgehend unabhängig vom biologischen Alter sind. Eine Ungleichbehandlung alleine aufgrund des Alters verstößt auch gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.3
Beim Ehrenamt besteht ein Nord-Süd-Gefälle
Neben einer angepassten Beschäftigung ist gesellschaftliche Teilhabe eine wichtige Voraussetzung des aktiven Alterns. Soziale Ausgrenzung älterer Menschen muss bekämpft werden.
Viele ältere Menschen sind selbst sozial aktiv und engagieren sich für die Gesellschaft. In der Caritas ist die Mehrzahl der ehrenamtlich Engagierten über 60 Jahre alt, gerade in der Pfarr- und Gemeindecaritas.4 Betrachtet man das bürgerschaftliche Engagement älterer Menschen in Europa, so zeigt sich allerdings ein erhebliches Nord-Süd-Gefälle. Deutschland liegt dabei im Mittelfeld, hinter den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Belgien.5 Um ehrenamtliches Engagement zu fördern, stehen auch finanzielle Mittel bereit - unter anderem des EU-Bildungsprogramms für lebenslanges Lernen (Grundtvig). Mit diesem Programm konnten beispielsweise der Landes-Caritasverband Bayern und der Diözesan-Caritasverband Hildesheim seit 2009 gezielt ältere Menschen für einen mehrwöchigen Aufenthalt als Freiwillige bei der Caritas Südtirol und Wien gewinnen. Die Teilnehmer(innen) erhielten vor Ort Einblicke und kehrten mit neuen Ideen für ehrenamtliches Engagement zurück.
Ebenfalls vieldiskutiert im Rahmen des Europäischen Jahres 2012 ist die Pflege. Bei der häuslichen Pflege älterer Menschen spielen Familienangehörige in ganz Europa eine wichtige Rolle. Im EU-weiten Durchschnitt kümmern sich allerdings mehr als doppelt so viele Menschen um einen älteren Familienangehörigen wie in Deutschland (Eurobarometer 2012: 15 zu sechs Prozent). Dabei liegen nicht nur Länder deutlich vor Deutschland, die eventuell eine schlechtere Pflegeinfrastruktur aufzuweisen haben, sondern insbesondere auch Frankreich, Luxemburg und Belgien. Dies wirft die Frage auf, weshalb häusliche Pflege in Deutschland weniger verbreitet ist. Sicher ist, dass die Gesellschaft häusliche Pflege mehr würdigen sollte. Ferner muss sie der sozialen Ausgrenzung und Burnout-Erkrankungen der pflegenden Angehörigen entgegenwirken. Auch männliche Familienangehörige sollten ermutigt werden, sich stärker als bisher in die häusliche Pflege einzubringen.
Dazu müssen vor allem die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit, sozialem Leben und Engagement weiter verbessert werden. Nur Solidarität der Generationen wird die Herausforderungen des Alterns bewältigen.
Weitere Informationen: www.ej2012.de
Anmerkungen
1. Eurostat: Active ageing and solidarity between generations. Edition 2012, Luxembourg, 2011.
2. Special Eurobarometer 378 Active ageing Report, 2012.
3. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, vgl. zuletzt Urteil in der Rechtssache Prigge vom 13. September 2011 AZ 10 - 447/09 (Zwangsruhestand für Piloten mit 60 Jahren unionsrechtswidrig).
4. Baldas, Eugen; Bangert, Christopher (Hrsg.): Ehrenamt und freiwilliges Engagement in der Caritas. Freiburg : Lambertus, 2008, S. 19 f.
5. Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Altersbilder in der Gesellschaft. Berlin, 2010, S. 76.