Tarifentwicklung in Zeiten schwacher Refinanzierung
Auch die Krankenhauslandschaft ist dem Wandel der Zeit und ihren Bedingungen unterworfen. Es herrschen rigide Sparzwänge, ein Trend zu Verbundstrukturen und eine zunehmende Privatisierung. Dieser Artikel beleuchtet hierzu aktuelle Zahlen, Fakten zur Refinanzierung und tarifliche Entwicklungen.
Zunächst zu den Zahlen. Nach der amtlichen Statistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2009 gibt es in Deutschland insgesamt 2084 Krankenhäuser. Davon befinden sich 648 in öffentlicher, 769 in freigemeinnütziger und 667 in privater Trägerschaft. Es gibt 435 katholische und 250 evangelische Krankenhäuser. Insgesamt arbeiten in Deutschland über eine Million Beschäftigte im Krankenhausbereich, darunter 144.000 im Ärztlichen Dienst und 402.000 im Pflegedienst. 166.000 sind im Medizinisch-Technischen Dienst, 113.000 im Funktionsdienst (zum Beispiel OP-Schwestern) sowie 128.000 im Verwaltungs-, Wirtschafts- und Versorgungsdienst tätig. Hinzu kommen circa 75.000 Auszubildende. Die Zahl der allgemeinen (Akut-)Krankenhäuser ist von 1994 bis 2009 um 15 Prozent gesunken. Dabei hat sich der Anteil der öffentlichen Krankenhäuser überproportional verringert: um mehr als 35 Prozent. Die Zahl der freigemeinnützigen Krankenhäuser hat um 22 Prozent nachgegeben. Einen deutlichen Zuwachs erreichten hingegen die privaten Kliniken mit fast 55 Prozent. Deutlich angestiegen ist ebenfalls die Zahl der Sonderkrankenhäuser (psychiatrische und neurologische Fachkrankenhäuser) mit einem Plus von 15 Prozent. Heute liegt der Anteil der Kommunalen bei 31 Prozent, der Privaten bei 32 Prozent und der Freigemeinnützigen bei 37 Prozent.
In der Trägerlandschaft hat es einen deutlichen Trend zu Verbundstrukturen gegeben. Diesen Trend haben die katholischen und evangelischen Krankenhausträger in den letzten 15 Jahren aktiv mitgestaltet und umgesetzt. Träger wie die Marienhaus GmbH Waldbreitbach, die St. Franziskus-Stiftung Münster oder der Valeo-Verbund Evangelischer Krankenhäuser in Westfalen zählen jeweils mehr als 10.000 Beschäftigte.1 Die größeren Verbünde haben das Ziel, solitäre Einrichtungen vor Übernahmen zu schützen und Synergieeffekte insbesondere durch Optimierung des Leistungsgeschehens zu nutzen.
Enge gesetzliche Vorgaben
Wie sieht es aktuell mit der Refinanzierung aus? Für die Jahre 2011 und 2012 hat die Politik in zwei Bereichen rigide Sparmaßnahmen durchgesetzt: Erstens steigen die Preise für Krankenhausleistungen nur gering. In § 10 Absatz 3 und 4 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie in den Regelungen zur Bundespflegesatzverordnung wird festgelegt, dass die Preise für akutstationäre Krankenhausleistungen und die Krankenhausbudgets von psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen im Jahr 2011 um 0,9 Prozent ansteigen dürfen (das heißt um die um 0,25 Prozentpunkte verminderte Grundlohnrate2) und im Jahr 2012 um 0,65 Prozent (das heißt um eine um 0,5 Prozentpunkte verminderte Grundlohnrate). Für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) will das Bundesgesundheitsministerium hierdurch ein Einsparvolumen in Höhe von rund 150 Millionen Euro im Jahr 2011 und rund 300 Millionen Euro im Jahr 2012 erreichen. Neben diesen gesetzlichen Auflagen kommt hinzu, dass die endgültigen Preise erst auf Landesebene durch Verhandlungen über die sogenannten Landesbasisfallwerte zwischen Kostenträgern und Landeskrankenhausgesellschaften vereinbart werden. Unterm Strich blieb den Krankenhäusern im Jahr 2011 tatsächlich eine Erhöhung der Leistungsentgelte um lediglich 0,3 Prozent im bundesweiten Durchschnitt. Auf die Ergebnisse der Verhandlungen für das Jahr 2012 wird mit Spannung zu schauen sein, da die Kostenträger bereits erhebliche Mehrbelastungen aufgrund des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz auf sich zukommen sehen.
In § 4 Abs. 2a Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) wird ein sogenannter Mehrleistungsabschlag umgesetzt. Für Leistungen, die Krankenhäuser in Budgetverhandlungen im Vergleich zum Vorjahr zusätzlich vereinbaren (Mehrleistungen), wird für das Jahr 2011 ein Abschlag von 30 Prozent festgelegt. Dies bedeutet, dass die Krankenhäuser für diese Mehrleistungen nur 70 Prozent der üblichen Vergütung erhalten. Für die GKV hat das Bundesgesundheitsministerium hieraus für das Jahr 2011 ein Einsparvolumen in Höhe von rund 350 Millionen Euro errechnet. Ab dem Jahr 2012 ist die Höhe des Mehrleistungsabschlags zwischen den Krankenhäusern und den Kostenträgern zu vereinbaren.
Ausnahmen zum Abschlag bei Mehrleistungen
Ausgenommen von der Anwendung des Abschlags sind zusätzlich vereinbarte Leistungen mit einem sehr hohen Sachkostenanteil von mehr als zwei Dritteln sowie zusätzliche Leistungen bei landesrechtlich veranlassten Kapazitätserweiterungen (zum Beispiel Ansiedlung einer neuen Fachabteilung). Auch wenn ansonsten die Finanzierung einzelner Leistungsbereiche gefährdet wäre oder Versorgungsprobleme entstehen würden, sind Ausnahmen vom Mehrleistungsabschlag möglich. Im jeweiligen Folgejahr werden die Mehrleistungen des Vorjahres in Höhe der ungekürzten üblichen Vergütung vergütet.
Im Gegensatz zu den Entwicklungen bei der Refinanzierung liegen die Löhne in den katholischen Krankenhäusern stets auf hohem Niveau. Seit 1969 richten sich die Vergütungen ihrer Mitarbeitenden nach dem Bundesangestelltentarif (BAT). Der BAT war bis in die frühen 90er Jahre die uneingeschränkte "Leitwährung". Es galt das Selbstkostendeckungsprinzip, das heißt, die Refinanzierung der Einrichtungen folgte automatisch der Entwicklung der Löhne. Damit gab es aber auch keinen Druck, sich in den Löhnen zu unterscheiden: Alle Anbieter wandten den BAT an.
Das änderte sich mit der Aufhebung des Selbstkostendeckungsprinzips durch das Gesundheitsstrukturgesetz 1993. Der damit entstandene Druck auf die Lohnkosten führte bei anderen Anbietern zu neuen Tarifen oder Einzelvereinbarungen. Für die "unteren Lohngruppen" wurden die Tarife der Reinigungs- und Dienstleistungsbranche zur Orientierungsgröße.
Dagegen hielten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) stets am hohen Niveau des BAT fest und folgten durch die Paketlösung im Jahre 2010 dem TVöD, der 2005 den BAT ablöste.
Infolge der durch das GKV-Finanzierungsgesetz auferlegten Sparmaßnahmen und der unsicheren Verhandlungsergebnisse für das Jahr 2012 ist zu befürchten, dass ein weiterer Personalabbau und eine weitere Arbeitsverdichtung die jetzt schon äußerst angespannte Situation weiter verschärft. Angesichts des sich immer deutlicher abzeichnenden Fachkräftemangels im ärztlichen und zunehmend auch pflegerischen Bereich gilt es vor allem, die Attraktivität der Arbeitsplätze und die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Doch inwieweit wird die Politik durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen bereit sein, hier einen deutlichen Akzent zu setzen? Inwieweit wird es uns gelingen, attraktive und flexible AVR zu gestalten, die als "Caritas-Tarif" zur Attraktivität unserer kirchlichen Krankenhäuser beitragen können?
Anmerkungen
1. Vgl. die Prognos-Studie "Kirchliche Krankenhäuser - werteorientiert, innovativ, wettbewerbsstark" vom Oktober 2009, S. 11, www.prognos.com, suche "Krankenhäuser".
2. Die Grundlohnrate berechnet sich aus den Veränderungsraten der beitragspflichtigen Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen. Sie wird vom Bundesgesundheitsministerium berechnet und bis zum 15. September eines jeden Jahres bekanntgegeben.